Süddeutsche Zeitung

TV-Kritik: "The Daily Show":Lieber tot als Obama wählen

Besser als Harald Schmidt und "Tagesschau": Comedy Central zeigt Jon Stewarts preisgekrönte "Daily Show" und stellt sie ins Netz. Gute Entscheidung.

C. Matthäus

Jon Stewart jammert, er will seinen Barack Obama zurück. "Wenn Ihr ihn uns nicht zurückgebt, dann zahlen wir euch überhaupt keine Schulden mehr!" Er verdreht glücklich die Augen, wenn er über die "köstlichen Muskeln" des Präsidentschaftskandidaten redet. Und er macht sich lustig über die Medienwelt, die Obama vollständig erlegen ist.

Nebenbei macht Stewart Obamas unwiderstehliche Wirkung in einer einzigen kleinen Szene sichtbar (ein gelungener Drei-Punkte-Basketballwurf beim Besuch einer US-Militärbasis). Dagegen setzt er George W. Bushs plumpe Annäherung an Angela Merkel (er massierte ihr einmal von hinten den Nacken). Um die Inkompetenz John McCains zu zeigen, reicht ebenfalls eine kurze Sequenz (der spricht von der "irakisch-pakistanischen Grenze", obwohl da noch der gesamte Iran dazwischen ist). Das alles wird schnell und leichtfüßig präsentiert, ist immer amüsant und hat Stil.

Diese Form der amerikanischen Polit-Comedy ist all das nicht, was deutsche Pendants derzeit ausmacht. Sie ist kein Klamauk, in dem grimassierende Blödel mit Urwaldlauten und Dummschwätzerei hausieren gehen. Sie kommt ohne die beinharten Schläge unter die Gürtellinie und ohne die großen Eier aus, denen im Land der Mittermaiers und Barths langsam aber sicher die Kraft ausgeht. Und sie kann auch auf den abgeklärten Handkanten-Zynismus eines Harald Schmidt verzichten.

Wer von der deutschen Komikertruppe lange genug eingeschläfert wurde, wird kaum glauben, was er da sieht: "The Daily Show" kommt vollkommen ohne Sketche aus. Die Sendung schafft es sogar, großartig zu unterhalten, indem sie schlicht die Wirklichkeit abbildet - im Falle dieser Ausgabe eine Diskussionsrunde weißer Senioren, die erzählen, warum sie lieber sterben würden als den schwarzen Obama zu wählen.

Deshalb ist die Show wohl auch die beliebteste Nachrichtensendung bei jungen US-Amerikanern geworden. Deshalb sind dort auch nicht abgewrackte B-Promis als Live-Gäste im Studio, sondern Top-Politiker. Nancy Pelosi, die Sprecherin des Repräsentantenhauses, beispielsweise war am Montag dieser Woche geladen. Und hier zeigt Jon Stewart seine wirkliche Klasse. Er gibt den Narren und provoziert die Politikerin mit der Aussage, dass sie doch bisher nichts hinbekommen habe. Eine Interviewform - hart, herzlich und ein wenig despektierlich -, die man im Vergleich zu den unerträglich schwülen Sommerinterviews von ARD und ZDF nur als großes Kino bezeichnen kann.

Mag ja sein, dass Deutschland mit Angela Merkel, Kurt Beck oder Erwin Huber nicht gerade die Charisma-Stars zu bieten hat. Dennoch hätte es die politische Klasse verdient, intelligent und stilvoll verulkt zu werden. Dafür könnte man glatt mal auf die "Tagesschau" verzichten.

Die Sendung "The Daily Show - Global Edition" wird immer am Dienstag vom Sender Comedy Central ausgestrahlt. Die "Global Edition" ist ein Zusammenschnitt der täglichen Sendungen der Vorwoche, sie wird bei comedycentral.de bereits montags in voller Länge ins Netz gestellt. Die US-Version der "Daily Show" ist ebenfalls im Netz abrufbar. Leider werden alle Sendungen nur in englischer Sprache angeboten. Vorteil im Netz: Man kann anhalten, Wörter nachschlagen und weiterschauen.

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