Süddeutsche Zeitung

Übers Glück:Menschsein

Vier Bücher stellen und beantworten die Fragen: Was ist normal, was macht Menschen glücklich, warum hat jeder ein Recht auf Individualität? Gibt es ein allgemeingültiges Schönheitsideal? Und warum ist Vielfalt ganz alltäglich?

Von Marlene Zöhrer

Was ist der Mensch? Was macht das Menschsein aus? Große Fragen, mit denen sich längst nicht nur Philosophen und Philosophinnen beschäftigen. Auch das Kinder- und Jugendbuch tastet sich immer wieder an dieses komplexe Thema heran und versucht, verständliche und verlässliche Antworten zu geben. Björn Lengwenus spürt in "Glück" (Carlsen 2020) einer der großen Konstanten des menschlichen Daseins nach - dem Streben nach Glück. Gibt es ein Recht auf Glück? Was macht Menschen glücklich? Geld, Liebe, Schönheit? "Aussehen ist nicht gleich Glück! Es gibt wahnsinnig unglückliche 'schöne' Menschen.

Ganz abgesehen davon ist 'schön' gar kein fest definierter Begriff", erklärt das Jugendsachbuch, und genauso argumentieren Sonja Eismann und Amelie Persson in ihrem Buch "Wie siehst du denn aus? Warum es normal nicht gibt" (Beltz & Gelberg 2020). Im Fokus stehen dort die Verschiedenheit und Einzigartigkeit jedes einzelnen Menschen. Körperteil für Körperteil, von den Haaren über die Augen und Geschlechtsorgane bis hin zu den Fußsohlen, verhandeln kurze Texte und Aquarelle die mögliche Vielfalt. Normal gibt es also ebenso wenig wie das eine allgemeingültige Schönheitsideal. "Niemand braucht sich dafür zu schämen, wie er oder sie aussieht oder eben nicht aussieht. Vielmehr sollten wir über die Unglaublichkeiten und Wandlungsfähigkeiten staunen." Eine klare und mit Blick auf die durch die (sozialen) Medien geprägten Sehgewohnheiten wichtige Botschaft, die sich an Kinder ab zehn Jahren richtet und zu einem positiven Selbst- und realistischen Körperbild beitragen möchte.

Unverkrampft und mit bewundernswertem Mut zur Unvollkommenheit verfolgt dieses Ziel auch das erzählende Bilderbuch "Überall Popos" von Annika Leone und Bettina Johansson (übersetzt von Monika Osberghaus, Klett Kinderbuch 2020). Auch hier dürfen Körper aussehen, wie sie nun mal aussehen: dick, dünn, groß, klein, mit oder ohne Fettpölsterchen, Behaarung, Bräunungsstreifen, Tätowierungen. Unter der Dusche des Schwimmbads erlebt Mila die bestaunenswerte Körpervielfalt als das, was sie sein sollte: das Alltäglichste der Welt.

Doch woher kommt diese Vielfalt? Ein Ansatz, den das Kinder- und Jugendsachbuch gerne verfolgt, ist die Beschäftigung mit der Herkunft des Menschen. So möchte in diesem Frühjahr beispielsweise "Woher wir Menschen kommen: und wie das Leben auf der Erde entstand" von Catherine Barr und Steve Williams aus dem Englischen übersetzt von Britta Meinass, Carlsen 2020) Kindern ab drei Jahren die Geschichte der Evolution näherbringen. Wie schwierig ein solches Unterfangen und die damit zwangsläufig einhergehende Verknappung ist, zeigt sich dabei leider deutlich. Denn so unterhaltsam die farbenfrohen Illustrationen von Amy Husband sind, so klar die Erdgeschichte gegliedert und so lobenswert die Worterklärungen am Ende des Sachbilderbuchs sind, so kritisch ist die Darstellung der Abstammung des Menschen zu sehen. Allzu leicht kann der Eindruck entstehen, der Mensch stamme direkt vom Menschenaffen ab. Dabei ist auch das mit der Herkunft des Menschen, wie wir heute wissen, eine sehr viel komplexere Angelegenheit. So wie das Menschsein eben auch.

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Quelle:
SZ vom 05.06.2020
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