Süddeutsche Zeitung

TV-Kritik: "Beckmann":Der Minister und sein Musterschüler

Streber im TV: Commerzbank-Chef Blessing gibt den besonnenen Büßer für den Größenwahn gieriger Banker. Neben ihm sein neuer Boss Peer Steinbrück.

Melanie Ahlemeier

Martin Blessing war schon immer ein Streber. Studium in St. Gallen und Chicago, mit 31 Jahren Aufstieg zum Partner der legendenumwobenen Beratungsorganisation McKinsey, und wenige Jahre später der Wechsel zu eben jenem Institut, bei dem er einst zum Banker ausgebildet wurde - zur Dresdner Bank. Schon im Vorstellungsgespräch empfahl der Überflieger dem Institut den Kauf der Commerzbank. Think big!

Zehn Jahre später sollte Blessing dann selbst die Verschmelzung der beiden Banken bewerkstelligen - als Vorstandsvorsitzender der Commerzbank. Was für ein Geniestreich! Blessing schuf eine starke Nummer zwei nach dem Marktführer Deutsche Bank, so schien es. Doch der Applaus für den Coup in "Bankfurt" verstummte rasch wegen der Finanzkrise.

In der ARD-Sendung "Beckmann" zieht Blessing am Montagabend erstmals vor laufenden Kameras das Büßergewand für gierige Banker an. Ja, auch seine Commerzbank habe Fehler gemacht, räumt er bescheiden ein. Und, ja, auch seine Bank habe in hochriskante amerikanische Subprime-Papiere investiert und "nicht schnell genug verkauft". Blessing schaut dabei aus wie der ewige Konfirmand, der sich samstags im Beichtstuhl aller Sünden erledigt.

Blessings Lehren aus der Finanzkrise? "Wir müssen Verantwortung übernehmen", sagt der dreifache Familienvater. Seine Stimme ist ruhig, geradezu in Strebermanier betont ruhig. Verantwortung übernehmen, das klingt gut. Als ob das aber die Krise lösen könnte! Als ob so die Banken den Banken wieder Geld leihen würden!

Die Studio-Lichtstrahler treiben Blessing den Schweiß ins Gesicht. Mit zunehmender Zeit wirkt der Mann verkrampft und ziemlich unentspannt. Neben ihm sitzt, mit neugierigem Dauerlächeln, der Bundesfinanzminister Peer Steinbrück (SPD) - und den TV-Zuschauer beschleicht zu nächtlicher Stunde das Gefühl, der Politiker habe den Lieblingsbanker von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) einfach mit ins Hamburger Fernsehstudio zu Reinhold Beckmann geschleppt.

Wer eine öffentliche Aufgabe hat, muss nun einmal den großen Persönlichkeits-TÜV der ARD-Sportmoderators bestehen. Schließlich hält inzwischen ja der Bund das Großgebilde Commerzbank/Dresdner mit vielen Milliarden am Leben und ist mit 25,1 Prozent größter Einzelaktionär. Blessing hat als erster Bankchef um Hilfen aus dem staatlichen Rettungsfonds Soffin gebeten und darf nun nur noch höchstens 500.000 Euro im Jahr verdienen.

Während Peer Steinbrück, der Erste Haushälter der Republik, zu Beginn der "Beckmann"-Sendung im Einzelgespräch für die globale "Wiedergewinnung von Vertrauen und Sicherheit" wirbt und wieder mal ein tragfähiges Konzept zu Opel einfordert ("Die Treppe wird von oben gekehrt"), versucht Blessing zu retten, was nicht zu retten ist.

Ob ihm sein Job derzeit noch Spaß mache, will Moderator Beckmann als lockere Einstiegsfrage vom Chef der Commerzbank wissen. Der antwortet: "Im Moment ist es nicht der schönste Job, Banker zu sein" - um sich wenige Sekunden später mit einem "Da müssen wir jetzt durch" selbst zu relativieren. Echte Freude am Beruf sieht anders aus.

Keine Hilfe durch das "Banker-Gen"

Auch durch die TV-Talkshow "Beckmann" musste der Banker durch, und so entwickelt sich ein langweiliges "Ich-tu-dir-nichts-du-tust-mir-nichts-Spiel" zwischen dem Gastgeber und dem einstigen Wunderkind der Finanzwelt. Etliche Stichpunkte werden angerissen, ein Konzept für den Königsweg aus der Krise ist nicht zu erkennen.

Natürlich verweist Beckmann auf die Familienchronik der Blessings: Der Großvater Präsident der Deutschen Bundesbank, der Vater Vorstand der Deutschen Bank. Nein, auch mit einem "Banker-Gen" konnte man die Krise nicht rechtzeitig erkennen.

Erst als sich Blessings neuer Chef Steinbrück in das harmlose Ping-Pong-Geplänkel einschaltet, gewinnt die Sendung deutlich an Schwung. Der Finanzminister selbst lässt diesmal den obligatorischen arroganten Biss vermissen; er ist infolge des Dauereinsatzes in den vergangenen Monaten übermüdet und verhaspelt sich mehrfach (irgendwann sagt er "Mark" statt Euro).

Steinbrück sagt, es habe ihn wütend gemacht, wie beispielsweise das Management der Hypo Real Estate in die Krise gesteuert habe. Gegen solche Banker hat er was! Martin Blessing, der Top-Banker im Staatsauftrag neben ihm, enthält sich einer Kollegenschelte. Er zeigt auch keine heldenhafte Verehrung des Finanzministers - vielleicht weil er weiß, dass die Regierung ja Experten wie ihn braucht, um noch einmal aus dem Schlamassel herauszukommen.

Und so diskutieren die beiden fast kahlköpfigen Finanzstrategen auf Augenhöhe. Die große Welt spiegelt sich in ihren Brillengläsern. Der verhältnismäßig junge Bankchef kann dem knapp 20 Jahre älteren Finanzminister im direkten Dialog problemlos das Wasser reichen. Streber!

Irgendwann sagt dann "Big Spender" Steinbrück, er werde nicht einfach einen Finanzstaatssekretär in den Aufsichtsrat der Commerzbank schicken, sondern einen angesehenen Wirtschaftsexperten. Martin Blessing lächelt dazu ein wenig. Bescheiden, wie sonst.

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