TV-Kritik: "Fröhliche Weihnachten":Spring! Mich! An!

Hinter Cindy aus Marzahn steckt Bastian Pastewka, Gysi parodiert sich besser selbst und Anke Engelke bleibt die beste Komödiantin: "Fröhliche Weihnachten" - eine kleine Nachtkritik.

Ruth Schneeberger

Wer bisher nie so recht wusste, ob er bei Auftritten von "Cindy aus Marzahn" lachen oder weinen sollte, ist spätestens seit Freitagabend erlöst: Hinter der Kunst-Figur steckt in Wirklichkeit der Komödiant Bastian Pastewka, wie am Rande der Show "Fröhliche Weihnachten" zu erfahren war. Zumindest verkörpert er die rundliche Proleten-Prinzessin glaubhafter als jede Frau das je könnte.

TV-Kritik: "Fröhliche Weihnachten": Mit der Benefiz-Aktion "Aua am Finger" möchten Anneliese und Wolfgang auf das Leid in der Welt aufmerksam machen.

Mit der Benefiz-Aktion "Aua am Finger" möchten Anneliese und Wolfgang auf das Leid in der Welt aufmerksam machen.

(Foto: Foto: Sat1)

Mit dieser Erkenntnis lässt es sich gleich unbeschwerter ins neue Jahr hinübergleiten; wie man bis dahin auch noch die Weihnachtsfeiertage unbeschadet überlebt, dazu lieferten Pastewka und Kollegin Engelke in ihrer Abendshow auf Sat 1 eine Steilvorlage.

Grenzen zu überschreiten, auch und gerade die des bürgerlichen Geschmacks, ist die oberste Pflicht von satirisch angehauchten schwarzhumorigen Sendungen wie dieser. Dass man aber gleich zu Beginn ohne Not den haarigen Hintern von DJ Ötzi (ebenfalls alias Pastewka) in Nahaufnahme zu sehen bekommt, das überraschte dann doch. Gut, mochte sich der unbedarfte Zuschauer denken, wenn das in dem Tempo weitergeht, rutschen wir hier über die Gürtellinie weit in die untersten Regionen des Pennälerhumors voran - doch dem war nicht so.

Engelke und Pastewka, inzwischen ein perfekt eingespieltes Paar, haben schon spritzigere Abende moderiert, etwa den deutschen Fernsehpreis, ebenfalls schon in Gestalt des längst bewährten Volksmusikantenduos "Wolfgang und Anneliese". Vor kurzem machten sie in dieser Rolle auch die berühmte Couch bei "Wetten, dass ...?" unsicher und stellten ihren Gastgeber damit in den tiefsten Schatten. Aber die kurz-prägnante Parodie liegt den beiden wohl eher als ein ganzer Abend voller Schlagerschmalz, zumal ihr erster gemeinsamer Weihnachtsabend 2007 kaum noch zu toppen war.

Dass die aufgesetzt-herzliche Dirndl-Blondine mit dem hervorstechenden Gebiss und der unmotiviert blödelnde Fönfrisuren-Freak in Tracht als ewig unterschwellig zankendes Volksmusik-Moderatoren-Duo nicht nur ihre lebensechte Vorlage "Marianne und Michael" gekonnt parodieren, sondern gleich die gesamte Volksmusik-Szene als diskriminierenden, sexistischen und verdummenden Part der deutschen Medienlandschaft entlarven, ist die eine frohe Botschaft. Dass das Format es ihnen erlaubt, auch noch weitaus aktuellere Personen und Zustände mit einzubauen, könnte die andere sein. Die schlechte Nachricht ist: Sie haben es nicht wirklich versucht.

Lesen Sie weiter, woran die Parodie des Bundestrainers scheiterte.

Aua am Finger

Gut, die Benefiz-Aktion "Aua am Finger" verdeutlichte vergnüglich, wie bereitwillig sich die Deutschen von vermeintlichen Hilfsaktionen das Geld aus der Tasche ziehen lassen, sobald Weihnachten ist. Aber das ist nun kein Problem, das sich gerade auffällig aufdrängen würde.

Wäre das abgelaufene Krisenjahr nicht ein wahres Füllhorn parodiefreundlichen Zeitgeschehens gewesen? Wie gerne hätte man Engelke als Guttenberg, Pastewka als Steinmeier oder zumindest einen von beiden als Florian Silbereisen gesehen - um in der feucht-fröhlichen Familie der Volksmusik zu bleiben. Stattdessen: Whitney Houston, die sich eigentlich selbst schon zur Genüge demontiert hat ("Houston, wir haben ein Problem") und Desiree Nick, bei der eine Parodie sich ebenfalls erübrigt.

Genauso Gregor Gysi: Engelke selbst und die Maske holten alles raus, was möglich war, doch man wurde den Eindruck nicht los, dass jeder echte Auftritt des Linken-Politstars lustiger ist als dieser. Und bis man erkannt hatte, dass an anderer Stelle Joachim Löw gemeint war, war der Sketch auch schon wieder vorbei.

"Lebenslustig" dank Kirschwasser

So blieb der Abend nicht anhaltend so perlend, wie man es sonst von Anneliese und Wolfgang gewohnt ist, sondern versank eher in Kirschwasser-Absacker-Mentalität, wie ihn der "lebenslustige" Wolfgang auch der armen Whitney aufdrängte, die sich anschließend auf der Bühne bei ihm bedankte, dass er sie wieder dem Alkohol zugeführt habe.

Profis, die die beiden sind, hätten sie sich ruhig größere Opfer suchen können - gemeinsam hätten sie sie erlegt. Und zusammen mit dem wohligen Gefühl, dass man auch während des sonst so angestrengt besinnlichen Weihnachtsfestes nicht zum Lachen in den Keller gehen muss, wäre man froh gewesen, dass im deutschen Fernsehen so etwas wie Anarchie möglich ist.

In einem Interview hatte Pastewka vorab berichtet, dass sie sich diesmal Charaktere gesucht hätten, die sie in der Vorbereitung auf die Sendung "angesprungen" hätten. Aber anspringen scheint nicht genug zu sein.

Anke Engelke ist immer noch eine der besten Kömodiantinnen, die die Mattscheibe zu bieten hat, und Bastian Pastewka der perfekte Partner. "Wolfgang und Anneliese" sind für sie ein ähnlicher Volltreffer wie es einst Königin Beatrix für Hape Kerkeling war. Wenn ihre Redaktion das jetzt noch erkennen und sich aber nicht ausschließlich darauf verlassen würde, könnte das eine Wahnsinns-Mischung werden - im Jahr 2010.

Angehende geeignete Parodie-Opfer mögen sich bitte bis dahin und rechtzeitig dort melden, damit sie auch gefunden werden. Bis dahin: Fröhliche Weihnachten!

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