TV-Kritik: "Boris Becker meets Verona":Bis die Gurke rutscht

Boris Becker versucht sich wieder als Talkmaster: In "Boris Becker meets ..." traf er Verona Pooth, die sich selbst interviewte, während er lustige Monologe improvisierte.

Christian Kortmann

Mal angenommen, Sie wären Fernsehproduzent, großes Auto, mehrfach geschieden, alle wichtigen Nummern im Handy, bestens vernetzt, und Sie würden unter allen Prominenten, die sich so durch die Medienlandschaft schleppen, einen möglichst eloquenten auswählen, um eine Talkshow zu moderieren: Wen nähmen Sie? Wenn Ihnen jetzt nicht augenblicklich Boris Becker in den Sinn kommt, wissen Sie, warum Sie nicht beim Privatfernsehen sind.

TV-Kritik: "Boris Becker meets Verona": Ab in die Hochzeitssuite: Boris Becker trägt Verona Pooth in seiner neuen Talk Show auf Händen.

Ab in die Hochzeitssuite: Boris Becker trägt Verona Pooth in seiner neuen Talk Show auf Händen.

(Foto: Foto: ProSieben)

Denn bei den Privaten gibt man BB ganz gerne mal eine Talkshow, um diese nach wenigen Folgen still und heimlich einzustellen. Doch für Becker ist das Leben ein langer Satz, in dem es nur Spielrückstände gibt und er selbst das menschgewordene Rebreak ist: Hier lässt sich das Anrennen eines Spielers gegen einen Bodenbelag beobachten, wie man es seit Ivan Lendls verzweifelten Versuchen, Wimbledon zu gewinnen, nicht mehr gesehen hat. Talk ist nicht sein Parkett, doch von Jahr zu Jahr trainiert Becker härter für sein großes Ziel (Sommervertretung "Kerner"? "Schmidt & Becker"? "Harter Aufschlag aber fair"?), um nach wenigen Runden rauszufliegen.

Der neueste Versuch läuft seit Donnerstagabend bei Pro Sieben und heißt "Boris Becker meets ...". Sechs Folgen sind geplant, als Premierengast hatte Becker eine andere Profisportlerin geladen: Verona Pooth, Deutsche Talkshowturnmeisterin in allen Disziplinen: Weinkrampf (Kerner), Seriös-tun (Beckmann), Alice-Schwarzer-Duell (Kerner), Semi-investigativ-ausgefragt-werden (Lanz), mit Schnupperdiplom in Moderation ("Piep!") und Bohlen-Veteraninnen-Orden am tönenden Band.

Nur bis zur Vierten auf der Grundschule

Nun durfte sie die Zusatzqualifikation als Rettungsschwimmerin für Nicht-Talker erwerben. Man ist Becker entgegen- und vom reinen Talkshow-Konzept abgekommen. "BB meets ..." ist eine "Personality-Reportagereihe" - er verbringt mit seinem Gast 24 Stunden an für diesen bedeutsamen Orten, mit Verona ging es im Privatjet von Düsseldorf über Hamburg nach Wien. Doch Talk bleibt Talk, und da muss nun mal, Wittgenstein hin, Wittgenstein her, geredet werden. Und das übernahm von Anfang an Verona. "Boris ist ein Macho, aber super-sympathisch", analysierte sie: "Er hat diesen Stimmt-der-Nagellack?-Blick - ihm entgeht nichts."

Husch, husch, verschwand man in Veronas Lieblingsboutique, und während die Dame sich umkleidete, gab der Grandseigneur Aphorismen zum Besten: "Ich gehe gerne mit schönen Frauen shoppen. Man kann sich fallenlassen, in der Mode verlieren und dabei etwas über den Charakter erfahren." Sätze, wie aus Carrara-Stuss gemeißelt, die von nun an ins Repertoire jedes Amateurhumoristen gehören. Gesteigert wurde die komödiantische Qualität indes noch, als Verona Herrn Becker eine Beauty-Gurkenmaske verabreichte und dieser einen so waschechten wie schwachsinnigen Pornomonolog improvisierte: "Darf ich die Schuhe ausziehen? Die Jeans ist auch so eng. Und meine Gurke rutscht."

Die "Interviewfragen" stellte Verona Pooth sich praktischerweise selbst. Weil sie also die ganze Zeit beschäftigt war, und Becker neben Improvisationstheaterübungen nichts zu tun gehabt hätte, drückte man ihm mal zwei Tennisschläger oder einen Fotoapparat in die Hand. Yeah: Privatjet, Sonnenbrillen, Spiegelreflex, die Frisuren saßen, und Becker nahm Verona ins Visier, gab ganz Lagerfeld-und-die-Schiffer-like den Modelfotografen. Zwischendurch wurde immer wieder mal gebusselt, man hat sich lieb. Verona lobte BBs Talent als Situationskomiker und sagte selbst den sehr hübschen Satz: "Ich war ja nur bis zur vierten Klasse auf der Grundschule."

Zermürbendes Mundlinienduell

Am Ende ging es nach Wien, wo man zunächst kuschelig in Verona und Franjo Pooths Hochzeitsbett landete. Auf der Fiakerfahrt konnten dann die unangenehmen Dinge (Finanzamt, Firmenpleiten, Flachbildschirme et cetera) nicht länger ausgespart bleiben, und Becker geriet ins Philosophieren: "Wenn Franjo nicht mir dir verheiratet wäre, wäre seine Pleite gar kein Thema." Und redete weiter auf sie ein: Verona, sag, wann hört das denn alles auf, dieser Irrsinn, eure Belagerung durch Paparazzi, diese Hetze?

Aber Verona hob nur die Schultern, da versiegte sogar ihre Eloquenz. Doch die schöne Personality-Reportage-Zeit mit Boris und die Luft dieser Stadt hatten sie trotz allem glücklich gemacht. Ach, Pooth, du musst ein Wiener sein!

In der nächsten Woche steht Becker gegen Alicia Keys, die nicht dafür bekannt ist, dass sie sich die Fragen selbst stellt, auf dem Sendeplatz. Das könnte ein verdammt zermürbendes Mundlinienduell werden.

"Boris Becker meets Alicia Keys", Pro Sieben, 7. August, 23.15 Uhr

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