Süddeutsche Zeitung

"Twilight - Biss zum Ende der Nacht, Teil 2":Am Ende des Fünfjahresplans

Die große Vampirsaga ist zu Ende, ein Morgen ohne Bella & Edward graut, und der Letzte macht das "Twilight" aus. Aber Hollywood braucht diese epischen Filmreihen, die Investitionen planbar machen und Teenager auf Treue konditionieren. Daher heißt es: Bye-bye, Bella & Edward und Hello ...

Doris Kuhn

Der Anfang ist langsam, er nimmt sich die Zeit, die ihm zusteht, denn eigentlich ist der ganze Film ein Ende, das ewig hinausgezögerte Finale der Teenie-Vampirsaga "Twilight". Schon der Titelschriftzug ist weiß wie die schneebedeckten Wälder des Staates Washington, wo die guten Vampire wohnen, schwarz wie die Mäntel ihrer Feinde, rot wie die Augen der Hauptfigur Bella. Diese Augen füllen schließlich feurig leuchtend die Leinwand, damit eins nicht vergessen wird: Bella ist jetzt Vampir, endlich vom selben Schlag wie Edward, ihr Highschool-Schwarm und mittlerweile angetrauter Ehemann.

"Biss zum Ende der Nacht, Teil 2" bemüht sich zunächst, längst gegebene Versprechen einzulösen. Besonders viele Überraschungen gibt es dabei nicht mehr - die Hochzeit zwischen Mensch und Vampir ist vollzogen, ein Kind geboren. Bleibt Jake, der Werwolf, der versorgt werden muss. Ihm wird Bellas Tochter zugesprochen, was in dieser moralischen Saga nichts Unanständiges ist - die vertrackten Alterungsprozesse, die bei Werwölfen, Vampiren oder deren Mischformen herrschen, machen es möglich. Außerdem gibt es endlich Sex, lange ein enervierendes Tabuthema, jetzt dargestellt als eheliche Beschäftigung, die sich gut über Tage hinziehen kann. Schließlich haben Vampire viel Ausdauer und wenig Pflichten.

Ein Gefühl des Unausweichlichen liegt über allem, das war beim letzten Harry-Potter-Film auch schon so - alles ist vorbestimmt, auf einer längst in Stein gemeißelten Plotlinie, alles schon vor Jahrzehnten beschlossen und festgelegt, Millionen Leser wissen, was passieren muss, und wehe, etwas weicht davon ab. Was jetzt also folgt, das ist Ausführung, Vollstreckung, Malen nach Zahlen.

Und Hollywood will es ja auch so, diese riesigen Handlungsbögen sind längst Programm. Epische Filmreihen bilden die Fünf-, Sieben-, Zehnjahrespläne des Entertainment-Kapitalismus, alles wird planbarer, investitionssicherer, und die jugendlichen Zuschauer, die damit aufwachsen, ihre ersten Phantasien darin spiegeln dürfen, werden wie von unsichtbarer Hand auf Treue konditioniert. Und es wird weitergehen: Bye bye, Bella & Edward. Hello Katniss "Hunger Games" Everdeen. Hello Anastasia "50 Shades" Steele.

Auffällig ist, dass Kristen Stewart beim Ausleben ihrer neuen Vampirkräfte hier mehr wie ein lebendiges Mädchen aussieht als in den vier Filmen zuvor. Vielleicht liegt das daran, dass es ihr Spaß macht, endlich unabhängig im Wald herumzurennen und auf hohe Felsen zu klettern, jedenfalls wischt die Bewegung die schlechte Laune aus ihrem Gesicht. Bis zum ständigen Strahlen eines Robert Pattinson ist es allerdings noch ein weiter Weg, aber so viel Glück wie er will man sowieso nicht gern im Gesicht tragen.

Ist das junge Paar dann daheim, wird der Alltag der Großfamilie gezeigt: Die verschiedenen Vampirpaare stehen in Zweierformation herum, voll Zuneigung schimmern die gelben oder roten Augen, gesprochen wird nur das Nötigste. Ziemlich steif wirkt das alles, und ob sachfremde Zuschauer das noch verstehen werden, ist fraglich.

Genauso fraglich ist aber auch, ob es überhaupt noch sachfremde Zuschauer geben wird. Die vier Romane von Stephenie Meyer sind Zugangsvoraussetzung, und dann spielte das Drama auch noch endlos in der Realität der Leute-Spalten und Teenie-Medien weiter, weil die Hauptdarsteller Kristen Stewart und Robert Pattinson tatsächlich ein Paar wurden, in der Realität sogar süffiger als im Film, mit Fremdgehen, Trennung, öffentlichen Entschuldigungsbriefen - und Kristen Stewart am Pranger des globalen Dorfs, die exemplarische Beziehungssünderin ihrer Generation. Todesdrohungen, Kreisch-Premieren - alles jetzt bald vorbei.

Um das Finale also entsprechend gewaltig zu begehen, muss eine letzte große Bedrohung der Vampire her, eine Bedrohung, wie sie nur von der eigenen Spezies ausgehen kann. Schon marschiert der machthungrige Zirkel der Volturi aus Italien an, schwarze Mäntel schwingen rhythmisch durch den Schnee. Die Gründe der Fehde sind kompliziert, aber egal. Eine Konfrontation steht aus seit Band zwei des Buches, oder, wenn man Dracula fragt, der hier einen plötzlichen Auftritt hinlegt, seit fünfzehnhundert Jahren. Um der Gefahr entgegenzutreten, mobilisieren Bella und Edward alte Vampirfreunde, und das Ergebnis sieht aus wie eine Hippie-Kommune im Skiurlaub. Gestalten mit sehr viel Haar und gewagter Bekleidung versammeln sich um Lagerfeuer, ein Superkräftemessen wird veranstaltet.

Die kleinen Freuden der Familie

Viele der angereisten Vampire haben besondere Talente, ähnlich wie Superhelden, aber wer auf einen Showdown hofft, bei dem diese Kräfte differenziert zum Einsatz kommen, der wird ein bisschen enttäuscht. Natürlich gibt es den Clash der Vampire, wilder als erwartet, aber hier werden ihre magischen Künste der lästigen Pflicht zum Actionfilm unterworfen. Bei aller Gewalt wirkt die große Vampirschlacht eher mittelfurios, sobald die Kamera das Geschehen aus der Totalen zeigt - in der Weite der Wälder und Berge machen selbst hundert wütende Vampire nicht allzu viel her.

Vielleicht braucht "Twilight" aber genau diese physische Note, damit endgültig klar wird, wo hier die Prioritäten liegen - nämlich bei den kleinen Freuden der Familie. Die Saga begann unter Teenagern, die von daheim in die Welt hinausdrängten, ganz gleich ob Mensch oder Vampir. Sie hatten Pläne und Heimlichkeiten, sie wollten Abenteuer mit ihresgleichen erleben, nicht mit ihren Eltern. Jugendlicher Größenwahn, kombiniert mit der Unsterblichkeit des Vampirs - Edward hätte mit seiner Freundin jede Grenze überschreiten können. Und doch zeigt sich nun, dass der ewig Siebzehnjährige einem biederen Lebensentwurf folgt. Statt Weltherrschaft oder Heldentum anzusteuern, lässt er sich nach einem - zugegeben langwierigen - Ausflug in allerlei Beziehungswirren wieder klaglos ins familiäre Gefüge einbinden.

Im Zuge seiner fünf Teile hat "Twilight" zudem den Vampir als Loverboy etabliert, weit weg von seinem einst so gefährlichen Image. Der Vampirismus ist dabei eine Art Ideal geworden - nur hier sind die Elternhäuser noch intakt, herrscht noch ein Bewusstsein für Tradition und Herkunft. Also ist es Bella, die Edward folgt. Sie gibt ihre Welt für ihn auf, sie legt ihr lebendiges Herz für ihn still. Das ist zwar eine schöne Geste, aber doch eine ordentlich altmodische Haltung - selbst wenn als Preis dafür die große Liebe winkt.

Kann diese alles rechtfertigen? Werden ihr nicht, nach 500 Jahren Ehe, doch erste Zweifel kommen? Das wird man jetzt nur noch in der Realität beurteilen können: Sobald man sieht, was aus dem Traumpaar Stewart-Pattinson wird, wenn die letzte Premiere des Films vorüber ist.

Breaking Dawn - Part 2, USA 2012 - Regie: Bill Condon. Buch: Melissa Rosenberg. Kamera: Guillermo Navarro. Mit Kristen Stewart, Robert Pattinson, Taylor Lautner, Peter Facinelli. Concorde, 116 Min.

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Quelle:
SZ vom 21.11.2012/ihe
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