TV-Kritik: Presseclub:Günther Jauch - der beste Gast der ARD

Immer wieder taucht RTL-Star Günther Jauch in der ARD auf. Jetzt bilanzierte er das Jahr im Presseclub - und warnte vor "schicker Inflation".

Hans-Jürgen Jakobs

Wenn die ARD besondere Ereignisse journalistisch bewerten will, setzt sie gerne auf einen besonderen Gast - der in der Hauptsache sein Geld beim Privatsender RTL verdient. Günther Jauch hat sich allem Anschein nach einen besonderen Status im öffentlich-rechtlichen Fernsehen erarbeitet.

Günther Jauch, dpa

Die ARD hätte Günther Jauch vor drei Jahren gerne als Sonntags-Talkshow-Moderator verpflichtet.

(Foto: Foto: dpa)

Am Abend der Bundestagswahl analysierte er bei Anne Will die Wiederwahl Angela Merkels, bei Beckmann klärte er im November anlässlich des neuen Buchs eines FAZ-Herausgebers die gesellschaftspolitischen Probleme des Internets. Am Sonntag nun war er als "Fernsehjournalist" der Star im Presseclub des Ersten Programms, der ganz einer 2009er-Bilanz gewidmet war: "Welch ein Jahr! Klima, Krise, Kanzlerin".

Quasi ein Mitglied der Familie

Knapp 45 Minuten Schnelldurchlauf widmete die ARD diesem nicht ganz einfachen Thema - sowie jenem Mann, den sie vor drei Jahren gerne als Sonntags-Talkshow-Moderator eingestellt hätte. Die Nähe zu Jauch ist seitdem offenbar eher gewachsen. Der 53-Jährige ist inzwischen etwas alt für das Privatfernsehen geworden, zudem ist er beim Bayerischen Rundfunk in der ARD großgeworden und damit quasi ein Mitglied der Familie.

Presseclub-Moderator Volker Herres jedenfalls ließ es sich nicht nehmen, den besonderen Teilnehmer seiner Runde immer wieder ausdrücklich ins Gespräch einzubeziehen. Wie Herres hat Jauch das Handwerk an der Deutschen Journalistenschule in München gelernt, und ist somit in der Lage, als eloquenter Generalist zu allem Stellung zu nehmen, was die Herzen der Zuschauer bewegt. So einer ist wunderbar kompetent für Klima, Krise, Kanzlerin.

Der Moderator von "Stern-TV", "Wer wird Millionär?" und der "SKL-Show" legte in der ARD haarklein dar, wie die USA und ihr Präsident Barack Obama in Kopenhagen vor großen Maßnahmen zurückscheuten und wie die FDP in der Bundesregierung zur Riesenenttäuschung wird, da sie den "Subventionsdschungel nicht rodet" und auch bei der Entmachtung des Chefredakteurs Nikolaus Brender im ZDF nicht einschritt. Die Mehrwertsteuer-Erleichterung für Hoteliers sei "Symbol für ganz großen Schwachsinn", erklärte der Mann, den die Deutschen in Umfragen immer wieder gerne als Bundespräsidenten sehen.

Irgendwie hält ihn das Volk für einen Meister der Moral. Für einen, der so redet wie sie, nur etwas gescheiter. Jauch äußert sich öffentlich bevorzugt als pragmatischer Wertkonservativer, dem gute Schulen wichtig sind, natürlich mit Religionsunterricht.

Im Presseclub trat er mit fast hellblauer Krawatte an und konnte zuweilen den langgezogen Oberkörper nicht gerade halten, sondern hielt sich in Momenten intensiven Meinungsstreits in auffälliger Schräglage. Der Termin schien ihm wichtig zu sein, schließlich gewöhnt die ARD ihr Publikum in diesen Monaten an den Journalisten.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, welche lobenden Worte Günther Jauch für den in die Kritik geratenen Verteidigungsminister Guttenberg fand.

Hier nimmt es einer ganz genau

Finanzminister Schäuble könne ja "njet", "njet", "njet" sagen, entfuhr es ihm zur exzessiven Schuldenpolitik, und sprach "Veto" wie "Vetto" aus. Einmal fuhr Jauch dazwischen, das Steuergeschenk für Hoteliers gelte nur für Übernachtungen, nicht fürs Frühstück. Hier nimmt es einer ganz genau, so genau wie bei den Multiple-Choice-Antworten seines Millionärquiz auf RTL.

Jauch selbst ist als Besitzer einer eigenen TV-Produktionsfirma einer jener Mittelständler, die das Land retten sollen - und in der ARD lobte er prompt die Opferbereitschaft jener Unternehmer-Gruppe, die Leute nicht einfach rausschmeißen sondern via Kurzarbeit im Betrieb halten.

Das Schlusswort gebührt Jauch

Presseclub-Leiter Herres, im Hauptberuf ARD-Programmdirektor, fragte den besten Gast, den die ARD derzeit hat, nach dem Wesen der "schwäbischen Hausfrau", die von Kanzlerin Angela Merkel ja immer so gelobt werde. Er habe begriffen, sagte Jauch, dass man einen Staat nicht wie ein Unternehmen führen könne. Er frage sich aber, wo das alles einmal enden werde: "Haben wir am Ende eine Währungsreform?" Einmal streute er ein, vielleicht gebe es ja eine "schicke Inflation". Jauch versteht es, die Urängste der Deutschen zu artikulieren.

Dass derzeit eher Deflation und nicht Inflation die Gefahr sei, brachte die taz-Journalistin Ulrike Herrmann ein - die nächste Blase drohe. Dass die Banken zocken wie eh und je und der Staat sich ablenken lässt, ohne eine gescheite Regulierung hinzubekommen, kritisierte der Stern-Kolumnist Hans-Ulrich Jörges. Dass sich die Regierung über den Krieg in Afghanistan hinweggemogelt habe und das Begründungsdefizit der Regierung für die Steuerreform Angst mache, erklärte Sabine Adler vom Deutschlandradio.

Doch wie konkret und kompetent auch immer die anderen Journalisten im Frühschoppen-Studio des Ersten an diesem Sonntag waren - über allem schwebte die Beurteilungskraft des großen Günther Jauch, der selbstverständlich das Schlusswort führen durfte.

Es sei das Verdienst des aktuellen Verteidigungsministers Karl-Theodor zu Guttenberg, endlich die Lage in Afghanistan realistisch einzuschätzen und die Wahrheit wissen zu wollen, jauchzte es. Er habe im Übrigen gelesen, im Vergleich zu dessen Ministerium sei eine "Schlangengrube eine Wellness-Farm" - doch bei dieser Presseschau war der Jahresend-Presseclub mit Jauch bei den Schlussworten des Gesprächsleiters angelangt.

"Bleiben Sie uns gewogen!", sagte Moderator Herres. Mit Günther Jauch im Team wird das garantiert leichtfallen.

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