Es ist wirklich nur eine Kleinigkeit, aber auch daran merkt man die Differenz zwischen den Monaten des Krieges und der übrigen Zeit: Man findet es generell nicht mehr so peinlich, wenn in der Öffentlichkeit jemand singt oder spielt. Die Straßenmusikerin, die einem mit ihrem unverlangten Liedvortrag sonst an den Nerven zerrte, kann plötzlich wie ein Engel des Trostes oder eine beherzte Mahnerin klingen. Der Pianist, der sein Instrument an der Grenze aufbaut und für die Ankommenden "Hallelujah" von Leonard Cohen spielt, wirkt wie ein Völker-Handreicher und nicht mehr wie der Wichtigtuer oder Althippie, als den ihn früher wohl viele bezeichnet hätten. Selbst wenn Leute einen Politiker filmen, der auf der Bühne einer Großveranstaltung zu singen anfängt, couragiert, aber natürlich eher linkisch - dann tun sie das nicht mehr, weil sie auf Facebook über ihn spotten wollen. Sondern weil sie ihn feiern.
Friedenssongs 2022:Sag mir, wo die Blumen waren
Alle singen jetzt wieder Friedenslieder. Aber warum sind die Songs 50 Jahre alt?
Von Joachim Hentschel
Lesen Sie mehr zum Thema