TV-Serie "Heroes":Ihr seid doch nicht normal

Von Superhelden erwartet man, dass sie die Welt retten und nicht nur faul herumsitzen. In der TV-Serie "Heroes" müssen sich die Protagonisten aber erst einmal mit ihren Talenten abfinden.

Jürgen Schmieder

Ich wünschte, ich könnte Gedanken lesen. Ich würde gern fliegen können. Wenn ich doch nur Krankheiten heilen könnte! Die meisten Menschen träumen davon, über eine besondere Eigenschaft zu verfügen. Ein Talent, eine Gabe. Es müssen ja keine Superkräfte sein - Hauptsache raus aus der Mittelmäßigkeit.

Wenn man ein wenig länger darüber nachdenkt, wird die Sache mit der besonderen Gabe zu einer ziemlich stressigen Angelegenheit. Es wird gemeinhin verlangt, mit Superkräften altruistisch umzugehen. Statt Frauen zu beeindrucken, muss man Katastrophen abwenden, statt als Sportstar Geld zu verdienen, muss man die Welt retten - und dabei sein Leben aufs Spiel setzen. Plötzlich wird aus dem tollen Talent eine brandgefährliche Aufgabe.

Das ist das Thema der Fernsehserie "Heroes", die am Mittwochabend in Deutschland Fernsehpremiere feiert. Die Protagonisten stellen fest, dass sie über besondere Talente verfügen - und dass sie von einem Serienkiller gejagt werden, der mit Vorliebe Superhelden tötet. Ach ja, ein Anschlag auf New York ist auch geplant. Zeit, dem Alltag zu entfliehen und den Tag zu retten.

Die Superhelden-Thematik ist nicht neu. Deshalb schimpfte die Chicago Sun-Times vor drei Jahren, als die neuen Fernsehserien vorgestellt wurden: "Alte Ideen!" Auf dem Programm der Sender standen unter anderem eine Serie über Menschen auf einer einsamen Insel ("Lost"), eine Gefängnis-Show ("Prison Break") und die Superhelden-Saga "Heroes". "Da gucke ich doch lieber die 'Akte-X'-Wiederholungen", schrieb ein Journalist.

Die Kritiker irrten sich: "Lost" gilt aufgrund der komplexen Mythologie und der Einführung von Rückblenden zum Erklären der Backstory Wounds der Protagonisten (die Erlebnisse bis zu ihrem Eintreffen auf der Insel) als das am konsequentesten umgesetzte Fernsehformat aller Zeiten. "Prison Break" wurde zu einem Hit mit gesellschaftskritischen Elementen. Beide Formate gewannen Emmys und sind bei ihren Sendern die meistgesehenen Serien.

Und nun "Heroes". Es ist die konsequente Umsetzung von Comic-Elementen, die den Zuschauer fesselt. Die Serie ist aufgebaut wie einzelne Comic-Hefte, die jeweils ein Problem lösen, die Gesamtsituation und den ständig präsenten Antagonisten dabei aber nicht aus dem Auge verlieren. Man ist drei Folgen lang unentschlossen: Will man sich einlassen auf die Geschichte von Superhelden?

Hat man Interesse an den Figuren wie Claire, die sich selbst innerhalb von Sekunden heilen kann? Oder Isaac Mendez, der die Zukunft zeichnen kann? Oder Noah Bennet, der - ohne eigene Kräfte - das Phänomen von Superhelden wissenschaftlich untersucht? Will man sich einlassen auf die Mythologie, in der Serienkiller Sylar Jagd macht auf Superhelden? Und die Verschwörung, die mit der Zerstörung von New York gipfeln soll?

Ein eigener Autor für jede Figur

Und dann sagt man plötzlich das Fußballtraining ab, weil man die nächste "Heroes"-Episode nicht verpassen möchte. Und freut sich, wenn man für seine Treue mit wiederkehrenden Elementen belohnt wird -ein beliebter Trick amerikanischer Produzenten, die Fans bei Laune zu halten.

Stilistisch adaptiert Erfinder Tim Kring den Comic ohne übertriebene visuelle Effekte, wie sie Robert Rodriguez in "Sin City" verwandte. "Heroes" erzählt die Geschichten der einzelnen Helden mit unterschiedlichen Dramaturgien: Bewusst haben die Produzenten jeder Figur einen eigenen Drehbuchautor zugeteilt. Die Storys der Autoren werden zusammengefasst und zu einer Episode verarbeitet - was sich vom üblichen Ein-Autor-eine-Folge-System unterscheidet. Ebenfalls auffällig: Die Schauspieler unterspielen ihre Rollen in vielen Momenten und verzichten auf Comic-übliche Gesten und Mimik.

"Heroes" ist eine Serie, die sich - wie ihre Figuren - vom Mittelmaß abhebt. In den Vereinigten Staaten wurde die erste Staffel mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet, die Einschaltquoten sind so hoch, dass Tim Kring sagt: "Wir planen mit weiteren vier Staffeln."

Ob die in Deutschland ankommen, ist ungewiss. Es wäre nicht das erste Mal, dass die deutschen Zuschauer sich nicht auf eine großartige amerikanische Serie einlassen wollen.

Heroes, RTL 2, Mittwoch, 20.15 Uhr

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