TV: Neue Reality-Show in den USA:Dr. Big Brother

Die Drehbuchautoren streiken. Deshalb braucht das amerikanische Fernsehen billigen Nachschub: In der Reality-Show "Celebrity Rehab" kann der Zuschauer drogenabhängige Stars bei der Entziehungskur begaffen.

Andrian Kreye

Es ist nicht besonders angenehm, Menschen beim Drogenentzug zuzusehen - wie sie sich laut würgend erbrechen, wie sie sich von Krämpfen geschüttelt auf dem Boden winden, oder wie sie in der Therapiegruppe unter Tränen die Geschichte ihrer tragischen Jugend inklusive Prügel und Vergewaltigung referieren.

TV: Neue Reality-Show in den USA: Jessica Sierra trat in der Castingshow "American Idol" auf. Dank "Celebrity Rehab" kennt man sie jetzt auch als Junkie.

Jessica Sierra trat in der Castingshow "American Idol" auf. Dank "Celebrity Rehab" kennt man sie jetzt auch als Junkie.

(Foto: Foto: oh)

Doch wenn es sich dabei um Gesichter aus Kino und Fernsehen handelt, wird man nicht umschalten. Das wissen auch die Produzenten des amerikanischen Kabelsenders VH1. Deswegen ist die Realityshow Celebrity Rehab with Dr. Drew auch die meistdiskutierte neue Serie im amerikanischen Boulevardfernsehen. Und sie zeigt, wie sich der Autorenstreik von Hollywood auf die Zukunft des Fernsehens auswirken könnte.

Dem Suff entkommen

Die Idee lag nahe - nach den öffentlichen Ausfällen von Stars wie Britney Spears, Lindsay Lohan und Mel Gibson sind die Zyklen der Stars zwischen Exzess und Entzug für die Klatschpresse das mit Abstand wichtigste Thema geworden. Der einzige weiße Fleck auf der Landkarte der Paparazzi sind dabei die Entzugskliniken. Nun aber sind die Kameras rund um die Uhr dabei.

Die A-Liga hat man dafür natürlich nicht bekommen. Die neun Süchtigen rekrutieren sich aus der gleichen Liga der Gescheiterten und Vergessenen wie die Insassen des deutschen Dschungelcamps. Die ehemalige Stallone-Ehefrau und Kino-Amazone Brigitte Nielsen macht sowas nicht zum ersten Mal. Sie war in der Sendung Surreal Life zu sehen, einer Art Promi-Big Brother, sowie in der Folgesendung Strange Love. Jetzt versucht sie beim Entzugsspezialisten Dr. Drew Pinsky dem Suff zu entkommen.

Auch die Damenringerin Chyna Doll war schon in Surreal Life zu sehen. Drogenopfer Jessica Sierra sang sich in der Talentshow American Idol ins Rampenlicht. Dann gibt es noch einen Rock-, einen Kinder- und einen Pornostar, die man in Europa nicht kennt, sowie den unbekanntesten aller Baldwin-Brüder Daniel.

Großes Drama ohne Aufwand

Tragischer Höhepunkt ist der Schauspieler Jeff Conaway, der seine Karriere als Schönling in der Serie Taxi begann und nach einem Unfall bei den Dreharbeiten zu Grease schmerztablettensüchtig wurde. Conaway wird in der erste Folge vollgepumpt mit Koks und Pillen im Rollstuhl eingeliefert und sorgt mit Krampf- und Wutanfällen auch gleich für das erwünschte Drama.

Nun stellt sich zwar die Frage, ob Celebrity Rehab vom Drogenamt des Weißen Hauses ONDCP finanziert wurde. Die belohnten schon Serien wie E.R., Die Simpsons und Ally McBeal mit bis zu siebenstelligen Werbebuchungen für Handlungsstränge mit deutlicher Antidrogen-Botschaft. Das blieb bisher im Dunkeln. Wirkungsvoll ist die Sendung auf alle Fälle. Wenn man Jeff Conaway erst sieht, wie er sich dicke Linien weißen Pulvers in die Nase zieht, und dann Minuten später Zeuge wird, wie er im Rollstuhl sitzt und heulend vom Selbstmord fantasiert, bleibt vom Glamour der Hollywood-Exzesse nichts übrig.

Die kotzenden Promis, die sich in der Gruppentherapie ankeifen, in Tränen ausbrechen und unter Schmerzen des Entzugs laut brüllen, sind aber vor allem das beste Beispiel dafür, wie man ohne Aufwand großes Drama inszeniert. Solche Wracks brauchen keine Drehbücher.

Man mag das für würdelos halten. Doch Celebrity Rehab stellt Weichen. Die Autorenstreiks von Hollywood haben schon mehr als einmal die Zukunft der Unterhaltung bestimmt. Der letzte Streik läutete den Siegeszug des Reality TV ein. Das feiert nun wieder billige Erfolge. Doch unter anderen Vorzeichen, denn langfristig vergraulen die Sender damit ihr Publikum. Sieger bleibt dann - das Internet.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: