Umstrittene Buch-Fortsetzungen:James Bond verträgt das

Neuer Bond-Film "Spectre" mit Daniel Craig

James Bond, hier dargestellt von Daniel Craig in "Spectre", kann Weltkonflikte vereinfachen.

(Foto: dpa)

Neue Autoren halten Figuren wie James Bond und Lisbeth Salander am Leben. Doch ist die schamlose Fortsetzerei bloß schnödes Kopierwerk?

Ein Kommentar von Andrian Kreye

Zu Beginn dieses Bücherherbstes erscheinen gleich zwei Fortsetzungen von Romanserien, die nicht von ihren Originalautoren verfasst wurden. Das eine Buch heißt "Verschwörung" und ist ein vierter Band zur "Millennium"-Trilogie des verstorbenen schwedischen Autors Stieg Larsson. Geschrieben hat ihn der Journalist David Lagercrantz. Das andere ist ein neuer James-Bond-Roman mit dem Titel "Trigger Mortis - der Finger Gottes", in dem der Bestsellerautor Anthony Horowitz die James-Bond-Saga von Ian Fleming weiterführt.

Der natürliche Reflex des Lesers ist erst einmal, so was als schamlose Ausbeutung originärer Werke durch Auftragsschreiber abzutun. Anthony Horowitz ist da ein besonders gutes Beispiel. Der hat nämlich auch schon drei Sherlock-Holmes-Bände veröffentlicht. Wo ist da der Unterschied zur Raubkopierkultur? In China gibt es zum Beispiel nicht nur sieben, sondern 18 "Harry-Potter"-Bände.

Mit Literatur mag das nichts zu tun haben. In der ist die Stimme des Autors ein heiliges Gut. Es käme aber auch niemand auf den Gedanken, Günter Grass' "Blechtrommel" oder James Joyces "Ulysses" weiterzuschreiben. Denn man sollte die Fortsetzerei nicht als schnödes Kopierwerk abtun. "Millenium 4" und der neue James Bond stehen in einer anderen Tradition.

Einer der am meisten erwarteten Filme in der Geschichte des Kinos

Die findet man zunächst in Hollywood. Niemand regt sich darüber auf, dass beim neuen, siebten "Star Wars"-Film gar nicht George Lucas Regie führt, sondern J. J. Abrams. Lucas hat das noch nie so eng gesehen - und schon zwei der ersten sechs Folgen an andere Regisseure abgegeben. Und die siebte Folge, die nun im Dezember herauskommt, ist einer der am meisten erwarteten Filme in der Geschichte des Kinos.

Es gibt noch ein paar weitere Beispiele. Das Pantheon der Superhelden mit Super- und Batman, mit Captain America, Hulk und Iron Man hat sich längst zu einem Sagenschatz verselbständigt, der von so vielen Autoren, Zeichnern, Film- und Fernsehregisseuren verarbeitet wurde, dass selbst Fans den Überblick verlieren.

James Bond kann Weltkonflikte vereinfachen

Was Belletristik, Comic und Kino seit Mitte des vergangenen Jahrhunderts geschaffen haben, ist eine Mythenwelt, die sich längst vom Autorenprinzip losgelöst hat. Sie greift zurück auf Zeiten, als Märchen und Sagen noch von jedermann immer wieder neu erzählt werden konnten, ohne dass ihr Kern sich verändert hätte. Darin liegt letztlich auch die Kraft von Hollywood. Dort versammeln sich seit mehr als hundert Jahren einige der besten Geschichtenerzähler der Welt.

Dort war auch das Autorenprinzip in den Siebzigerjahren ein ähnliches Novum wie in der Literatur des 18. Jahrhunderts. Gotthold Ephraim Lessing war einer der ersten Autoren, die Werk und Stimme für sich beanspruchen konnten. Und es waren die Regisseure des "New Hollywood" wie Woody Allen, Martin Scorsese und Steven Spielberg, die den großen Filmstudios wenigstens vorübergehend die Macht entrissen.

Studios und Medienkonzerne gewinnen an Macht

Wenn nun mit den modernen Sagenwelten die Stimmen der Autoren in den Hintergrund treten, gewinnen die Studios und Medienkonzerne natürlich auch wieder an Macht. Fürs Publikum spielt das nur bedingt eine Rolle. Autorenwerke gibt es ja weiterhin. Und ein Sagenschatz der Moderne hat mehr Wert als bloße Unterhaltung.

James Bond kann Weltkonflikte vereinfachen. Stieg Larssons Hackerin Lisbeth Salander kanalisiert die Wut von Lesern auf Machtverhältnisse. Und wie dankbar ist man auf den Klippen der Normandie, wenn man einem Fünfjährigen mit den Figuren seiner Star-Wars-Lego-Sammlung erklären kann, dass die US-Army-Rangers hier einst ein Reich des Bösen besiegten. Kein Zufall, dass Darth Vader den gleichen Helm trägt wie damals die Mächte der Finsternis.

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