TV-Kritik: "Germany's Next Topmodel":Immer schön unterwürfig

Schade, dass Bruce nicht mehr dabei ist: So gerät die Model-Suche auf Pro Sieben fast zu einem Wettbewerb der Demütigung - obwohl Heidi Klum gar nicht mehr die strenge Gouvernante spielt.

Ruth Schneeberger

Diese Show hat fast alle Voraussetzungen, erfolgreich zu sein: jede Menge nackter Haut, ein Hauch von Mode, ein bisschen Kunst (Fotos), einen Fetzen Esprit ("Die Handtasche muss leben!"), ein paar Promis (Heidi Klum, Marcus Schenkenberg), viel Schönheit, genügend Schönheitsfehler, um tüchtig darüber zu lästern, und einen Haufen junger Mädchen, die wild entschlossen sind, sich vor jeden Karren spannen zu lassen - und denen man naturgemäß gerne dabei zusieht, wie sie sich wahlweise lächerlich oder berühmt machen lassen.

Doch leider scheint Pro Sieben irgendetwas falsch zu machen. Denn trotz der feinen Zutaten mag der Kuchen nicht recht gelingen. Die dritte Staffel von "Germany's Next Topmodel" startet deshalb alles andere als aufregend.

Los geht's mit einer kleinen, aber gar nicht feinen Änderung: Bruce ist nicht mehr dabei. Man munkelt, er habe Heidi Klum die Show gestohlen und deshalb die Show verlassen müssen - jedenfalls macht er nun als Stylingberater bei der ARD vermutlich keine so große Karriere, wie man sich erhofft hat. Als Sidekick bei "GNT" war er um Klassen besser.

Der Schuh drückt

Stattdessen vertritt ihn nun ein Casting-Direktor namens Rolf Scheider, der zwar Deutscher ist, aber in Paris arbeitet und wie ein Franzose spricht, der nie richtig Deutsch gelernt hat. Vermutlich steht der entzückende Akzent in seinem Vertrag. Ansonsten bleibt er nämlich ziemlich farblos.

Die Rolle der Glucke, die die Mädchen hinter der Bühne tröstet, übernimmt nun, da die Heulsuse das Feld geräumt hat, ausgerechnet Peyman Amin. Die Rolle steht ihm nicht gut zu Gesicht, hat er doch in den vorangegangenen Staffeln recht überzeugend den arrogantesten Model-Agenten der Welt gespielt. Trotzdem muss er nun Händchen halten, wenn der Schuh drückt.

Und der drückt diesmal ziemlich fies, denn eine 1,85 Meter große Frau mit Schuhgröße 43 soll sich in Pumps zwängen, die zwei Nummern zu klein sind. Ein anderes Mädchen hat es zwar geschafft, sich von der moppeligen Brillenschlange zum hübschen Schwan herunterzuhungern, was Fotos aus ihrer Jugend eindrucksvoll belegen, will aber schlappmachen, als sie über den Catwalk laufen soll.

Das dritte Sorgenkind verzieht sich weinend in die Garderobe, weil man ihr gesagt hat, sie sei zu dünn. Das sind die Probleme der jungen Mädchen, die ansonsten Gewehr bei Fuß stehen, wenn man etwas von ihnen verlangt.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie die Kandidatinnen beschimpft werden.

Immer schön unterwürfig

"Ich nehme sehr gerne Kritik an, wenn jemand sagt, mach dies oder das - dafür bin ich doch hier", sagt sinngemäß die blondeste aller Kandidatinnen und spricht damit nur aus, was viele denken: Würden die merkwürdig aufgesetzt unfreundlichen Erwachsenen in der Jury ihnen sagen, sie sollten für den Job ihrer Oma ihr klein Häuschen verkaufen - die meisten würden vermutlich nicht mal mit der frisch getuschten Wimper zucken. Den Eindruck machen zumindest sämtliche Möchtegern-Models, deren Unterwürfigkeit nahe ans Hündische reicht.

Die drei Juroren können mit den Mädchen anstellen, was sie wollen. Die Erste wird übelst beschimpft, soll zurückschimpfen und sich beim Brüllen des Wortes "Arschloch" dringend möglichst sexy geben. Das ist aber immer noch die leichtere Aufgabe als die folgende: Nun soll sie so tun, als sei ihr Peyman sympathisch. Dafür schlägt sie sich recht gut.

Einer anderen wird gesagt, ihr Look sei unterirdisch. Sie solle wiederkommen, wenn der Stylist sie ins Gegenteil verkehrt habe. Sie tut's - und tut auch noch so, als würde ihr das Spaß machen. Einer dritten wird vermittelt, sie würde "so doof" laufen. Was ist ihre Antwort? Ein schüchternes "Jaaaa".

Bitte jetzt mal ganz natürlich!

Am Schlimmsten wird es aber, wenn die Kandidatinnen "jetzt mal ganz natürlich" wirken sollen. Da kann man sicher sein, dass man mal kurz umschalten muss, weil so viel Künstlichkeit den Bildschirm sprengen würde.

Die Frage, warum halbwegs Erwachsene, die auf Pumps überhaupt nicht laufen können, sich ausgerechnet für den Model-Job bewerben, wird wohl ebenfalls nie abschließend geklärt werden. Da gerät es für Einzelne zum Super-Gau, wenn man ihnen auf dem Laufsteg zusätzlich eine Tasche in die Hand drückt: "Die Tasche war sooo groß, ich hab mich voll erschreckt!" So schnell werden Karrieren beendet.

Auch der bis zum Bauchnabel textilbefreite Jung-Designer, der sich bereiterklärt hat, alle 50 Nachwuchs-Model bei seiner Modenschau auftreten zu lassen, wird sich das angesichts zu vieler Damen, die wie Dreijährige über den Laufsteg staksten, beim nächsten Mal besser überlegen.

Eine Kleinigkeit aber hat sich in dieser Staffel zum Positiven verändert: Heidi Klum spielt nicht mehr die strenge Gouvernante. Möglicherweise hat sie begriffen, dass sie dafür immer noch zu jung und hübsch ist, und dass die zuvorkommende Art eines Bruce Darnell beim Publikum eben doch besser ankommt als die peitschen-schwingende Model-Domina.

Nur ganz am Schluss, nach der Modenschau in Barcelona, als aus den ursprünglich 120 Anwärterinnen nur noch 30 Damen übrig bleiben dürfen, da blitzt es noch mal auf, das eiskalte Klum-Gesicht. "Es kann nur eine Germany's Next Topmodel werden" spricht's mit neckisch schief gelegtem Köpfchen - und scheint sich diebisch darüber zu freuen.

Aber das macht alles nichts, denn hier geht es nun wirklich nicht um Inhalte, und beim nächsten Mal, so viel wurde schon verraten, gibt es Bikini-Aufnahmen in der Kälte und schöne Frauen mit Waffen. Und natürlich sind wieder mal nicht die hübschesten Kandidatinnen weitergekommen, sondern diejenigen, die am meisten aufgefallen sind. Durch was auch immer.

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