Es war im Sommer und spät. Die Zeit, da die Nacht zum Tag werden will. Im Nachtcafé, das es heute als Ort Münchner Selbstgewissheit nicht mehr gibt, da wirkten die Leute an der Bar, als befänden sie sich nicht am Maximiliansplatz, sondern im Gemälde "Nighthawks".
Edward Hopper hat es 1942 als beunruhigende Hommage an die urbane Tristesse gemalt. Das Bild hängt in Chicago, und wenn Udo Jürgens nun, vor 20 oder 25 Jahren, wie der große Nachtfalke der Musik angefangen hätte zu singen, dass er noch niemals in Chicago gewesen sei (oder auch in New York), man hätte ihm das nicht geglaubt. Aber unbedingt glauben mögen.
Er war damals schon einer, der viel über Malerei und Dichtung wusste und der schon überall in der Welt gewesen war. Udo Jürgens ist einer der weltläufigsten Sänger, Entertainer und Komponisten, die Deutschland hervorgebracht hat. Natürlich auch deshalb, weil Jürgens Österreicher von Geburt und Schweizer aus Neigung ist. Ein Großer ist er jedoch aus Bestimmung - und einer von uns auch dort, wo wir klein sind.
Zu seinem Erfolg wie auch zu seinem Schicksal gehört, dass ihn alle sofort eingemeinden. Einige Hundert Millionen Menschen müssten das bei mittlerweile mehr als 100 Millionen verkauften Tonträgern sein. Warum? Weil man sich in ihm erkennen will. Gerade dann übrigens, wenn er sich nicht zu erkennen gibt.
Die FAZ schrieb mit Blick auf Jürgens einst von einer "überschaubaren Welt der Klischees", und die Stuttgarter Zeitung von "schlagerseliger Naivität". So viel zu den Klischees und von überschaubaren Reflexen, wenn es darum geht, ob es eine Welt zwischen U und E gibt.
Weißer Bademantel trotz Mozarteum
Es gibt sie - und Udo Jürgens ist ihr Botschafter. Er hat für Shirley Bassey komponiert, für Frank Sinatra, für Bing Crosby. Er hat mit den Berliner Philharmonikern gearbeitet und am Mozarteum. Und trotzdem gibt es den weißen Bademantel und den gläsernen Flügel. Eben.
Zurück an die Bar. Das Bild "Nighthawks" entstand drei Jahre bevor Udo Jürgen Bockelmann im großen, parkähnlichen Garten der Bockelmanns auf dem Magdalensberg von Ottmanach, das ist eine Gemeinde bei Klagenfurt in Kärnten, die Ohrfeige erhielt.