TV-Kritik: "Neues aus der Anstalt":Wir sind die Sintflut

Die Macher von "Neues aus der Anstalt" im ZDF zeigen sich mit einer Regierung überfordert, die sich selbst zerlegt. Was soll da Kabarett?

Ruth Schneeberger

Georg Schramm bringt es an diesem Abend auf den Punkt: Die bürgerliche Presse habe die Regierungserklärung der Bundeskanzlerin in der Luft zerrissen, die Wirtschaftsweisen hätten nur Kritik für die Pläne der neuen Bundesregierung übrig - und Schramm fragt zu Recht: "Was soll ich denn da noch sagen?"

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Plädiert für die "Abfuckprämie": Michael Mittermeier.

(Foto: Foto: oH)

Was bleibt dem Kabarettisten, um süffisant die gegenwärtige Politik zu karikieren, wenn alle anderen schon ausreichend schimpfen?

Leider haben die Kabarettisten der monatlichen ZDF-Polit-Satiresendung "Neues aus der Anstalt" es am Dienstagabend nicht dabei belassen. Was wäre das für ein Statement gewesen: Aus gegebenem Anlass muss unsere Sendung heute leider entfallen - die Politik demontiert sich gerade selbst.

Stattdessen: Michael Mittermeier. Man kann nicht behaupten, der Ur-Comedian habe seine Sache schlecht gemacht. Aber muss es denn unbedingt immer eine der unteren Schubladen sein?

Da fordert er die "Abfuckprämie", für die man die "Alte" aufs Amt bringt und sich eine "19-jährige russische Schlampe" kauft, um für Deutschland Kinder zu zeugen. Da vergleicht er die FDP, die sich nach der Bankenkrise beim Staat beklagt, mit "dem Wichser, der sich bei der Wichsvorlage beschwert, dass er zu früh gekommen ist".

Immerhin: Als Franz Müntefering forderte, man müsse dem Turbokapitalismus Fesseln anlegen, habe er gedacht, Guido Westerwelle werde festgenommen. Und für Uiguren aus Guantanamo, die jahrelang in einem rechtsfreien Raum gelebt haben, dabei aber nicht aus Bayern kommen, hat Mittermeier eine prima Idee: Ihre Erfahrung mit Folter, Bespitzelung und dem Verlust von Persönlichkeitsrechten qualifiziere sie eindeutig für einen Job bei Lidl.

Gemischt auch der Gastauftritt von Parodist Thomas Nicolai. Ausgerechnet seine Honecker-Parodie war zu lang und daher lahm - dafür hatte er einen netten Witz parat: Was sagt der Vater in Mecklenburg-Vorpommern, wenn er ins Kinderzimmer geht? "Ich muss mal nach den Rechten sehen."

Lesen Sie weiter auf Seite 2, warum Guttenberg seinen Beinamen "Shootingstar" wirklich verdient.

Kanzlerinnen-Parodie-Verbot

Als dritter Gast hatte Matthias Egersdörfer ebenfalls eine Guantanamo-Folter-Geschichte im Gepäck, die er zwar wunderbar cholerisch, aber dann doch irgendwie an der falschen Stelle auspackte: War da nicht gerade irgendwas mit einer neuen Bundesregierung gewesen, über das es sich aktuell hätte spaßen lassen können?

Nun war es also an Georg Schramm, die Sendung zu retten. Er tischte prompt brav ein paar Spekulationen auf, wie die neue Bundesregierung gedenke, bis zur nächsten Wahl durchzuhalten: Die hohe Staatsverschuldung komme dadurch zustande, dass ab 2011 das Hauhaltsdefizit jedes Jahr um ein Sechstel sinken müsse. Je höher die Verschuldung zu diesem Stichtag, desto höher könnten auch die Schulden in den Folgejahren sein. "Die sinnlose Schuldenhochtreibung hat Methode", schlussfolgerte er.

Der Geist der Krisenbanken sei in der Bundesregierung angekommen, er laute: Nach mir die Sintflut. "Aber nach uns kommt vielleicht gar keine Sintflut. Wir sind vielleicht schon die Sintflut."

Schließlich erinnerte Schramm daran, dass der neue Arbeitsminister Franz Josef Jung dereinst in der CDU-Spendengeldaffäre für Roland Koch den Kopf hingehalten habe; er persönlich fände es aber gut, dass Bauernopfer nicht unbedingt in der Gosse, sondern manchmal auch in einem Bundesministerium landen würden.

Parade-Satire-Opfer Guttenberg musste selbstredend ebenfalls gewürdigt werden: Endlich habe die Bundeswehr mal einen Oberbefehlshaber bekommen, der seinen Namen verdiene - Karl Friedrich Theodor Freiherr von und zu Guttenberg. Erst mit seinem neuen Amt als Verteidigungsminister bekomme sein weiterer Beiname "Shootingstar" endlich die richtige Bedeutung.

Anstaltsleiter Urban Priol, sonst auf Zack, blieb an diesem Abend eher blass. Ob es daran lag, dass Kollege Schramm ihm - völlig zu Unrecht - ein Kanzlerinnen-Parodie-Verbot auferlegt hatte? Möglich. Möglich ist aber auch, dass die Zeiten einfach noch nicht schlecht genug sind für wirklich gutes politisches Kabarett. Man darf also gespannt sein.

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