TV-Kritik: "Gräfin gesucht":Prinzessin fürs P1 gesucht

Die Guten ins Bettchen, die Schlechten zu "Bauer sucht Frau" - bei Sat.1 balzen blaublütige Junggesellen um vorzeigbare bürgerliche Frauen. Gesucht wird: Aschenputtel. Eine kleine Nachtkritik.

Julia Eder

Dieter Bohlen sucht den Superstar und das Supertalent, Heidi Klum ein Supermodel - das Problem ist nur, dass sich nicht jeder Zuschauer mit diesen Superlativen identifizieren kann. Die Lösung: das Aschenputtel-Prinzip.

TV-Kritik: "Gräfin gesucht": Blaublütige Junggesellen: Tilo, Johann, Christoph, Moritz (v.l.).

Blaublütige Junggesellen: Tilo, Johann, Christoph, Moritz (v.l.).

(Foto: Foto: dpa)

Dieses Aschenputtel-Prinzip besagt, dass der Märchenprinz oder die Prinzessin jedem begegnen kann. Darum suchen im Fernsehen Landwirte eine Bäuerin oder Giulia Siegel einen Mann fürs Leben, auch wenn das Drehbuch nachhelfen muss. Sat.1 will da nicht zurückstehen.

"Gräfin gesucht" geht in die zweite Runde: Adelige Junggesellen suchen ihre Aschenputtel und Schneewittchen im gemeinen Volk. In Zeiten der überall beschworenen Krise merken blaublütige Junggesellen, dass Geld flüchtig ist, Liebe aber ewig währt - zumindest, wenn Emotionen mit Kameras für die Ewigkeit festgehalten werden.

Natürlich ist es in der Realität meist so, dass Blaublütige unter sich bleiben. Auf Bällen und gesellschaftlichen Veranstaltungen wird rechtzeitig ein passender Partner aus einer anderen Adelsfamilie gesucht. Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg beispielsweise ehelichte Stephanie Gräfin von Bismarck-Schönhausen.

Das Fernsehen, das private zumal, lässt aber Illusionen jeder Art zu. Und wo RTL einem Junggesellen beispielsweise das Prädikat "gutmütiger Schweinebauer" verleiht, gibt es bei Sat.1 ebenfalls feste Rollen für die balzwütigen Grafen.

Burggraf oder Gutsherr

Da ist zum Beispiel der "charismatische Geschäftsmann" Johann. Der 48-Jährige ist der Gentleman der Sendung, der Frauen versteht, überrascht und verwöhnt. Der Kontrast dazu: der "sportliche Jungunternehmer" Christoph, der so blaublütig wie Jürgen Drews scheint - nicht König von Mallorca, aber Graf vom Tegernsee. Von seiner Prinzessin hat der 26-Jährige ein genaues Bild: Attraktiv, schlank, sportlich und blond soll sie sein. Charakter scheint nebensächlich zu sein, er will eine, "die man schon mal ins P1 mitnehmen kann, die auf den Tischen tanzen will".

Dazu kommen in der nächsten Folge der "romantische Burggraf" Moritz, 29, und der "attraktive Gutsherr" Tilo, 39. Tilo ist ein geselliger, naturverbundener Typ, sozusagen "Bauer sucht Frau" in Edel-Ausgabe. Moritz wiederum sucht eine ehrliche, kinderliebe Frau, die es ernst mit ihm meint. "Ich bin zu nett für diese Welt und komme mehr als Kumpeltyp an", sagt er von sich selbst. Er nimmt die Rolle des Softies ein, dem man wünscht, dass die Frauen ihn nur wegen seiner Persönlichkeit anhimmeln. Das wünscht sich auch seine Mutter - ja, die Mutter redet mit, man ahnt Konfliktpotential.

Liebe ist so kompliziert, warum sollten die Grafen die Suche nach der Traumfrau nicht ein wenig vereinfachen? Ein paar Stichpunkte über die Blaublütigen müssen den Bewerberinnen reichen. Bei der blonden Schweizerin Désirée war es die Mutter, die in einer Frauenzeitschrift von einem potentiellen reichen Schwiegersohn gelesen und ihre Prinzessin angespornt hat, sich zu bewerben.

Bei ihren Bewerbungen haben sich die Möchtegern-Adelsfrauen etwas einfallen lassen: In einem kurzen Video-Clip zeigt die eine ihre Sangeskünste, die Nächste betet auswendig gelernte Phrasen herunter oder tanzt zu "Eye of the Tiger" - ganz so, als wolle sie den Traumprinzen auf die Hochzeitsnacht vorbereiten.

Flächendeckende Partnersuche

Wer die Bewerbungsrunde übersteht, wird zum Speed-Dating eingeladen: Jede Kandidatin hat zehn Minuten Zeit, sich auf einer Casting-Couch in einem Hotel zu präsentieren - Kamera läuft, jetzt bitte ein Witz, und dann hätte der Regisseur gerne noch verliebte Stimmung und tiefgründige Gespräche. Liebe auf den ersten Blick scheint da nicht aufflammen zu wollen. Aber immerhin ist die Prozedur ein gutes Stufensystem, bei dem am Ende eine übrig bleibt, die - nach Ausschlussverfahren - ja wohl die Richtige sein muss. Das stellt sich bei der Probe aufs Exempel heraus: Die Finalistin verbringt dann eine Woche mit dem Angebeteten.

So schnell, so sicher, so flächendeckend kann Partnersuche sein. Ökonomischer geht es nicht, und mit Wirtschaftlichkeit kennen sich die wohlhabenden Junggesellen schließlich aus. Da wissen die Herren auch, dass ein Restrisiko besteht, vielleicht die falsche Wahl getroffen zu haben.

Geschäftsmänner wie Johann und Christoph entscheiden sich deshalb vorerst für zwei Frauen. Christoph, der auf der Suche nach der ersten festen Beziehung nach jahrelangem Party-Leben ist, hat seine Favoritinnen nach Kriterien ausgewählt, die eine Partnerschaft prägen: "Désirée mag bestimmt mit mir tanzen gehen und Annabella hat eine sehr gute Figur."

So einfach ist es, wenn Grafen auf bürgerlichem Trip sind.

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