TV-Kritik: "Schmidt & Pocher":Quotenkampfhund an kurzer Leine

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Oliver Pocher kam als Mitreisender zu Harald Schmidt. Doch wenn beide in ihrer Sendung gemeinsam die Fernsehwoche nachbereiten, ist der Grobkomiker mittlerweile nur noch Zulieferer für parodistische Fertigteile.

Christopher Schmidt

Wer lange nicht ferngesehen hat, könnte meinen, der milchgesichtige junge Mann neben Harald Schmidt sei ein Saalkandidat, der sich in seiner Freizeit in Schützenzelten und Vereinsheimen als Komiker versucht und nun seine erste Chance vor einem großen Publikum erhält.

Das öffentlich-rechtliche Doppelwesen: Schmidt & Pocher (Foto: Foto: ddp)

Oliver Pocher hat Routine, aber strampeln muss er doch .

Geplant war das anders, als die ARD den zunächst spektakulär für sich zurückeroberten Harald Schmidt zwangsweise in das öffentlich-rechtliche Doppelwesen Schmidt & Pocher verhexte, auf die altväterliche Hosenträger-und-Gürtel-Lösung vertrauend.

Ein junger Mann zum Mitreisen wurde gesucht. Und eine trudelnde Dschunke der Fernsehunterhaltung sollte mit einem Turbolader nachgerüstet werden.

Harald Schmidt musste zum ersten Mal seinen Thron teilen, um an der Macht zu bleiben. Es schien, als hätte ihn nun selbst das Schicksal so vieler Fernsehgesichter ereilt, die ihren Quotentod nur überleben, indem sie Kandidaten werden.

Im Fegefeuer der Mitmach-Formate werden sie geprüft, in Kochsendung und Quiz auf die Probe und zugleich an den Pranger gestellt - und im Dschungelcamp mit seinen Ekel-Stunts ist das Showgeschäft am ehrlichsten zu seinen Verlierern.

Eine Sendezeit fressende Überlebensmaschine namens Pocher

Auch Schmidt wurde eine Qualifizierungsmaßnahme in der Hölle auferlegt, als man ihn an den Billigpossenreißer Oliver Pocher kettete, der stets so dreinsieht, als erwarte er bereits den nächsten Schlag.

Es war, als serviere man ihm unter silberner Haube eine Molluske des Steinzeithumors, plappernde Känguruhoden. Nach dem Motto: Friss oder stirb!

Man darf nie vergessen, dass Schmidt groß erst wurde, als er den Sadisten im Kleinbürger entfesseln konnte, die Peitsche wurde sein Zepter - und nur darum war es ein Besetzungscoup, als er in Becketts "Warten auf Godot" den Sklaven Lucky spielte.

Hingebungsvoll demütigte er zunächst den vor Entsetzen entfärbten Herbert Feuerstein, dann diente ihm die teigige Langmut von Manuel Andrack als Trampolin. Pocher aber repräsentierte zwar eine niveauärmere Existenzform des Fernsehens, zugleich aber eine Sendezeit fressende Überlebensmaschine des Geschäfts.

Hechelndes Lauern auf Konterchancen

Zunächst allerdings inszenierte er sich als gelehriger Novize, während Schmidt die reizbare Diva mimte. Pocher, das Kellerkind aus dem Privatfernsehen, lauerte hechelnd auf Konterchancen, und man ahnte, irgendwann würde er nach vorne wimmeln und sein gefletschtes Spaßgebiss ins welke Fleisch seines Pflegevaters schlagen.

Doch von dieser Dramaturgie hat man sich bald wieder verabschiedet, offenkundig weil Pocher in der freien Improvisation seinem Lehrmeister nicht Stand zu halten vermag.

Ohnehin hat das Wort Pausenclown bei der ARD neuerdings eine ganz eigene Bedeutung. Denn Schmidt & Pocher haben mehr Pausen als Auftritte im Programm.

Die einstündige Sendung wirkt um die Hälfte zu lang, und immer meint man, dass die lange die Pocher-Hälfte ist. Zeit zu schinden ist nicht mehr Subversion der Aufmerksamkeitsökonomie wie weiland, sondern pure Not.

Harald Schmidt geht zurück zu Sat 1
:Pokerface

Wer ist der Mann, der alle Nase lang den Sender wechselt, und doch zu einer der großen Konstanten im deutschen Fernsehen gehört? Wir haben ein paar erstaunliche Gesichter an ihm entdeckt - die Bilder.

Und die Arbeitsteilung sieht nun so aus, dass Pocher die Fertigteile zuliefert, Einspieler und einstudierte Nummern, all jene Füllsel, die Schmidt nur in den wackligen Anfänge seiner Daily-Late-Night nötig hatte.

Der an einen griendenden Ladenschwengel erinnernde Pocher erledigt die Botengänge, damit er keinen größeren Schaden anrichten kann. Im Übrigen versucht Schmidt ihm die Grenzen zu zeigen, ohne ihn bloßzustellen.

Artig apportiert Pocher Parodien von Dirk Bach im Dschungel und Uri Geller im Parkhaus, von Tom Cruise in der Karnevals-Bütt und Lukas Podolski in der Bayern-WG, wo er beim Ins-Bett-Bringen durch Beckenbauer sich bänglich erkundigt, ob der Bochumer Spieler Nokia demnächst für den Münchner FC auflaufe.

Man folgt den Vorgaben des Boulevards

Außer Nokia, gegen deren Firmenpolitik Harald Schmidt protestiert, indem er die finnische Sauna boykottiert, den möglichen Parteiausschlüssen der SPD, der bevorstehenden Wahl in Niedersachsen, Dieter Bohlens neuer Staffel, Becksteins unheimlicher Liebe zum Kino und einer Kampagne mit dem Ziel, die Jugendkriminalität nicht den Ausländern zu überlassen, ist das Dschungelcamp Top-Thema.

Man lässt halt die Fernsehwoche Revue passieren, und die Gewichtung folgt den Vorgaben der Bild-Zeitung. Gleich eine der ersten vorbereiteten Pointen endete mit einer Fehlzündung und einer Blamage.

Der Auftritt des vormals unter ihrem Künstlernamen Gina Wild beliebten Porno-Stars im Dschungelcamp beweise, dass Sperma eben doch Kalorien habe, sagt Pocher.

Schmidt hätte so einen Herrenwitz früher allenfalls in der Grabbelkiste für Rest-Gags auf dem Weg zur Kasse verramscht und ihn mit einem Atemzug wieder zurückgesaugt, während sein Publikum noch jede Silbe auf ihren verborgenen Aberwitz abklopft. Bei Pocher bollert die Zote allzu serviert in den Saal und findet doch keinerlei Echo.

Die Sache mit dem Affen

"Schmidt & Pocher" lebt vom Branchenwitz. Die Betriebsnähe der Sendung soll ein Zugeständnis sein an eine Generation, die wie Oliver Pocher statt einer Vergangenheit nur eine Zuschauerbiographie hat - jeder ein bleicher Homunkulus des Bildschirms.

In Wahrheit zeigt sich hier nur, wie segmentär das Fernsehen bereits ist: Nur die darin arbeiten, haben alles gesehen.

Symptomatisch hierfür war die Unfähigkeit zur Selbstdistanz, mit der die als Gast geladene Comedy-Entität ihren Erfolg mit einer neuen Serie beschrieb.

"Tageszweiter im selben Slot", sagt er auf Fernsehdeutsch. Dann erzählt Harald Schmidt, wie es ist, gemeinsam mit einem Affen auf dem Arm vor der Kamera zu stehen.

Mit Rücksicht auf den Tierschutz, so Schmidt, habe der Affe nach einer halben Stunde durch einen zweiten ersetzt werden müssen. Oliver Pocher fühlt sich angesprochen und sagt: "Ich war die ganze Zeit über hier."

Er hat seine Rolle voll verinnerlicht.

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