TV und Internet:Die Lizenz zum Üben

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Die neueste Trendsportart: Sendelizenzen beantragen. Was bisher wackelte, flimmerte und als billig galt, soll nun Verlegern im Internet zur Profilierung gereichen. Lokalfernsehen ganz groß.

Simon Feldmer

In Nordrhein-Westfalen gibt es eine neue Trendsportart. Sie heißt: Sendelizenzen beantragen für Lokal- und Regionalfernsehsender. Von nahezu allen relevanten Zeitungsverlegern des Bundeslandes liegen Anträge bei der zuständigen Düsseldorfer Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen (LfM). Die Unternehmensgruppe DuMont Schauberg ( Kölner Stadt-Anzeiger, Express) hätte gerne eine Lizenz für ein lokales Programm namens Köln.tv. Die WAZ-Gruppe ( Westdeutsche Allgemeine Zeitung, Neue Ruhr Zeitung) will Fernsehen für das gesamte Ruhrgebiet machen.

Wie eine Regionalzeitung mit bewegten Bildern: Merkurtz.tv überträgt beíspielsweise Pressekonferenzen mit Ottmar Hitzfeld. (Foto: Screenshot: SZ)

Ihrem Antrag für einen Regionalsender, der die Menschen von Duisburg bis Dortmund erreichen soll, müssen die WAZ-Manager noch einige Ergänzungen folgen lassen. Die Düsseldorfer Medienwächter wollen spätestens im Januar entscheiden. Auch im Süden der Republik, bei der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), stapeln sich Anträge für Lokal- und Regional-TV. Viele meinen es ernst mit ihren Anliegen. Es ist jedoch auch ein offenes Geheimnis, dass einige Anträge nur gestellt werden, um im Hausgebiet mögliche Konkurrenten zu verhindern.

Fernsehen mit regionalem Bezug war mal eine teure Angelegenheit. Viele Klein-, aber auch Großunternehmer wie der Medienunternehmer Leo Kirch haben sich daran verhoben. "Durch die digitale Technik kann man heute Fernsehen zu geringen Einstiegskosten machen. Da braucht man keine teuren Sendezentren mehr", sagt André Zalbertus, ein ehemaliger RTL-Journalist. Zalbertus hat vor zwei Jahren den Kölner Stadtsender Center.tv gegründet.

Hochwertig produziert

Mit dem hat er nicht nur dem Kölner DuMont-Verlag gezeigt, wie man mit geringen Kosten Fernsehen machen kann. Zalbertus erwartet in diesem Jahr ein positives Geschäftsergebnis und versucht, center.tv im Kabel wie auch als 24-Stunden-Live-Stream im Internet in Städten wie Düsseldorf, Bremen und bald auch in Essen zu etablieren. Wollte man ihm schmeicheln, müsste man ihn als Impulsgeber für die Renaissance des Lokalfernsehens bezeichnen.

Auch der Zeitungsverleger Dirk Ippen hat den Trend erkannt. "Regionalfernsehen sprießt derzeit überall nur so aus dem Boden", sagt er. Ippen ist an zwölf deutschen Tageszeitungen ( Münchner Merkur, tz, Hessische Allgemeine) und einigen Radiosendern beteiligt. Doch der vielerorts engagierte Ippen, ein Verleger mit Leib und Seele, weiß auch: "Wir treten in eine crossmediale Zeit ein, die Themen werden gleichzeitig im TV, im Internet, im Print gespielt."

Das Internet hat es ihm besonders angetan. Und so hat der 67-jährige Lyrikliebhaber für seine zwei Münchner Zeitungen einen Internetkanal gestartet, der sich auf Lokales und Regionales konzentriert - und der den Namen Fernsehsender verdienen würde. Die Bilder auf der Internetseite merkurtz.tv sind hochwertig produziert. Da wackelt nichts, so wie man es von anderen Internet-Kanälen kennt. Merkurtz.tv ist HD-Qualität, also hochauflösendes Fernsehen im Netz für München und Oberbayern.

Gerne ein bisschen kleinreden

Das Programm sieht aus wie eine Regionalzeitung mit bewegten Bildern. Noch ist nur eine Demo-Version mit Berichten über Pressekonferenzen des FC Bayern München oder einer Reportage über das Bergbauermuseum Peißenberg auf Sendung. Ganz oben im Programm steht die Bürgerbefragung auf der Straße. Im neuen Jahr soll es dann richtig losgehen. Der Münchner Zeitungsverlag will dann das laufende Programm wohl mit einem eigenen Team produzieren.

Finanzieren soll sich das Internet-Portal wie man frei empfangbares kommerzielles Fernsehen finanziert: über Werbung. Doch über die Chancen im Werbemarkt möchte Verleger Ippen nicht reden, genauso wenig wie über die Startkosten. Für Ippen sind die Inhalte von merkurtz.tv bisher "publizistische Versuche". Er spricht von "Videoübungen im Internet". Verlässliche Zahlen gibt es noch nicht. Wie wird die lokale Konkurrenz, Abendzeitung und Bild-München, auf die Merkur-tz IP-TV-Offensive reagieren?

Verleger Ippen redet seinen neuen Internet-Kanal gerne ein bisschen klein. Vermutlich deshalb, weil noch niemand heute sagen kann, ob, wie und wann sich der gegenwärtige mediale Großtrend, Bewegtbilder im Netz, finanziell auszahlen wird. Auch Fragen bezüglich einer Sendelizenz, die im Internet notwendig ist, sobald es sich dort um ein Rundfunkangebot handelt, stehen im Raum. Noch liegt für merkurtz.tv keine Sendelizenz vor. Es ist noch nicht einmal klar, ob eine Lizenz notwendig ist. Die zuständige Landesmedienanstalt BLM wartet immer noch auf eine Erklärung der Zeitungsgruppe, was merkurtz.tv genau werden soll.

Konstruktive Gespräche

Ingo Wolf, der Technik-Partner von Ippen für merkurtz.tv, gibt sich euphorisch. Wolf betreibt im Münchner Süden die Firma Grid-tv.com. Grid hat sich auf Spartensender im Internet spezialisiert. Inhaber Wolf besitzt ein Patent für "zeitablaufgesteuerte Programme über IP-Medien", wie er sagt. Was übersetzt so viel heißt wie: Fernsehkanäle mit laufendem Programm im Internet. Mit mehr als dreißig deutschen Verlagen sei er in Verhandlungen, auch die großen Fünf seien darunter, behauptet Wolf. Merkurtz.tv versteht Experte Wolf "durchaus als Wettbewerb zum Regionalfernsehen der klassischen Art".

Ob es so weit kommt, ist jedoch nicht geklärt. Das Beispiel Nordrhein-Westfalen zeigt, welche Kooperationen das einst darbende Genre Regional-TV mittlerweile herbeiführt: Beim center.tv-Ableger in Düsseldorf ist die Rheinische Post eingestiegen. Zu Spekulationen, Center.tv könnte sich mit der WAZ-Gruppe für das geplante Regional-Fernsehen im Ruhrgebiet zusammentun, sagt Zalbertus der SZ: "Eine Kooperation halte ich nicht für ausgeschlossen. Wir führen konstruktive Gespräche."

Mit reinen Internet-Kanälen ist gegen solche Allianzen im aufblühenden regionalen TV-Markt wohl nur schwer anzukommen. Vor allem, wenn die Netz-Akteure eigentlich nur üben wollen.

© SZ vom 11.12.2007/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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