TV-Kritik: Als Kandidat bei "Wer wird Millionär?":Im Tunnel mit Jauch

Das Schwierigste ist, es überhaupt auf den Stuhl zu schaffen: Unser schnell sortierender Schlussredakteur berichtet von seinem gestrigen Auftritt bei "Wer wird Millionär?"

Christian Albrecht

Schon seit Jahren bin ich ein mitdenkender Zuschauer von "Wer wird Millionär?" Bei vielen Folgen dachte ich mir, diese Antwort hätte ich doch auf Anhieb gewusst. Und so ging ich davon aus, selbst gute Chancen haben zu können, auch einmal auf den "heißen Stuhl" zu kommen.

TV-Kritik: Als Kandidat bei "Wer wird Millionär?": Musste noch viele Autogramme geben: Günther Jauch.

Musste noch viele Autogramme geben: Günther Jauch.

(Foto: Foto: RTL)

Vor einigen Wochen ermunterte mich meine Verlobte, doch mal wieder bei der Bewerbungshotline anzurufen. Und, tatsächlich, diesmal klappte es: Ich wurde zurückgerufen. Am Telefon wurden ein paar schwerere Testfragen gestellt, und anscheinend präsentierte ich mich gut. Jedenfalls wurde ich nach ein paar Tagen von der Produktionsfirma Endemol zu "Wer wird Millionär?" nach Köln eingeladen.

Gerne würde ich sagen, Günther Jauch wartete schon vor dem Fernsehstudio auf mich, aber vor der RTL-Show bekommt man den Moderator - wenn man Kandidat ist - nicht zu sehen. Es soll später nicht so aussehen, als bevorzuge er ihm genehme Mitspieler.

Nach dem Einmarsch der Gladiatoren ins vollbesetzte Studio in Hürth wird einem zum ersten Mal richtig mulmig. Es ist viel kleiner, als es im Fernsehen aussieht, aber dennoch passen 200 Zuschauer hinein, ein richtiger Hexenkessel. Unter tobendem Applaus betritt Moderator Jauch die Manege und begrüßt alle Kandidaten per Handschlag. Meine ersten Worte mit ihm habe ich aber erst gewechselt, nachdem ich es in der Sendung auf den Stuhl geschafft hatte.

Es ist meine Fernseh-Premiere. Ich bin entsprechend aufgeregt. Nervenflattern. Doch die Visagisten haben ganze Arbeit geleistet, man sieht den Angstschweiß nicht. "Denken Sie daran, es ist alles nur ein Spiel", sagt Jauch, um mir die Nervosität zu nehmen: "Seien Sie nicht zu verkrampft!"

Im Grunde hat er recht: Schließlich ist es das Schwierigste, überhaupt die Auswahlfrage in der Sendung von "Wer wird Millionär?" zu überstehen und zu ihm in die Mitte zu kommen. Ich habe am schnellsten in der Runde bei der zweiten Auswahlfrage des Abends Tiere und ihre Eigenschaften richtig zugeordnet: "Langsam, Schnecke; stark, Bär" und so weiter - klingt wie ein Kinderspiel, ist unter Stress und Konkurrenzdruck aber höllisch schwer. Von zehn Kandidaten auf der "Einwechselbank" schaffen es normalerweise nur zwei bis drei in die Mitte. Hier zählt nicht nur Wissen, sondern auch das Quäntchen Glück, beim Eingeben in die Tastatur der Schnellste zu sein.

Lesen Sie weiter auf Seite 2, wie ich mich schlage.

Im Tunnel mit Jauch

Nach den Aufwärmfragen schwindet schnell die Nervosität. Auch Jauchs aufmunternde Blicke tragen ihren Teil dazu bei. Ich fühle mich wie in einem Tunnel, auf dem Quiz-Express mit Günther Jauch als Lokführer.

Ich sehe nur noch die Fragen auf der Konsole vor mir und Günther Jauch. Ans Publikum im Studio und vor den Fernsehern denke ich nicht mehr. Dabei wäre es die größere Blamage, zu früh vom Stuhl "herunterzufallen", als gar nicht erst auf ihn zu gelangen. Deshalb habe ich die sichere Variante gespielt, mit der zweiten Gewinnstufe bei 16.000 Euro. Ein Fehler?

"Sie werden sich ärgern"

Immerhin beantworte ich die Frage nach der Disziplin von Olympiasiegerin Anna Dogonadze so detailliert und überzeugend, dass der Moderator nur meint: "Sie werden sich ärgern, nicht auf Risiko gespielt zu haben."

Bis dahin läuft alles glatt. Doch dann kommt die 32.000-Euro-Frage: "Wer verbirgt sich hinter dem Namen Lucius Domitius Ahenobarbus?" Weder ich noch mein Telefonjoker haben auch nur den blassesten Schimmer, dass dies Neros Geburtsname war. Ich nehme "Nosferatu"; dass "Rasputin" und "Lord Voldemort" aus "Harry Potter" nicht in Frage kommen, ist mir und meinem Joker aus der Redaktion von sueddeutsche.de klar.

Das wohl schon zu sehr beeinflusste Publikum wollte ich nicht mehr befragen und mir diesen Joker für später aufheben. Und dass Lucius Domitius Ahenobarbus der Name Neros sei - davon hätte man doch schon gehört. Oder? Also falle ich darauf rein, und denke mir, dass dieser seltsame Ahenobarbus - ich bin Nicht-Lateiner - vielleicht der latinisierte Name der Sagen- und Romangestalt Nosferatu sein könnte. Risiko - aber ich habe ja die 16.000 Euro sicher.

Den 50/50-Joker habe ich leider schon bei der Frage nach einem "Alaunstift" verbraucht - obwohl ich mir eigentlich zu 80 Prozent sicher war. So ging meine Chance dahin, Fernsehmillionär zu werden. Aber immerhin: Ich habe 16.000 Euro einfach mal so gewonnen! Ich weiß zwar nicht mehr, wie ich den Stuhl bei Günther Jauch verlassen habe. Ich kann mich aber noch daran erinnern, dass meine Verlobte im Publikum freudig geklatscht hat.

Von den 16.000 Euro Gewinn bekommt sie ein Klavier - ein gebrauchtes. Angebote dafür sind gleich fünf Minuten nach der Sendung per Telefon gekommen. Und vielleicht gönnen wir uns eine Nordpol-Reise.

Die anderen Kandidaten in meiner Sendung haben sich auch wacker geschlagen - und am Ende das entscheidende Quäntchen Glück gehabt: Die "1,33-Sekunden-Frau" Anneke Harms aus Nordenham aus der vorherigen Sendung, die als "Überhangkandidatin" noch zu Ende spielte, und der Münsteraner Mario Zimmermann steigen beide bei der zwölften Frage aus und gehen mit 32.000 Euro nach Hause. Der glücklichste Kandidat des Abends aber ist der Kölner Jochen Hilchenbach: Er freut sich ausgiebig über einen Gewinn von 125.000 Euro. Herzlichen Glückwunsch!

Nach der Sendung treffen sich die Kandidaten und ihre Begleitpersonen in der Garderobe. Günther Jauch kommt mit Verspätung, er hat dem Publikum noch sehr viele Autogramme gegeben. Es ist noch Zeit für ein paar Fotos, dann ist der Mann aus "Wer wird Millionär?" auch schon wieder weg. Ich darf nun leider nie mehr mitmachen, wenn er weiter Geld in dieser Sendung vergibt.

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