Süddeutsche Zeitung

Übersetzerin:Geschmeidig bleiben

Lesezeit: 2 Min.

Michaela Meßner erhält Arbeitsstipendium

Von Yvonne Poppek, München

Dem Äußeren nach traute Michaela Meßner dem Brief nicht. Der unscheinbare Umschlag sah für sie aus, als beinhalte er eine Absage. Also nahm sie ihn ungeöffnet mit in ihre Wohnung und kochte sich erst einmal einen Kaffee. Zur Stärkung. Die hätte sie allerdings nicht unbedingt gebraucht. In dem Brief stand, was sie sich erhofft hatte, sie aber nun doch überraschte: Der Freistaat Bayern honorierte ihre Übersetzung von Négar Djavadis Debütroman "Désorientale" aus dem Französischen ins Deutsche mit dem Übersetzerstipendium 2017. "Das war ein irrer Moment", sagt Meßner.

Sie erzählt von diesem Erlebnis in druckreifen, plastischen Sätzen. Dass sie mit Sprache arbeitet, ist zu hören. Unaufdringlich, tastend, ohne Allüren. Eben jenes kluge und zugleich bescheidene Auftreten, das die Berufsgruppe der Übersetzer für sich gebucht zu haben scheint. Schon allein deshalb ist es gut, dass der Freistaat mit seinem mit 6000 Euro dotierten Stipendium einmal jährlich ihre Arbeit würdigt und sie mit einer besonders gelungenen Übertragung für einen Abend ins Literaturhaus holt (Montag, 3. Juli, 19 Uhr).

Diesmal also ist es Michaela Meßner, deren erste Übersetzung 1991 erschienen ist und die mittlerweile auf rund 60 von ihr übersetzte Publikationen zurückblicken kann. Dazu zählt etwa Emily Brontës "Sturmhöhe", Alexandre Dumas' "Kameliendame", ebenso Martin Merediths Mandela-Biografie oder Jean Baudrillards "Von der Verführung". Belletristik, Sachbücher, Monografien, Unterhaltungsliteratur - aus drei Sprachen überträgt Meßner: aus dem Französischen, Spanischen und Englischen. Das ist eine große Bandbreite. Doch wenn man die 54-Jährige fragt, ob das an einer ihr eigenen Sprachbegabung liege, schüttelt sie den Kopf und sagt: "Beim Übersetzen ist man total im Deutschen. Vor allen Dingen kann ich gut deutsch."

Ihre Zweifel an einer Sprachbegabung möchte man dennoch nicht ganz teilen. Zumal sie sagt: "Meine Eltern sprachen überhaupt keine Fremdsprachen." Französisch und Englisch lernte sie am Gymnasium in Mainz, ihrer Heimatstadt. Spanisch sogar erst an der Universität. Allerdings hielt sie sich mehrere Monate in Paris und in Mexiko-Stadt auf. Das war kurz vor und während ihres Studiums der Romanistik, Ethnologie, später Deutsch als Fremdsprache, das sie 1990 in München abschloss.

Direkt nach dem Studium begann sie mit ihrer Übersetzertätigkeit. Wobei ein Start in dieser Branche offensichtlich nicht der einfachste ist. "Das ist eine Welt, in die man nicht leicht reinkommt", erinnert sich Meßner. Der Zufall und ihre Hartnäckigkeit halfen ihr allerdings, Fuß zu fassen. Und das mit schnellem Erfolg: 1992 wurde ihr Projekt "Gilles Lipovetsky: L'ère du vide. Essais sur l'individualisme contemporain" mit dem Übersetzerpreis der DAV-Stiftung zur Förderung der deutsch-französischen Beziehungen ausgezeichnet.

Und jetzt also "Désorientale". Der Debütroman ist ein knapp 400-seitiges Werk, in dem die Autorin eine Menge verarbeitet hat: Es ist eine Geschichte über mehrere Generationen hinweg, teils im Iran, teils in Paris angesiedelt. Die Handlung springt, spielt mal im Harem, dann im durch Unruhen und Revolutionen geprägten Iran der Siebzigerjahre, dann wieder im heutigen Paris. Trotz dieser Fülle funktioniert der autobiografisch gefärbte Text, der im Herbst im C.H.-Beck-Verlag erscheinen wird, sehr gut. Djavadi habe "geschickt geplottet", sagt Meßner. Und sie fügt hinzu: "Es ist so bunt und es hat etwas Erlebtes. Es ist etwas aus erster Hand."

Djavadis Sprachstil habe ihr gefallen, sagt Meßner. Das ist der Übersetzung anzumerken. Ein ironischer, spöttischer Grundton zieht sich durch den Roman, der keine gängigen Sprachbilder erlaubt; messerscharf wird das Beobachtete dargelegt und analysiert. Die Jury attestierte Meßner Eleganz, Sprachsicherheit und handwerkliche Perfektion. "Der geschmeidige, geradezu leichtfüßige Duktus des Texts zeigt, wie sehr Michaela Meßner in beiden Sprachen beheimatet ist", begründete sie ihre Entscheidung.

Besser kann eine Beurteilung kaum ausfallen. Ein solches Lob bekommt man doch gerne per Post. Wenn man es dann liest und mit dem Gegenteil gerechnet hat, dann kann vermutlich nur eines entstehen: ein irrer Moment.

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Quelle:
SZ vom 03.07.2017
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