Krieg in der Ukraine:Gefährlicher Widerstand

Krieg in der Ukraine: Elena Kovalskaya, künstlerische Leiterin des Meyerhold-Theaterzentrums in Moskau.

Elena Kovalskaya, künstlerische Leiterin des Meyerhold-Theaterzentrums in Moskau.

(Foto: Screenshot Facebook)

In der russischen Theaterszene gibt es Protest gegen Putin. Die künstlerische Leiterin eines Hauses in Moskau soll zurückgetreten sein.

Von Egbert Tholl

"Man kann nicht für einen Mörder arbeiten und von ihm bezahlt werden." Das postete Elena Kowalskaja am Freitag auf Facebook. Kowalskaja ist seit 2013 künstlerische Leiterin des Meyerhold-Theaterzentrums, eines Orts des theatralen Experiments, wurde in der Ukraine geboren und arbeitet seit Anfang der 90er-Jahre in Moskau. Nun also kündigt sie ihren Rücktritt an. "Das Meyerhold-Theaterzentrum ist ein Staatstheater, und ich werde nicht für den Staat des Kriminellen Putin arbeiten."

Auch in der übrigen russischen Theaterszene erhebt sich massiver Widerstand gegen Putins Angriffskrieg. Der Mut dabei ist beträchtlich. Die Zeitschrift Teatr veröffentlicht beispielsweise auf ihrer Homepage eine detaillierte Chronik der sich überschlagenden Ereignisse, berichtet von 7586 Verhaftungen von Antikriegs-Demonstranten seit dem 24. Februar in Russland - 758 von ihnen allein am 2. März. Außerdem ruft die Zeitschrift in einem Artikel zur Unterzeichnung einer Petition gegen den Krieg auf und veröffentlichte einen offenen Brief von Regisseurinnen und Schauspielern, der auf Facebook von Maria Revyakina initiiert worden war, der Leiterin des Festivals "Die Goldene Maske", das die wichtigsten russischen Theaterproduktionen auszeichnet.

Der Brief wurde von vielen prominenten Persönlichkeiten unterzeichnet - dem Generaldirektor des Bolschoi-Theaters, Wladimir Urin, etwa oder dem Dirigenten Wladimir Spiwakow. Einige der Unterzeichner sind als sogenannte Gesichter des Vertrauens von Putin bekannt - das bedeutet, dass sie in Russland renommierte Künstler sind, die sich mitunter mit Anliegen direkt an ihn wenden können. Der Sprecher der Staatsduma, Wjatscheslaw Wolodin, bezeichnet die Unterzeichner in der Presse als "Verräter" und schlägt vor, ihnen das Geld zu verweigern, das sie aus dem Staatshaushalt erhalten.

Die Verfolgung von Kirill Serebrennikow wurde als Warnung an alle Theaterleute inszeniert

Die taz berichtet außerdem, dass inzwischen fünf Leiterinnen und Leiter staatlicher Theaterinstitutionen aus Protest gegen Putin von ihren Posten zurückgetreten sind - unter ihnen etwa Mindaugas Karbauskis. Der in Litauen geborene Theaterregisseur lebt und arbeitet seit Ende der 90er-Jahre in Moskau. Seit 2011 hatte er einen hochrangigen Posten als künstlerischer Leiter des Majakowski-Theaters, einer Moskauer Institution ersten Rangs, inne. Auch verschiedene Festivalleitungen und Künstlerverbände haben sich gegen den Krieg positioniert. Studierende und Lehrende der russischen Universitäten haben eine Petition ins Netz gestellt.

Grigorij Saslawskij, der Leiter der angesehenen Moskauer Theaterhochschule Gitis, ging hingegen einen anderen Weg: Er hat eine Deklaration unterschrieben, die sich für die Anerkennung der Separatistengebiete ausspricht. Daraufhin trat die Theaterkritikerin Aljona Karas als Professorin für russische Theatergeschichte zurück. Das Gitis verfolgte in der Vergangenheit oft einen Kurs einer fast schon sowjetisch anmutenden Behördenschaft.

Auch der isländische Performancekünstler Ragnar Kjartansson brach ein Projekt am Kulturzentrum GES-2 vorzeitig ab. Der Choreograf Alexei Ratmansky beendete seine Proben am Bolschoi-Theater. Andere, wie Dmitri Wolkostrelow, stellvertretender Leiter des Meyerhold-Theaterzentrums, wurden ohne weitere Erklärungen von der Moskauer Kulturabteilung entlassen.

Dazu muss man wissen: Die großen Staatstheater unterstehen sowohl der Kontrolle des Kulturministeriums als auch des Moskauer Kulturdezernats. Ihre Leiter haben nicht das Recht, offen zu sprechen, da ihnen sonst der Verlust ihrer Posten, Fördergelder und sogar ihrer Freiheit droht. Die strafrechtliche Verfolgung von Kirill Serebrennikow wurde vor zwei Jahren als Warnung an alle Theaterleute inszeniert. Inzwischen konnte Serebrennikow sogar wieder im Westen arbeiten. Aber der Weg dorthin, in die Freiheit, war sehr mühselig und ein Zeichen für die Willkür der russischen Staatsmacht.

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