TV-Kritik: Eliette von Karajan bei Beckmann:Wie er wirklich war

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Viel Betroffenheit, wenig Erhellung: Bei Beckmann bemühte sich Eliette von Karajan, das Image ihres Ehemanns zu korrigieren. Unangenehmen Themen, wie dem Opportunismus des Star-Dirigenten während der NS-Zeit, wich sie aus. Eine kleine Nachtkritik.

Tomasz Kurianowicz

Reinhold Beckmann hat sicher mehr zu bieten, als harmlose Kaffeekränzchen zu moderieren. Manchmal, da schimmert es durch. Da will man ihm sein süffisant inszeniertes Gehabe und sein kritisches Vermögen vollkommen abnehmen. Man will seine fordernden Fragen hören, die er mit zusammengekniffenen Augen und pikantem Tonfall stellt. Dann ist Beckmann ein investigativer Journalist, der nach ehrlichen Antworten forscht. Gestern Abend war nur das bloße Gehabe sichtbar. Öffentlich-rechtliche Abendunterhaltung stellt man sich anders vor.

Eliette von Karajan antwortete bereitwillig auf die Fragen von Beckmann - dennoch blieb einiges offen. (Foto: Foto: ARD)

Dabei klang alles nach staatlich geförderter Hochkultur: Star-Dirigent Herbert von Karajan hätte in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert. Fragen gibt es noch viele, nach seinem Tod von 1989 muss man sie allerdings anderen stellen. Die Witwe von Herbert von Karajan, die Französin Eliette, die mit dem Dirigenten 30 Jahre lang verheiratet war, fühlte sich zur Aufklärung verpflichtet - und Reinhold Beckmann tastete sich fragend heran.

Das tat er so vorsichtig und ausweichend, dass ihm kein Superlativ zu glänzend und keine Huldigung zu übertrieben war. Herbert von Karajan stellte er als "den bedeutendsten Dirigenten" aller Zeiten vor, als das "Wunder Karajan". Schon das Foto im Hintergrund, das den älteren Herren mit weißer Haarpracht lakonisch auf Händen gestützt zeigte, kündete von einem schwülstigen Abend inklusive ehrfürchtigem Moderator.

Ein schüchterner Karajan

Erzählen musste Eliette von familiären Details. Und sie jauchzte sich in Stimmung, griff Beckmanns genialische Vokabeln auf, um den durch die Medien verunglimpften Ehemann zu rehabilitieren. Jahrzehnte lang hat sie geschwiegen, jetzt, im Wust der neuen Aufnahmen, der angekurbelten PR-Maschinerie, der gedruckten Zeitungsartikel (und nach dem von ihr verfassten und nun im Handel erhältlichen Buch) sah sie sich imstande, das falsche Bild des Dirigenten zu korrigieren. "Streng und hart" hätten ihn die Medien gezeichnet, dabei sei er "scheu und schüchtern" gewesen.

Mit 18 hat sie ihn kennengelernt, in Saint-Tropez, in luxuriöser Umgebung: Strand, Küste, Autos, Glanz, Glamour - ein Jetset-Leben, das dem jungen Dior-Modell imponierte. Beckmann fragte weiter, wollte von der ersten Begegnung erfahren, von dem ersten gemeinsamen Abend - und hatte dabei jede Antwort im Kopf. Die Französin schien sprachlich überfordert, so dass sie die von Beckmann hingeworfenen Pointen-Krümel ungenutzt ließ.

"Strenge" war das Leitmotiv des Abends. Eliette war es spürbar wichtig, ihren Ehemann nicht als griesgrämigen, kantigen Dirigenten vorzustellen, sondern - trotz der eingespielten Filmausschnitte, die eher das Gegenteil suggerierten - als einen schüchternen, mit sich selbst hart ins Gericht gehenden Mann. Beckmann interessierte nur das Persönliche, er wollte larmoyante Stimmung, wollte Tränen. Das war kein Gespräch über einen Musiker und Dirigenten, sondern ein Gespräch über das Privatleben eines Stars.

Lesen Sie auf Seite 2, wie die Frau von Herbert von Karajan auf die Frage nach seiner NS-Vergangenheit reagierte.

Aus dem Hintergrund überraschte die gemeinsame Tochter Isabel. Wie erfreut die Mutter auch war, der Unterhaltung konnte die selbstbewusste Frau nichts Substantielles hinzufügen: Nun saß eine Person mehr vor Beckmanns Schreibtisch, die an dem edlen Bild des liebenden Vaters, des glanzvollen Ehemanns und des genialen Musikers feilte.

Dunkles Kapitel

Nach einem spirituellen Exkurs, den Beckmann in gewohnter Manier auszureizen verstand, kam der dritte Vertraute Karajans an den Plaudertisch: Ewald Markl, ein Weggefährte des Dirigenten. Endlich tat Beckmann einen Schachzug, der in einem seriösen Karajan-Porträt nicht fehlen darf: In den letzten Minuten der Sendung wies er auf ein dunkles Kapitel der Künstlerbiographie hin. Herbert von Karajan begann seine Karriere in der Nazi-Zeit, er trat 1935 in die NSDAP ein und leitete als erstes prestigevolles Haus die Staatsoper in Berlin. Nach dem Krieg wurde über ihn kurzzeitig ein Berufsverbot verhängt. Die berechtigte Frage lautete: Welches Verhältnis hatte Karajan zur Nazi-Diktatur?

Man spürte sofort, dass alle drei Anwesenden diese unbequemen Detail keiner längeren Erörterung unterziehen wollten. Helmut Schmidt, ein Freund der Familie, wurde mit folgenden Worten schützend zwischen geschaltet: "Die Kunst geht nach Brot." Selbst in einer Diktatur. Was hätte ein Dirigent schon unternehmen können? Weitermachen, auswandern oder den Strick nehmen? Karajan habe Ersteres gewählt. Reinhold Beckmann, immer noch zurückhaltend, fragte Tochter und Frau, ob denn zu Hause über die 30er Jahre gesprochen worden sei - beide verneinten mit größter Selbstverständlichkeit. Und Beckmann gab sich zufrieden.

Damit schienen alle Zweifel ausgeräumt. Zum Abschluss richtete Beckmann die letzte Frage an Karajans Frau. Wie solle auf den Ehemann zukünftig geschaut werden? "Wie er wirklich war", hauchte sie betroffen zurück. Und das bedeutet? Dass eine Beckmann-Talkrunde darauf keine Antwort weiß.

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