TV-Kritik: Eisfußball mit Stefan Raab:"Da ist viel Foffo drin"

"Deutscher Eisfußball" auf Pro Sieben: Es durfte geschlittert werden. TV-Star Stefan Raab wurde zur tragischen Figur, und war doch ein Sieger.

Merlin Scholz

Es las sich schon ein wenig merkwürdig. Stefan Raab gab ein Interview im Spiegel und erzählte, er sehe sich selbst als Sportler: "Ich will gewinnen. Das ist mehr als nur ein Promi-Spiel."

TV-Kritik: Eisfußball mit Stefan Raab: Torschützenkönig Stefan Raab posiert mit dem "Goldenen Bowlingschuh".

Torschützenkönig Stefan Raab posiert mit dem "Goldenen Bowlingschuh".

(Foto: Foto: dpa)

Das Spiel, von dem der gewichtige Moderator des Privatsenders Pro Sieben da sprach, ist der "Deutschen Eisfußball Pokal". Das ließ seine Worte nur noch ironischer klingen. Doch weit gefehlt: Am Freitagabend, im rabiaten TV-Programm, wurde klar: Der Mann meint es bitterernst.

Was auf den ersten Blick aussah wie die menschliche Interpretation des Marschs der Pinguine, war die neueste Showidee des Stefan Raab, einem der wenigen produktiven Kreativen im deutschen Fernsehen: Zwei Teams mit je fünf Spielern versuchen, auf einer Eisfläche ein Fußballspiel zustande zu bringen. Regeln: so gut wie keine. Hauptsache, der Ball wird in fünf Minuten Spielzeit so oft wie möglich ins Tor befördert - und wenn der Gegenspieler dafür per Bodycheck aufs Eis befördert wird.

Die Eis-Spielidee war schon mal Bestandteil des Fernseh-Gladiatorenkampfes "Schlag den Raab", mit dem der Künstler die Institution der großen Samstagabendshow wiederbelebt hat. Nun wurde sie für tauglich erachtet, einen ganzen Fernsehabend zu tragen.

Slapstick-Garantie

So traten acht "Bundesligamannschaften" an, jeweils besetzt mit ehemaligen Profifußballern wie Mario Basler oder Toni Polster - und mehr oder weniger glaubhaft als prominente Fans angekündigte Lichtgestalten des Entertainment-Geschäfts. Freilich ist Top-Model-Juror Peyman Amin aus dem hauseigenen Pro-Sieben-Kanal als gröhlender Supporter in der FC-Bayern-Kurve doch eher schwer vorstellbar.

Einen Abend vor dem offiziellen DFB-Pokalendspiel durfte die illustre Runde tatsächlich den "D.E.F.B-Pokal" auszuspielen. Damit auch ja viele Spieler mit dem Hintern auf dem Eis landeten, trug man zur Eishockeykluft samt Schutzhelm an den Füßen Bowlingschuhe mit extra glatten Sohlen.

Da konnte mit dem erhofften Slapstick nichts mehr schiefgehen. Die Stars purzelten. Einem war das selbstverständlich herzlich egal: Stefan Raab, der einmal mehr in seiner Rolle als ambitionierter Fernseh-Mehrkämpfer aufblühte. Schon bevor er zum ersten Mal im Trikot des 1. FC Köln aufs Eis lief, philosophierte der Mann lieber darüber, "was mit genauem Passspiel alles möglich ist", anstatt mit Moderator Oliver Welke seine Späße zu treiben.

Dass Kommentator Buschmann die Vorlage Raabs aufzunehmen versuchte und in der Rutschpartie des VfL Wolfsburg eine "1-3-1"-Formation zu sehen glaubte, ging etwas zu weit.

Es war also keine Überraschung, dass Raab selbst für den ersten "sportlichen" Höhepunkt des Abends sorgte: Mit einem Flugkopfball erzielte er gleich nach 32 Sekunden im Spiel gegen die Bayern ein Tor.

Austoben im Privatfernsehen

Raabs Metamorphose vom einstigen Blödel-Heini, der noch zu Beginn seiner Karriere beim Musiksender Viva mit Liedern wie "Bördi Bördi Voigts" den professionellen Sport veralberte, zum ausdauernden Hobby-Sportler, ist genau das, was sich die Zuschauer wünschen. Hier ist sich einer für keinen Gag zu schade, kein Parkett ist glatt genug.

Wo die Leute im Internet Wunschidentitäten annehmen, um Spaß zu haben, da verdient Raab mit seiner Manie des Rollenspiels viel Geld. Natürlich kokettiert er fortwährend mit seinem Ehrgeiz - und liefert beste Unterhaltung in einem Medium, das inzwischen schon Anne Gesthuysen und Sven Lorig für showkompatibel hält.

Ernsthafte Unterhaltung und Klamauk

Da kann Thomas Gottschalk, der blondgelockte Oldie vom ZDF, noch so monströse Bagger ankarren und sie Eier balancieren lassen - gegen den Unterhaltungswert von Raabs Abenteuerspielplätzen ohne Grenzen kommt das in die Jahre gekommene "Wetten, dass...?" schon lange nicht mehr an. Auch wenn Gottschalk noch mehr Menschen erreicht.

Es ist daher nicht verwunderlich, dass die ARD in der vergangenen Woche ernsthaft versucht hat, die Showgröße Raab als Retter des aus deutscher Sicht alljährlich zum Desaster verkommenden Eurovision Song Contest zu gewinnen. Denn dem Pro-Sieben-Mann, davon hat man mittlerweile auch bei den Öffentlich-Rechtlichen Kenntnis genommen, gelingt der Balanceakt zwischen ernsthafter Unterhaltung und Klamauk momentan so gut wie keinem Zweiten im deutschen Fernsehen.

Raab weiß, dass er sich mit seinen vermeintlichen Juxveranstaltungen wie Turmspringen, Stockcar-Rennen oder Wok-WM nur im Privatfernsehen so richtig austoben kann. Anstatt sich mit Intendanten auf unbefriedigende Kompromisse zu einigen, persifliert er lieber ihre eingerosteten Formate und macht vor, wie es besser geht. Bestes Beispiel: "Der Bundesvision Song Contest".

Einzig Raabs Moderatorenteam um den stets mit unlustigen Sprüchen nervende Matthias Opdenhövel ("Den rechten Fuß habt ihr nur zum Brötchenholen"), die Backstage-Blondine Sonya Kraus ("Stefan, dein Outfit sieht nen bisschen schwul aus") und den manchmal um allzu viel Dramatik bemühten Frank Buschmann ("Da ist richtig Foffo drin") machen deutlich, dass Kommerz-TV im Kampf um die Zielgruppe auch sehr krawallig und prollig sein kann. .

Aber ungeachtet dieser Entgleisungen gibt es noch eine weitere Begründung, warum die Privaten gegenüber ihren gebührenfinanzierten Konkurrenten in Sachen Unterhaltung momentan die Nase vorn haben: Raabs Show-Formate haben, auch wenn es auf den ersten Blick nicht so scheint, mit den ebenso erfolgreichen Formaten wie "Germany's Next Top-Model" oder "DSDS" etwas gemein, das über Erfolg oder Nicht-Erfolg entscheidet: Sie erfordern nicht die volle Aufmerksamkeit des Zuschauers, sondern können "nebenbei" geguckt werden.

Surfen und nichts verpassen

Während der Zuschauer früher gebannt auf den Fernseher starrte, wenn Robert Lembke bei "Was bin ich" das Sparschwein präsentierte oder die Kandidaten von "Wetten dass..." Buntstifte verköstigten, plätschert diese neue Form der Fernsehunterhaltung mit ihren wenigen echten Spannungsmomenten durch den Abend.

Wenn Raab und seine Mitstreiter über das Eis schliddern, die Top-Models in spe über den Catwalk flanieren, oder austauschbare Nachwuchssänger ihre Lieder ins Mikro trällern, unterhält sich der Zuschauer mit seinem Couchnachbarn über völlig andere Themen, oder surft einfach auf einem anderen Bildschirm im Internet. Er bekommt doch alles mit. Man verpasst nichts.

Dass der Sieger beim ersten "Deutschen Eisfußball Pokal" VfB Stuttgart hieß, war letztendlich nur für eine Person von Relevanz: Für den ewig ehrgeizigen Stefan Raab, der sechs Tage nach seiner Niederlage bei "Schlag den Raab" schon wieder nicht gewann und im Halbfinale ggen FC St. Pauli ausschied.

Und doch konnte es an diesem Abend gar nicht anders sein: Er war doch ein Sieger.

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