Süddeutsche Zeitung

Udo Lindenberg im Geburtstagsinterview:"Bei der ersten Show in Hamburg wurden vorher 15 Doppelkorn getrunken"

Er erfand die deutsche Rockmusik und wehrte sich gegen das Schweigen der Nachkriegszeit. Im SZ-Interview spricht Udo Lindenberg über Selbstzweifel - und die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt.

Von Torsten Groß

"Ich muss einfach immer die Fresse aufmachen und sagen, was Sache ist." Mit diesen Worten erklärt Udo Lindenberg das für ihn immer noch wichtigste Motiv hinter der Erfindung der typischen Lindenberg-Sprache, mit der dieser Mann vor 45 Jahren quasi die deutschsprachige Rockmusik erfand. Es sei ihm um eine Opposition gegen das Schweigen der Nachkriegszeit gegangen, um das Aufzeigen von Alternativen und Wegen aus der Tristesse seiner westfälischen Heimat.

Seitdem ist viel Zeit vergangen: Wenn Udo Lindenberg an diesem Dienstag, dem 17. Mai 2016, 70 Jahre alt wird, steht er seit 55 Jahren auf der Bühne. Zunächst noch als Jazz-Schlagzeuger und in damals sogenannten Beat-Bands aktiv, wechselte Lindenberg nach dem Umzug nach Hamburg ans Mikrofon - um "sich nicht mehr hinter dem dicken Schlagzeug zu verstecken, sondern sich wirklich auf die Bühne zu trauen", wie er sagt.

Mit anarchischem Humor und deutschen Texten brachte Lindenberg dann Anfang, Mitte der Siebziger sein von ihm so bezeichnetes "Hippie-Straßentheater" auf die Bühnen der damals vornehmlich vom Verdrängungsschlager der Nachkriegszeit beschallten Republik. Darin liegt sein Verdienst: Lindenberg entwickelte praktisch im Alleingang eine deutsche Rock'n'Roll-Narration für die große Bühne. Im Gegensatz zu Leuten wie Rio Reiser, die damals ebenfalls bereits auf Deutsch texteten, war sein Weg immer der des Erfolgs.

Für die Plattenfirmen war Lindenberg immer ein gutes Investment

Weggefährten wie Marius Müller-Westernhagen erinnern sich, wie Lindenberg als Erster aus dieser Generation im Alleingang große Verträge aushandelte. Für die Plattenfirmen ein lohnendes Investment: Mit den Alben "Alles klar auf der Andrea Doria" und "Ball Pompös" gelang Lindenberg der ganz große Durchbruch.

Udo Lindenberg trifft man niemals alleine. Auch beim Interview in München ist er umgeben von allen möglichen Mitgliedern seiner Panikfamilie. Lindenbergs iPhone klingelt während des Interviews unablässig, der traditionell ohne Manager arbeitende Musiker gibt parallel ein Artwork frei und ist auch sonst ein vielgefragter Mann. Wenige Wochen nach dem Gespräch wird "Stärker als die Zeit" erscheinen, sein 35. Studioalbum, und sich in kürzester Zeit mehr als 200 000 Mal verkaufen. Im Sommer spielt Lindenberg eine weitere große Tournee durch die Stadien der Republik.

Wir sprachen mit Lindenberg über nasse Matratzen, David Bowie und nächtliche Auseinandersetzungen im Hause seiner Eltern. Über Rentenpläne, Selbstzweifel, Alkohol und die Frage, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Lindenberg, der das komplette Gespräch ohne Sonnenbrille führt, wirkt in diesen Tagen so wach und da wie lange nicht mehr. Seine Ausführungen machen immer wieder Schlenker, nehmen vermeintliche Umwege - um schließlich stets zum Ausgangspunkt der Frage zurückzukehren.

Man merkt: Es ist ihm wichtig, seine Motive genau zu erklären, eben "die Fresse aufzumachen".

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