Ukrainisches Tagebuch (XL):Nahrung für Geist und Tier

Ukrainisches Tagebuch (XL): Oxana Matiychuk ist Germanistin und arbeitet am Lehrstuhl für ausländische Literaturgeschichte, Literaturtheorie und slawische Philologie an der Universität Czernowitz im Westen der Ukraine.

Oxana Matiychuk ist Germanistin und arbeitet am Lehrstuhl für ausländische Literaturgeschichte, Literaturtheorie und slawische Philologie an der Universität Czernowitz im Westen der Ukraine.

(Foto: Universität Augsburg/Imago/Bearbeitung:SZ)

Bücher für die Menschen, edles Futter für Gourmet-Katzen. Notizen aus dem Krieg im ukrainischen Tagebuch.

Gastbeitrag von Oxana Matiychuk

Am Mittwoch, dem 8. Juni, ist ein Großeinkauf in Rumänien geplant. Die Ausreisegenehmigung meiner männlichen Kollegen ist nur noch wenige Tage gültig, dann müssen sie einen Bericht machen und eine neue beantragen. Um 6.30 Uhr sind wir bereits unterwegs. S. hat Geburtstag, er wird sich an diesen Tag bestimmt lange erinnern. Weil unser Universitätsfahrer wieder ausgefallen ist, fährt der Kollege W. einen alten Kleinbus seines Vaters. Die ukrainische Kontrolle geht schnell, auf die Frage, was für Bücher wir im Kofferraum führen, trage ich professionell die Geschichte des Literaturpreises zum 100. Geburtstag von Paul Celan vor und der daraus entstandenen dreisprachigen Anthologie "Mikrolithen: Jenseits von Celan". Ein Teil der Auflage geht über die Universität Suceava weiter an die rumänischen Autorinnen und Autoren sowie an das IKGS in München. Zurück im Bus, sagt S. verschmitzt: "Ich glaube, der Grenzpolizist hat aus deiner literaturwissenschaftslastigen Erklärung lediglich das Wort ,gewidmet' verstanden."

Wie auch immer: Wir sind schnell durch, obwohl es kein universitäres Fahrzeug ist, von dem haben wir nur das Banner mit der Aufschrift "Humanitäre Hilfe" auf Ukrainisch und Rumänisch. Bei der rumänischen Kontrolle tritt ein Problem auf: Die vorderen Seitenscheiben des Busses sind verdunkelt, durch Scheibenfolierung. Das wird in der Ukraine oft gemacht. Die Kollegen ahnen Schwierigkeiten. Die Dame vor uns im weißen SUV ist nach einer kurzen Unterredung mit dem Grenzpolizisten sichtlich aufgeregt. Ihr teures Fahrzeug hat wohl getönte Originalscheiben, sodass sie offenbar keine Chance hat, damit in die EU zu kommen. Wir bekommen eine Chance, müssen aber die Folien abnehmen.

Als wir in die Stadt reinfahren, ist Luftalarm. Die Passanten reagieren kaum

Also stehen wir am Grenzübergang, S. und W. versuchen vorsichtig, die Folien oben mit den Fingernägeln zu lösen, ich denke dabei, dass lange Gelnägel vielleicht hilfreich wären. Doch die habe ich nicht. W. zweifelt, dass sich sein Vater über dieses "Upgrade" freuen würde, doch aufgeben wollen wir nicht. Zum Glück lassen sich die Folien tatsächlich langsam abziehen, wir dürfen weiter.

In Suceava werden die Bücher abgeladen, danach beladen wir bei Kaufland drei Einkaufswagen, zweimal. Dieses Mal sind es ausschließlich haltbare Lebensmittel. Bei der ersten Bezahlung stelle ich fest, dass ich die Bankkarte, mit der ich zahlen wollte, vergessen habe. Gott sei Dank können wir mit zwei anderen Karten von mir und der Kreditkarte von S. auskommen. Dann geht es zurück, bei der Grenzkontrolle scheint der Name "Universität" den ukrainischen Grenzpolizisten etwas milder zu stimmen, immerhin können wir durch, nachdem wir die Frage "Woher die Güter" mit "Gekauft, hier die Kassenbons" beantworten. Zwei Busse, die vor uns waren und ebenfalls als humanitäre Hilfe gekennzeichnet sind, müssen dagegen länger warten.

Als wir in die Stadt reinfahren, ist Luftalarm. Die Sirenen heulen, sonst läuft der Verkehr weiter, die Passanten reagieren kaum. Im Studentendorf laden wir aus, drei Studierende helfen mit. Eine Frau aus dem Fenster im zweiten Stock ruft W. und S. zu, ob sie sich an ihre Bitte erinnern. Sie soll runterkommen, sagt S., von ihrem Anliegen erzählte er mir bereits am Vortag, doch ich konnte mich darum wegen der langen Prüfung noch nicht wirklich kümmern. Sie kommt zu uns in den Hof, wir lernen uns kennen. N. kam mit ihrer Mutter vor einigen Tagen aus Bachmut, in der Region Donezk. Alles nicht so schlimm, meint sie, sie werden sich hier schon arrangieren. Hauptsache, es wird hier nicht gebombt und geschossen. Ihr Haus in Bachmut habe sie den ukrainischen Soldaten zur Verfügung gestellt, der Ort wird schwer umkämpft. Sie hat gar kein Geschirr dabei und wandte sich deswegen an die Kollegen.

Die Katze braucht die Marke "Felix" - etwas anderes würde sie nicht fressen

Ein paar Teller und Besteck für sie haben wir tatsächlich schon dabei, einen Topf und eine Pfanne würde ich für sie kaufen, sage ich, sie müsse sich noch einen Tag gedulden. Dann bräuchte sie noch Futter für ihre schottische Faltohrkatze, die Marke "Felix", was anderes würde er nicht fressen. Ich muss schmunzeln, für mich beziehungsweise meine Tiere zu Hause kann ich mir die Marke selten leisten. Gut, dass die Katze wenigstens nicht das unbezahlbare Royal Canin bevorzugt. Leider kann ich das Tierfutter nicht versprechen. Wir verabschieden uns, indem wir N. versichern, dass sie ganz bald für sich und ihre Mutter kochen kann.

Am Donnerstag schaffe ich es wirklich, einen Topf und eine Pfanne zu kaufen, S. kann die Sachen am Nachmittag ins Studentendorf bringen. Und an diesem Vormittag gibt es auch Hoffnung für viele Vierbeiner, die mit ihren Herrchen und Frauchen im "tierfreundlichen" Wohnheim 6 untergebracht sind - als hätte uns jemand oben erhört. Der Direktor des Studentendorfes kommt bei uns im Büro vorbei. Eine dänische Hilfsorganisation hätte vieles für Haustiere, nur: Sie braucht offizielle Papiere für die Übergabe, und eine Einrichtung wie die Universität darf solche Hilfsgüter aus formalen Gründen nicht annehmen. Ob unser Kulturverein der offizielle Empfänger sein könnte? Ich zweifle, dass es mit unserer Satzung vereinbar wäre, doch zum Glück haben wir eine andere Lösung: Die Buchhalterin A., die sich um die Abrechnung unserer großen Kulturprojekte kümmerte, arbeitet auch für die NGO "Animal Helpers". Ein Anruf vom Kollegen O. bei ihr genügt, damit wir dem Direktor bestätigen können, dass "Animal Helpers" gern bereit ist, diese humanitäre Hilfe für Tiere anzunehmen. Dann gibt es viel Tierbedarf und Tiernahrung umsonst im Studentendorf.

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