Oper "Weiße Rose" im Fernsehen:Lieder des Todes

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Die Naziwehrwölfe umlungern Sophie (Marie-Dominique Ryckmanns) und Hans (Michael Fischer) Scholl in ihrer Münchner Wohnung. (Foto: Staatsoper Hamburg (Videostill))

David Bösch hat Udo Zimmermanns Erfolgsoper "Weiße Rose" als Graphic Opera für Arte inszeniert. Es ist eine genial gelungene Hommage an Sophie und Hans Scholl geworden.

Von Reinhard J. Brembeck

Endlich einmal kein Livestream! Udo Zimmermann, 1943 in Dresden geboren, hat mit seiner Mini-Oper "Weiße Rose" einen der großen Theatererfolge nach 1945 komponiert, eine Folge von Liedern und Duetten, dem von den Nazis ermordeten Geschwisterpaar Sophie und Hans Scholl in den Mund gelegt, expressionistisch grau intensiv von nur 15 Musikern begleitet, nach einer Stunde ist Schluss. Erstaufgeführt wurde das Stück vor 35 Jahren an der Hamburger Staatsoper, diesem auf Moderne abonnierten Haus. Jetzt hat Hamburg das Stück wieder produziert, aber nicht für die Bühne, sondern - das ist absolut einmalig und überaus gelungen - als Graphic Opera fürs Fernsehen. Der Sender Arte strahlt dieses Meisterstück am Sonntag zu Sophie Scholls 100. Geburtstag zur denkbar miesesten Sendezeit (23.40 Uhr) aus, es ist dann dort in der Mediathek bis Anfang August unbedingt und auf jeden Fall anzuschauen.

Regisseur David Bösch - ins Spielerische und Bunte verliebt - sperrt die sich immer intensiver in die Höhe entfaltende Marie-Dominique Ryckmanns (Sophie) und den durch Lyrik betörenden Michael Fischer (Hans) in Betonquaderzellen, lässt sie sich selbst quälen, erinnern, visionieren, anklagen. Dazwischen läuft in Grau und Schwarz ein Nazikoyote, marschieren die an den Fronten mordenden und ermordeten Wehrmachtssoldaten, rattert eine Schreibmaschine wie eine Maschinenpistole, laufen schwarz-weiße Textbänder, landen die beiden Protagonisten unterm Schafott, schießt sich der Führerpopanz den schwarzen Papptotenhakenkreuzschädel weg. Wundervoll, wie die streng schwarz-weiß-grauen und nur von gelegentlichem (Nazi-)Rot gefärbten Animationsbilder mit den Realbildern kommunizieren, wie bruchlos der Weg von den Sängern zu den Papphelden ist.

Der Führer ist tot, es lebe die Weiße Rose! (Foto: Staatsoper Hamburg (Videostill))

Wunderbar auch, wie Bösch das Pathos Zimmermanns in die Bilder verlängert. Nie ist die Produktion versucht, kritische Untertöne beizusteuern oder die Scholl-Geschwister von ihrem Denkmalssockel der ewigen Widerstandskämpfer zu stoßen. Solch billiger Verfahren mag sich das Sprechtheater bedienen, Oper ist doch etwas ganz anderes: reines Gefühl. Und dieses Gefühl sagt, dass Sophie und Hans recht hatten in ihrem Hass auf die Tyrannei und Unmenschlichkeit, dass es beides nach wie vor und noch immer zu bekämpfen gilt, im Alltag, im Kleinen wie im Großen.

Udo Zimmermanns Musik, von Dirigent Nicolas André und den Hamburger Opernmusikern unprätentiös präsent gespielt, gibt dem Bösch-Team in jedem Moment recht. Diese Musik meint nicht nur die alten wie die neuen Nazis, sie meinte im Uraufführungsjahr 1986 auch die real existierende DDR-Diktatur. Diese Musik ist aber auch unüberhörbar eine Folge von zunehmend verzweifelten Liebesliedern zwischen Sophie und Hans. Bösch und seine Mitarbeiter lassen diesen Aspekt unbeachtet beiseite. Schließlich ist da die Musik expliziter und poetischer als es jedes Bild sein könnte. Doch der Mix aus Expressionismus, Klagegesängen und Animation erzeugte eine Intensität, die selbst hartgesottene Opernaficionados überwältigen werden.

Weiße Rose . Arte, Sonntag, 23.40 Uhr, und in der Mediathek.

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