Süddeutsche Zeitung

TV-Kritik: Ochsenknecht-Brüder bei "Kerner":"Wenn du was kannst"

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Jetzt werden die Ochsenknecht-Brüder auch schon zu Rentendiskussionen eingeladen. Hauptsache, Kerner hatte Spaß: Kreischende Fans vor der Halle und zeternde Gäste in der Show.

Sarah Ehrmann

Es war sein Abend. Eine Sendung, genau nach Johannes B. Kerners Geschmack. Während der ehemalige Arbeitsminister Norbert Blüm und Rentenkritiker Bernd Klöckner wie im Hahnenkampf aufeinander losgingen, die beiden Ochsenknecht-Söhne den wohlerzogenen Gegenpol spielten und auch TV-Anwalt Ingo Lenßen und Fernsehkoch Horst Lichter irgendwo untergebracht werden wollten, lief der Moderator zur Höchstform auf.

Kerner scherzte, kommentierte, provozierte gar - und es gelang ihm, locker und entspannt, das Gespräch mit den sechs höchst unterschiedlichen Gesprächspartnern in die gewünschte Richtung zu lenken, so wie man es sich von einem guten Moderator wünscht und von Kerner sonst nicht kennt.

Dabei war die Themenkombination der Sendung - Rente, aufstrebende junge Superstars, ein (nicht mehr) nichtrauchender Koch und Mieterrechte - alles andere als einfach. Teils entbrannten heiße Debatten, teils wurde daraus ein Pläuschchen.

Man kann sich durchaus fragen, ob es notwendig ist, Norbert Blüm, 72, der vor 22 Jahren den Slogan prägte "Eins ist sicher - die Rente!" gerade auf den extremen Rentenkritiker Bernd Klöckner loszulassen. Der Finanzexperte, 42, fordert ein neues Rentensystem und das Ende der "Rentenlüge" in Deutschland. Das musste ja Zoff geben. Dabei hatte sich Kerner alles so gut ausgedacht: Zwölf Minuten wollte er beiden Rednern geben, um ihren Standpunkt und eventuelle Lösungsansätze so vorzubringen, dass die Zuschauer - und die beiden Ochsenknecht-Brüder - alles verstehen konnten. Das gelang nur zum Teil.

"Bis zum 79. Lebensjahr geben die Menschen der Gesellschaft mehr zurück als sie beanspruchen", behauptete Klöckner und konnte die Frage, wann er selbst aufhören wolle zu arbeiten, nicht so richtig beantworten. Vielleicht so bis 58, 60, räumte er schließlich ein - obwohl er zuvor implizit klargemacht hatte, dass er eigentlich nie aufzuhören gedenke. "Spart heute", riet er Jimi Blue und Wilson Gonzalez Ochsenknecht, "Konsumverzicht heute und morgen. Legt zurück!" Das momentan Umlagesystem fahre schließlich gegen die Wand.

Doch damit war er bei Jimi und Wilson an die Falschen geraten. "Sie reden wie ein Politiker", wagte Jimi Blue sich vor. Die Aufforderung zum Sparen ignorierten die Brüder geschickt. Wäre auch seltsam gewesen, wo sich der Konsum der Teenager-Generation doch direkt auf ihre eigenen Konten auswirkt und die Jungs mit allem werben, was Konsum anregt: Von vorgelebten Klamottentrends bis hin zur Jimi-Blue-Kreditkarte, die auch Minderjährige in einer Prepaidversion auf der Homepage des 16-Jährigen erstehen können.

Auf der nächsten Seite: Wie Blüm und Klöckner aneinandergeraten und woran sich zeigt, dass die Ochsenknecht-Söhne Vermarktungsprofis im Showgeschäft sind.

Norbert Blüm übernahm gegenüber den Ochsenknecht-Kindern eher die Rolle des netten Großvaters. Legte Jimi beruhigend die Hand aufs Knie und versuchte tatsächlich, das heutige Rentensystem verständlich zu machen, das für ihn immer noch die "sinnvollste" Lösung darstelle. Die Schwäche liege in der Aufsplittung der Altersvorsorge in staatliche Rente und private Altersvorsorge. Die Riester-Rente verschärfe die Altersarmut, denn die Mittel der Besserverdienenden fehlten im öffentlichen Rentensystem. Für die Ochsenknecht-Kinder hatte er schließlich auch einen Renten-Tipp parat: "In die Rente einzahlen und auch privat vorsorgen - aber das modernste Vermögen ist, wenn du was kannst."

"Ihre Lügen gehen seit 22 Jahren durchs Land", grantelte Rentenkritiker Klöckner. Blüm beharrte darauf, gehört zu haben, wie der 42-Jährige gesagt habe "Wenn die Kapitalabdeckung zusammenbricht, kommt das Blüm'sche Umlagesystem zum Einsatz" - und sah darin ein "1:0 für Blüm".

"Die Beleidigungen sollten aufhören", griff Kerner vermittelnd ein, führte die beiden Diskutanten auf Kernthesen zurück, erklärte, kommentierte - und wechselte irgendwann das Thema. Denn es gab noch viel zu tun in dieser Sendung.

Zum Beispiel den Comedian und TV-Koch Horst Lichter, bekennender Raucher, der vor 105 Tagen bei Kerner die "letzte" Zigarette geraucht hatte. Genau 28 Stunden lang habe er das Nichtrauchertum anschließend durchgehalten - "dank" Lasertherapie. Gutgelaunt erzählte er vom steinharten Kuchen seiner Mutter, von näselnden Wein-Sommeliers und seine Sommertournee "Sushi ist auch keine Lösung".

Für Rechts- und TV-Anwalt Ingo Lenßen blieb am Ende der Sendung nur noch wenig Zeit. Doch geduldig inspizierte er mit Kerner ein aufgebautes Badezimmer auf mögliche Mietminderungsmängel. Stark tropfender Wasserhahn: zwei bis fünf Prozent Mietminderung. Defekte Toilette: bis zu 80 Prozent Mietminderung. Und der Mieter habe ein Recht auf Abwohnen der Wohnung - dafür zahle er schließlich Miete.

Irgendwann kamen dann endlich die Ochsenknecht-Söhne dran, von den ausschließlich weiblichen Fans im Publikum sehnsüchtig erwartet. Still, aufmerksam und allürenfrei waren Jimi und Wilson der Diskussion gefolgt. Wilson in einem schlichten gelben T-Shirt - diesmal ganz ohne Totenkopf wie jüngst bei "Wetten dass..?" - und weißen Jeans, Jimi mit schief aufgesetzter Kappe und T-Shirt in Pink.

Diplomatie als Vermarktungsstrategie

Lässig, mit weit ausgestreckten Beinen, berichteten sie über Erfolg, der "leichter und kontrollierbarer ist, wenn man sich reinleben kann". Außerdem lebten sie ja bis heute immer noch "normal". Und haben die wichtigste Vermarktungsmasche dabei längst erkannt: Diplomatie. Sie unterließen es klug, sich wertend zur Rentendiskussion zu äußern - obwohl Kerner das so gern gesehen hätte. Wilson: "Ich habe aufgepasst, und an beiden Theorien ist was dran. Ich will jetzt nicht darstellen, für welche ich bin."

Und wieder einmal berichteten die Brüder, dass sie keine Konkurrenten seien. "Eigentlich höre ich ja Hip-Hop. Aber das, was Wilson macht, finde ich schon gut.", sagte Jimi zur Musik seines Bruders. "Wir unterstützen uns gegenseitig", pflichtete Wilson sofort bei. Ach ja, das sind noch echte Werte bei diesen freundlichen jungen Menschen. Fast zu schön, um wahr zu sein. Zusammen mit Mutter Natascha im Publikum präsentierte sich die Familie Ochsenknecht wieder einmal als sich gegenseitig unterstützende Einheit.

Wie hält's die Mutter mit der Schule? "Es wäre schon toll, mal einen in der Familie zu haben, der ein Abi hat - aber wir gehen halt alle in die kreative Richtung. Ein guter Koch ist besser als ein schlechter Anwalt." Jimi will als Musiker durchstarten, Wilson hat schon ein Drehbuch geschrieben. "Die beiden sind intelligent genug, zu wissen, dass es morgen vorbei sein kann. Da haben sie sich ein Hintertürchen offen gelassen."

"Man kann es nicht planen - es kann sein, dass es in einem Jahr vorbei ist. Wir machen es, solange es geht", meint Jimi. Für Wilson spielt die Zukunft keine Rolle: "Ich lebe im Jetzt." Da kann's ja noch ein Weilchen dauern, bis die Ochsenknecht-Brüder demnächst wieder zu einer Rentendiskussion eingeladen werden.

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