TV-Kritik: "Beckmann":Sprecht endlich hessisch!

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Showtime bei Beckmann: Er macht Rüttgers zum Sozialisten, präsentiert einen adeligen Opelaner - und will das Denkmal Adenauer zum Leben erwecken. Eine kleine Nachtkritik.

Lilith Volkert

Deutschland hat Probleme. Es regnet im Mai, die Wirtschaft schrumpft, und dieser freche Italiener will beim Autoquartett eine der deutschen Lieblingskarten ziehen. Die Lage ist so ernst, dass man auch nach einem langen Opeltag - Fiat-Chef Sergio Machionne war in Berlin und möchte am liebsten Opel sofort mitnehmen und zwangsverheiraten -, nachts noch weiterdiskutieren muss.

Talk bei Beckmann: Wie, bitteschön, soll es weitergehen mit Auto-Deutschland? (Foto: Foto: Screenshot sueddeutsche.de)

Wie, bitteschön, soll es weitergehen mit Auto-Deutschland?

Reinhold Beckmann - das ist nicht der Moderator, der seinen Sender demnächst verlässt, sondern der andere - spricht in der ARD mit Leuten, die es wissen müssen. Mit Jürgen Rüttgers, dem Ministerpräsidenten von Nordrhein-Westfalen: weil in seinem Bundesland eines der vier deutschen Opelwerke liegt und er, wie man sagt, als entschlossener Arbeiterführer etwas hermacht. Mit Carlo von Opel: weil der so heißt. Und dann noch mit drei Enkeln von Konrad Adenauer: weil man schon mal bei den Nachkommen berühmter Deutscher ist.

Doch zuerst möchte Beckmann aus dem CDU-Politiker Jürgen Rüttgers einen Sozialisten machen. Hat er nicht am 1. Mai die Lippen zum Arbeitersong "Brüder, zur Sonne, zur Freiheit" bewegt? Man sieht dem Moderator an, wie sehr er sich wünscht, dass der ruhige Politiker mit dem weißen Schopf jetzt in der Sendung einmal richtig auf den Tisch haut und sagt, wo es langgeht: Fiat oder Magna, wer hat das bessere Übernahmekonzept? Und überhaupt, wer denkt an die Belegschaft?

Doch Rüttgers übt sich in Zurückhaltung und professioneller Bescheidenheit: "Als Ministerpräsident ist es nicht meine Aufgabe, zu entscheiden, welches Konzept betriebswirtschaftlich tragfähig ist." Und betont dann einmal zu oft, dass er (!) in Detroit (!) mit den Chefs von General Motors (!) über die Zukunft der deutschen Opelwerke gesprochen, ach was, verhandelt hat.

Schließlich lässt der Herr Ministerpräsident aus sich herauskitzeln, dass GM die deutsche Tochter Opel "ausgelutscht" habe und bestätigt brav sein Einverständnis mit dem CDU-Wahlprogramm-Dreiklang aus Schuldentilgung, Innovationsförderung und Steuersenkung - damit will es die Kanzlerin Angela Merkel wieder einmal allen recht machen. Zur Reform des Finanzmarktes fällt Rüttgers Obligatorisches ein: "Ein Weiter-so wird es nicht geben!" Doch wenn Josef Ackermann 25 Prozent Rendite machen wolle - warum nicht? Solange die Deutsche Bank keine Staatshilfen brauche.

Nach so viel Gelassenheit beim Zukunftsminister der Ära Helmut Kohl soll der nächste Gast ein wenig emotionale Verbundenheit mit dem Opelkonzern in die Runde bringen. Schließlich gründete sein Urgroßvater Adam Opel 1868 das Unternehmen (Dass dort in den ersten 18 Jahren ausschließlich Nähmaschinen hergestellt wurden, wird diskret verschwiegen).

Da die Adam Opel GmbH vor 80 Jahren an General Motors verkauft wurde, hat Carlo von Opel nicht viel mit Autos zu tun gehabt. Der 67-Jährige machte sein Glück mit Kartoffeln: Er brachte Kartoffelchips nach Deutschland und war lange Chef der Firma "Chio Chips", heute züchtet er Pferde.

Im ARD-Gespräch mit Beckmann zeigt sich der Fernsehwelt, dass alleine der Nachname Opel noch nicht dazu befähigt, Vernünftiges zur Zukunft des Automobilkonzerns zu sagen. "Meine Vorfahren sprachen hessisch, die Chefs heute können alle nur Englisch." Kein Wunder, dass da keine Nähe aufkomme zu dem "Mann, der am Band steht". Ja, das ist endlich einmal, in dem wochenlangen Rüsselsheimer Chaos, eine klare Ansage: "Sprecht endlich hessisch!"

Lesen Sie auf der nächsten Seite, zu welchem Schluss das Adenauer-Triumvirat kommt.

Für die Übernahmeverhandlungen empfiehlt Carlo von Opel dringend ein "Miteinander statt Gegeneinander" und zur Rettung des Konzerns eine deutliche Ausweitung der Produktpalette - warum nicht auf den Schienenverkehr? Geld würde er nicht in das Unternehmen seines Urgroßvaters investieren - "aber Ideen".

Das war vielleicht eine Idee zu viel: Bevor er die auf der blankpolierten Tischplatte ausbreitet, bittet der Moderator schnell Bettina Adenauer-Bieberstein, Konrad und Sven-Georg Adenauer in die Runde. Sie sollen von ihrem Großvater erzählen, der vor 60 Jahren zum ersten deutschen Bundeskanzler gewählt wurde und es dann 14 Jahre lang blieb.

Das war die Zeit, als die deutsche Marktwirtschaft noch als "Rheinischer Kapitalismus" durchging, als gelebte Symbiose aus Politik und Wirtschaft. Hier wurde auf kurzem Weg gekungelt, und man musste nicht die Brutalo-Ökonomie des Finanzkapitalismus bewältigen.

Konrad Adenauer lebte und regierte in einer Zeit, in der Deutschland in der Vorstellung vieler Jüngeren schwarzweiß war. Beim Namen "Der Alte" denkt man heute eher an eine Fernsehserie als an einen verdienstvollen Staatsmann. Deshalb soll der längst zum Denkmal erstarrte Politiker durch persönliche Erinnerungen zum Leben erweckt werden: "Er war uns Kindern sehr zugewandt, gar nicht autoritär", erinnert sich die Enkelin. Einmal füllte der an sich so strenge alte Mann seinen vierjährigen Enkel Sven-Georg mit Bowle ab, bis der zum Entsetzen seiner Eltern durch die Wohnung torkelte.

"Der Name öffnet Türen, aber wenn man mal drin ist, muss man schon besondere Leistung zeigen", schildert der einst bowle-geschädigte Nachwuchs heute die bekannten Vor- und Nachteile berühmter Vorfahren. Geschadet haben ihm weder Bowle noch Nachname. Sven-Georg Adenauer ging durch die politische Tür und brachte es zum CDU-Landrat in Gütersloh.

Sein Cousin Konrad Adenauer, der mit dem breiten Schnauzer im rheinländisch-fröhlichen Kugelgesicht so gar nicht an den berühmten Großvater erinnert, wird seit Wochen von CDU-Kollegen gedrängt, Nachfolger des Kölner Oberbürgermeisters Fritz Schramma zu werden. Mit 64 sei er dafür zu alt, findet der Notar - und muss sich natürlich daran erinnern lassen, dass sein Opa neun Jahre älter war, als er Bundeskanzler wurde.

Bettina Adenauer-Bieberstein, auch sie Juristin, erinnert daran, dass er als Kölner Oberbürgermeister zwischen 1917 und 1933 mit der letzten großen Wirtschaftskrise konfrontiert war - und mit Investitionen auf Kredit reagiert hat. Heute jedenfalls würde Konrad Adenauer, da sind sich seine Enkel einig, all die raffgierigen Manager erst einmal ordentlich abkanzeln. Der Alte aus Rhöndorf würde den globalen Auslutschern sicher so richtig die Meinung sagen.

Am Ende stellte das Adenauer-Triumvirat beruhigt fest: Deutschland hatte schon größere Probleme. Wie sagte ihr Großvater, der im ZDF vor einigen Jahren zum größten Deutschen aller Zeiten gewählt wurde, so schön: "Nehmen Sie die Menschen so wie sie sind, andere gibt's nicht."

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