TV-Kritik: "Germany's Next Topmodel":Die Schönen und das Biest

"Lass' den Hut im Gesicht": Pro7 möchte die Würde seiner "Topmodels" durch ein Fotoverbot schützen, demontiert sie aber schon in der ersten Folge selbst. Eine kleine Nachtkritik.

Ruth Schneeberger

Die Vorfreude war groß: Wie werden es Über-Model Heidi Klum und Pro7 diesmal schaffen, ein absolut stupides amerikanisches Fernsehformat in der vierten Staffel so erfolgreich auf den deutschen Markt zu übertragen, dass daraus irgendwie am Ende doch noch gute Unterhaltung wird?

TV-Kritik: "Germany's Next Topmodel": Da waren Fotos noch erwünscht: "Modelmama" Heidi Klum mit Jenny Hof, der Siegerin der dritten Staffel. Sie ist unsicher, ob sie die vierte Staffel sehen will: "Ich weiß noch zu genau, wie die Mädchen sich fühlen", verriet Hof der Nachrichtenagentur AFP.

Da waren Fotos noch erwünscht: "Modelmama" Heidi Klum mit Jenny Hof, der Siegerin der dritten Staffel. Sie ist unsicher, ob sie die vierte Staffel sehen will: "Ich weiß noch zu genau, wie die Mädchen sich fühlen", verriet Hof der Nachrichtenagentur AFP.

(Foto: Foto: dpa)

Denn eins muss man den Machern von "Germany's Next Topmodel" lassen: Kaum eine derzeitige Show, sei es der unsäglich lahme Männer-Test auf Sat.1 oder auch Günther Jauchs Besserwisser-Show auf RTL, ist - trotz oder wegen aller Schwächen - derart kurzweilig wie der stramme Durchmarsch der Möchtegern-Models im Programm des Münchner Senders. Auch die hausinternen Formate, ob alt ("The Next Uri Geller") oder neu ("The Biggest Loser"), locken die erwünschten Massen nicht hinter dem Ofen hervor.

Und dann das: Punktgenau zum Start der vierten Staffel verfügt Pro7 ein umfangreiches Knebel-Paket für alle Medien. Ausführliche Bildergalerien sind beispielsweise nicht mehr zulässig. Online müsse bei Fotos sichergestellt werden, dass der User sie nicht downloaden könne.

Das verblüfft auf den ersten Blick: Nähme die Show ihr eigenes Ziel ernst, müsste allen Beteiligten daran gelegen sein, dass sich die Fotos der Möchtegern-Models verbreiten, um ihren Bekanntheitsgrad zu steigern. Models, möchte man dem Sender zurufen, leben von der Verbreitung ihrer Bilder.

Auf den zweiten Blick darf man getrost einen PR-Gag vermuten, möglicherweise vom selben Berater, der einer Münchner Möchtegern-Model-Disco ein neues Marketing verpasst hat: Das "P1" versucht seit Wochen, seine verblichene Exklusivität durch eine neue Partyreihe aufzumöbeln, die "Members only" heißt. Jeden Freitag sollen dort angeblich nur "Mitglieder" im erlauchten Kreise miteinander feiern - ein "diskreter Treffpunkt als erlesener, exklusiver Zirkel von Gleichgesinnten", wie die Homepage verrät. Diese exklusiven Gäste werden allerdings durch Massen-E-Mails und Anzeigen rekrutiert.

In den nächsten Wochen sollen also die "GNT"-Fans allein auf Pro7 mit Bildern von Deutschlands eifrigsten Nachwuchs-Models versorgt werden. Der Sender wolle, so lautet ja die Begründung für die restriktive Handhabung, die "Persönlichkeitsrechte der Mädchen" schützen.

Auf den dritten Blick aber, bei einem Blick in die erste Folge der vierten Staffel, kann das nur als bitterer Hohn verstanden werden. Welche Persönlichkeitsrechte?

Lesen Sie weiter, wer die diesjährige Superzicke spielen darf.

Die Schönen und das Biest

Die "Mädchen" sind allesamt älter als 16, die meisten älter als 20 Jahre. Und doch werden sie in der Show am liebsten als "Mädels" verkauft. Ihre Würde geben sie in der Regel schon in der ersten Folge mit den Kleidern an der Stange ab.

Spätestens, wenn die jungen Frauen im knappen Bikini vor die Jury zitiert werden, um sich abfällige Bemerkungen des Möchtegern-Franzosen Rolf Scheider ("Das ist doch, wie sagt man, paranoïaque!"), des uncharmanten Modelagenten Peyman Armin ("Lass' den Hut lieber im Gesicht"/"Ist bei dir alles echt?") oder der als "Modelmama" bezeichneten Kichererbse Heidi Klum über ihren Körper, ihren Auftritt oder ihr Outfit anzuhören, spätestens dann - also gleich zu Beginn - ist es mit der Würde eigentlich schon vorbei.

Doch diesmal ging es noch weiter: Bei einem "offenen Casting" in Düsseldorf durften sich 1100 "Mädchen" schon bei ihrem Gang über die Rolltreppe abfertigen lassen. Lautstark beschwerten sich die semi-prominenten feixenden Jurymitglieder während der Fleischbeschau darüber, dass einige Angereiste sich partout nicht darauf einlassen wollten, von der Jury nicht ausgewählt zu werden. Sie würden zu lange posieren, lautete die Kritik. Dabei könne man beim besten Willen nicht jedem Mädchen ein Ja oder Nein zurufen. Sie würden es schon merken, wenn sie eine Runde weiterkämen.

Deutschland sucht die Superzicke

Und noch bevor die diesjährigen Kandidatinnen feststehen (das Ausschlachten des Castings in München steht noch aus), hat Pro7 schon seine Superzicke für die vierte Staffel gefunden: Es ist Tessa, die sich vor der Kamera bereits ausführlich darüber auslassen durfte, wie wenig ihr alle anderen Kandidatinnen das Wasser reichen können - um sich dann bei einem Patzer auf dem Laufsteg mit der Schönheit ihrer Konkurrenz herauszureden und schließlich vor der Jury unter Tränen von einer Nebenbuhlerin zu berichten, die ihr Aussehen kopiere.

Dass die andere Kandidatin namens Ira sich um diese Hysterie nicht schert, ist Pro7 egal: Erst darf die Jury das "Problem" sehr ernst nehmen, dann darf die nachfolgende neue Sternchen-Sendung "Red!" das "Gezicke" der Kandidatinnen nochmal in Zeitlupe nachverfolgen, um eine gegenseitige Kampfansage der beiden "Zicken" daraus zu machen.

Und bei Stefan Raab im Anschluss, da darf man sicher sein, wird es sich in den folgenden Wochen ebenfalls per Cross-Promotion vorrangig um den "Zicken-Krieg" drehen. Dass die Verlierer dieses Spielchens Tessa und Ira heißen, ist jetzt schon abzusehen - sie müssen die Rolle der unbeliebten "Giselle" übernehmen, die mit ihren Tränen im vergangenen Jahr der Running Gag bei "TV Total" war.

Hauptsache, die Häme bleibt exklusiv in der Pro-7-Familie. We love to entertain you.

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