Süddeutsche Zeitung

TV-Kritik: "Schlag den Raab":Auf verlorenem Pfosten

Lesezeit: 6 min

Am Samstag hieß es im Fernsehen wieder "Schlag den Raab": Stefan Raab ließ der Kandidatin Sonja keine Chance. Den modernen Mehrkampf beherrschen wir aber auch - eine Kritik als Stilübung.

Christian Kortmann

"Schlag den Raab": Kandidatenauswahl sueddeutsche.de: Hexameter

Fleißig, der Stefan, versammelt den Hof, und seine Vasallen Eilen gerufen herbei mit großem Gepränge. Da kommen Viele stolze Gesellen von allen Seiten und Sendern, Matthi Opdenhövel und Max, der Mutzke, und alle die Besten. Denn der Stefan gedenkt mit allen seinen Baronen Zu gewinnen in Feier und Pracht; keine Schande Das dritte Mal am Bande. 500.000 Euro sind ausgelobt, Da sollte niemand fehlen und doch fehlt der Eine, Praktikant Elton, der Schelm!, der des Marathons Halben des Hofs sich enthält. So keucht seine Lunge nun Durch Manhattan. Raab aber stellte sich den versammelten Herrn. Alle wagten zu hoffen, doch das Publikum erwählte Sonja, Polizistin zu Detmold, soll schlagen Raab am Weltmännertag.

"Schlag den Raab": Schreien sueddeutsche.de: SMS, 160 Zeichen

servus leser, erstes spiel bei raab: schreien, lol. raab kreischt erstaunlich hoch, aber sonja schlägt ihn mit 130 dezibel wie ein düsenjet. ^^! beste grüße, c.

"Schlag den Raab": Wer ist das? - Gesichter erkennen sueddeutsche.de: Reportage zur Einsendung beim Egon-Erwin-Kisch-Preis

Wenn Spannung einen Geruch hat, dann stinkt es im Studio in Köln-Mülheim ganz gewaltig. Ehrgeiz und Nervosität brodeln unter den Scheinwerfern. Er sei "heiß wie Frittenfett" auf diesen Sieg, sagt Stefan Raab und setzt einen Punch in die Luft, wie ein Boxchampion, der um seine Glaubwürdigkeit kämpft: zwei Niederlagen, in Serie, in der eigenen Show - der Siegertyp ist angeschlagen. Aber er ist Wiederholungstäter, darin liegt für ihn die Rettung: Wieder stellt er sich einem Kandidaten im Modernen Fünfzehnkampf, riskiert es, sich zu blamieren. Das ist sein Weg. Raabs Weg.

Er hat mal wieder in Adrenalin gebadet, beim zweiten Spiel, dem Gesichterraten, ist der Showprofi nervöser als die Kandidatin, die heute zum ersten Mal vor einem Samstagabendpublikum steht. Er erkennt weder Wim Wenders noch Gordon Brown, ruft: "Fuck!" Dann arbeitet er sich wieder heran, unruhig, fuchtelnd, verzweifelt, und verliert doch. Nach dem Scheitern in den ersten beiden Spielen könnte er ein besonders harter Gegner sein: Denn was ist für einen Siegertypen motivierender als ein drohendes Loser-Image?

"Schlag den Raab": Autoball sueddeutsche.de: Limerick

Es war mal eine Beamtin aus Detmold Spielte Autoball gegen Pro Siebens Unhold Doch ihre Schaltung War lahmste Verwaltung Weshalb der Ball stets in ihr Tor rollt'

4. Disziplin "Schlag den Raab": Reaktion sueddeutsche.de: Innerer Monolog / Stream of consciousness

Ausgerechnet beim Autofahren zu verlieren. Jetzt Reaktionsspiel, auf die Reaktion kommt's an. Da vorne sitzen mein Mann, meine Schwester, wollen mich gewinnen sehen. Regina Halmich hat ihn fertig gemacht, das schaff ich auch. Jetzt setzen sie mir eine Brille auf, damit ich Raab nicht sehe. Hört sich an wie Phaserkanonen in "Star Trek", was er da macht. Komisch hier, Opdenhövel und seine Witze, würde lieber Yoga machen, den Sonnengruß, oder laufen. Jetzt Brille ab, ich muss auf die Kästen hauen, die aufleuchten. Kommentator labert, 'türlich mach ich Kampfsport; "Reichweitennachteile", so'n Quatsch. Licht schon wieder an. 3 zu 7. Na, prima. Jetzt in die Kamera lächeln.

Auf der nächsten Seite: Die Fabel vom Pfahlstehen.

"Schlag den Raab": Stimmt's? - Welche Behauptungen sind wahr, welche falsch? sueddeutsche.de: Boulevard-Schlagzeile

Gameshow-Wahnsinn Polizistinnen-Schock für Raab! Gestern im TV: Stefan Raab vergisst Geburtstag von Knut. Haben wir unsere Zootiere wirklich lieb?

6. Disziplin "Schlag den Raab": KUBB, ein skandinavisches Wurfspiel sueddeutsche.de: Kinderlied

Refrain: Der Stefan ist ein lust'ger Mann Lacht, weil er alle Spiele kann Doch wenn er verliert Wird's ganz schnell kompliziert

Jetzt geht er an die Stöckchen ran Und wirft damit die Balken um Obwohl Sonja viel versucht Und auch mal flucht Lauscht sie am Ende stumm Dem Jubel vom lust'gen Mann

Refrain zwei Mal wiederholen

"Schlag den Raab": Rollhockey sueddeutsche.de: Einführungsvortrag Hauptseminar Gendertheorie

Wir sehen einen Mann und ein Frau in Rüstungen des Freizeitsports: Mit dem Verschwinden der Helme aus der Berufswelt nehmen sie bei der Ausübung so genannter Hobbys zu. Müssen wir insgeheim unsere Körper gegen die Zumutungen der Globaliserung panzern?

Der Körper der Frau ist austrainiert, hager durch Freizeitsport; der des Mannes ist eine beschleunigte Masse auf Rollen, die die Frau ein paar Mal schlichtweg überrollt. Freilich, es ist ein Spiel, aber was sagen uns diese Szenen? Ist das körperliche Messen Mann gegen Frau im Samstagabendprogramm die Aufhebung der Geschlechter-Differenz oder ihre ontologische Affirmation qua Massenmedium (vgl. de Beauvoir 1971, und, konziser, wenn auch auf Kosten der Propädeutik, Foucault 1987)?

Nun, in diesem Semester soll die Geschichte des weiblichen Körpers in der Kulturindustrie beleuchtet, ein Ausblick auf die Zukunft unternommen, sowie ihre ästhetische Theorie skizziert werden. Herr Maier, machen Sie bitte die Tür zu und dann das nächste Bild, bitte.

8. Disziplin "Schlag den Raab": Kisum - rückwärts gespielte Songs erkennen sueddeutsche.de: Eilmeldung

+++ Sieg bei Kisum - Raab lässt Kandidatin keine Chance +++ Stefan Raab hat bei "Schlag den Raab" das achte Spiel klar gewonnen und vergrößerte seinen Vorsprung auf 28 zu 8, wie Pro Sieben um 23.13 Uhr in Köln mitteilte. Der Musiker und Produzent war gegen die Detmolder Polizistin Sonja Bartelt als Favorit in das Spiel gegangen, in dem rückwärts gespielte Musikstücke erkannt werden mussten.

"Schlag den Raab": Wo liegt was? - Städte anhand von Fotos erkennen sueddeutsche.de: Haiku

Erregt vom Buzzer Blickend auf Fluss und Drachen Senkt Sonja den Kopf

10. Disziplin "Schlag den Raab": Auf einem 10 Meter hohen Pfahl stehen sueddeutsche.de: Fabel

Ein Bär und eine Katze kletterten auf einen Baum. Auf dem obersten Ast lag ein Schatz. "Kletter du zuerst ganz nach oben", sagte die Katze, als sie den schweren Bären und den dünnen Ast mit der Schatzkiste sah. Sie verharrte derweil im Geäst und lauerte auf ihre Chance. Der Bär aber hatte lange Zeit nichts gegessen und war dadurch abgemagert. So kletterte er den Baum derart leichtfüßig hinauf und mit dem Schatz unterm Arm wieder hinunter, dass die Katze nur schnurren und staunen konnte. "Wir wollen den Schatz teilen", sagte der Bär und legte seine Tatze auf die Schulter der Katze, "denn wenn du mir keinen Mut gemacht hättest, wäre ich niemals so hoch geklettert." Da schämte sich die Katze ein bisschen, und sie gingen gemeinsam nach Hause.

Auf der nächsten Seite: Wurstduell und Tischtennis-Sonett.

"Schlag den Raab": Wurstduell sueddeutsche.de: Stilkritik

Der Aufschneider

Am Samstagabend spielte Stefan Raab sein Spiel der Spiele: Beide Spieler müssen eine Fleischwurst in fünf Teile zerlegen. Nach jedem Schnitt werden die Stücke gewogen, das schwerere gewinnt: Es geht um Risikomanagement und Bluff - Pökel-Poker. Der ehemalige Metzger Raab kokettiert in diesem Spiel mit seinem Image; das Bühnenbild gleicht einer Metzgerei, ein pinkfarbenes und ein blaues Schneidebrett, im Hintergrund überlebensgroße Aufnahmen der typisch deutschen "Aufschnitt"-Theke.

Raab hat die Ärmel seines Hemdes hochgekrempelt, in seinem Äußeren wird die Mischung deutlich, die ihn als Entertainer groß gemacht hat: der handfeste Pragmatismus, neugierig und sich für keine Tätigkeit zu schade zu sein, und seine Zockernatur. Man kann sich gut vorstellen, wie er sich früher mit ähnlichen Spielchen in der Metzgerei die Zeit vertrieben hat. Auch wenn er im Wurstduell gegen Sonja verliert und am Ende kopfschüttelnd vor der Waage steht, dies ist seine Disziplin: Denn Raab ist der Aufschneider, bei ihm geht es in jedem Spiel um die Wurst.

12. Disziplin "Schlag den Raab": Tischtennis auf Mini-Platte sueddeutsche.de: Sonett

Verhallend einer Fanfare goldne Klänge Eine Blondine spielt in blauen Zimmern Die Hand am Schläger, der Ball am Flimmern. Raab voller Schweiß, Gefühl, Strenge.

Ein Schiri, ein Opdenhövel, Publikumsgedränge. Hände klatschen, Hoffnungen schimmern. Reklamepausen lassen Interesse verkümmern; Autos, Versicherungen, Schokolade in trauriger Länge.

Aus bleichen Masken schaut der Geist des Öden. Ein Sendeplatz verdämmert düster; "Keine gute Gegnerin", regt sich Geflüster.

Des Fernsehprogramms wirre Zeichen, die blöden Fallen in unsre Zimmer, auf Wände und Böden. Action und Argwohn sind zappende Geschwister.

13. Disziplin "Schlag den Raab": Ich packe meinen Koffer und nehme mit... sueddeutsche.de: Kommentar

Nach zwei Niederlagen in Folge wieder ein Sieg für den Gastgeber von "Schlag den Raab". Polizistin Sonja Bartelt hatte zwar die überzeugendste Bewerbung abgeliefert, war nach gutem Start im Duell aber chancenlos. Sie verlor mit 19 zu 72 Punkten und musste anerkennen: "Er ist einfach zu gut".

Neben physischer Fitness und guter Allgemeinbildung bedarf es einer besonderen Eigenschaft, um dem Allrounder Raab gewachsen zu sein - des absoluten Siegeswillens, der Reserven mobilisiert, von deren Existenz der Spieler vorher nichts wusste. So lag die Kurzweil der vier Stunden vor allem in den wie immer originellen Spielideen. Mit einem ebenbürtigen Gegner aber ist "Schlag den Raab" die momentan beste Abendunterhaltung in der TV-Bundesliga: FC Bayern Gottschalk ist zwar die Nummer Eins, doch Raab spielt den schöneren Fußball.

In der nächsten Folge geht es wieder um eine Million Euro. An den Geldkoffer heran zu kommen, wird nicht leicht. Nehmen Sie zum Beispiel meinen Fall: Ich bin eigentlich ein ziemlich cooler Typ, nicht unsportlich und weiß fast alles und würde mich ja bewerben, habe aber keinen Führerschein und bin auch nicht schwindelfrei.

(Für Hexameter- und Sonett-Inspiration ein Dankeschön ins Elysium an Johann Wolfgang von Goethe und Georg Trakl und ihre Smashhits "Reineke Fuchs" und "Traum des Bösen". Und Entschuldigung für etwaige Unzulänglichkeiten bei der Transkription ins Jetzt - wir Weltlichen üben noch.)

(sueddeutsche.de/jkr)

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11. Disziplin
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