Süddeutsche Zeitung

TV: Helmut-Kohl-Portrait:Was vom Saumagen übrig blieb

An dem ZDF-Film über Helmut Kohl interessiert vor allem, was nicht zu hören und wer kaum zu sehen war - des Ex-Kanzlers Sohn ist "empört".

Christopher Keil

Der Mechanismus, der die PR eines Fernsehfilms mit seiner Ausstrahlung verbinden soll, funktioniert auch im Fall des Dokudramas "Der Mann aus der Pfalz" nicht mehr so richtig. Das liegt daran, dass TV-Marketing sich immer weiter vom Sendetag entfernt mit Zwischen- und Vorberichten und nach Möglichkeit einer Skandalisierung des Themas, dass TV-Marketing heute also auf vieles hinweist, nur nicht mehr konkret auf die Ausstrahlung.

Über den Film von Thomas Schadt, den das ZDF an diesem Dienstagabend zeigt und der die Aufstiegsjahre Helmut Kohls nach dem Zweiten Weltkrieg bis zum Fall der Mauer abhandelt, urteilen nahezu alle, die ihn schon gesehen haben, positiv: Thomas Thieme ist mächtig in seiner Rolle als Kohl, und Kohl als Person ist mächtig in seiner Rolle als Mensch, als Bundeskanzler und Nutznießer der deutschen Einheit sowie als Wegbereiter der Europäischen Union.

Trotzdem ist die Diskussion über den Mann aus der Pfalz, so der Titel, längst im Futur angekommen. Zum einen bereitet das ZDF für den 3. April 2010 - Helmut Kohls 80. Geburtstag - eine Dokumentation vor. Zum anderen hat Kohls Sohn Walter eine im Focus als Interview abgedruckte Kritik vorgetragen, die sich wie ein Plädoyer für ein ähnliches Projekt mit Hannelore Kohl liest.

,,Regelrecht empört'' zeigt sich der 46-jährige Sohn ,,über die Darstellung'' seiner Mutter, die die ,,zentrale Ratgeberin'' des Vaters gewesen sei, was sich im Film nicht erschließt. Dem Drehbuch lastet Walter Kohl ,,schwere Mängel'' an, dem Produzenten Nico Hofmann empfiehlt er: Der ,,hätte bloß seinen Vater fragen müssen, der kannte meine Mutter über Jahrzehnte''.

Sein Vater, meine Mutter? Es ist auch ein landsmannschaftlicher Konflikt, Nico Hofmann stammt aus Mannheim, sein Vater war als Journalist bei Kohls Hausblatt Rheinpfalz und über Jahre an der Seite des Kanzlers in Bonn. Deshalb sagt Nico Hofmann von Sohn zu Sohn: Er hätte erst - wohl bei den Kohl-Söhnen, denn Peter hat bereits eine Biographie zum Andenken an die 2001 verstorbene Mutter vorgelegt - die Persönlichkeitsrechte für Hannelore Kohl kaufen müssen, um sie überhaupt stärker und öfter ins Bild rücken zu dürfen, ,,aber das wäre ein anderer Film gewesen''.

Er verstehe, sagt Thomas Schadt, ,,dass sich die Söhne als Fürsprecher ihrer Mutter sehen. Es ist aber kein Film über Hannelore, sondern über Helmut Kohl. Es gibt eine Hauptfigur, alle anderen sind folgerichtig Nebenfiguren. Außerdem verwahre ich mich gegen den Vorwurf, Frau Kohl lächerlich gemacht oder respektlos behandelt zu haben.'' Und ,,ich habe Hannelore Kohl bewundert'', sagt noch Hofmann, ,,sie stand mir näher als Helmut Kohl.''

Ungeklärt ist nach wie vor die Rechtslage von ungefähr 30 Stunden Interview, die Schadt bei seinen Treffen mit Helmut Kohl an vier Wochenenden Anfang 2006 in Oggersheim zusammengetragen hat. Kohls zweite Ehefrau Maike Richter verhandelt mit dem ZDF über Umfang und Inhalt von Freigaben, aus denen dann die Geburtstagsfassung geschnitten werden soll. ZDF-Programmchef Thomas Bellut gibt sich optimistisch. Tatsächlich sollten Passagen des 30-Stunden-Interviews bereits in Schadts Fernsehfilm einfließen, doch am Ende fanden das ZDF und die Kohls den Kompromiss, dass nicht ein O-Ton zwischen die Szenen geschnitten würde. Dafür sicherte Helmut Kohl zu, gegen die Darstellung seiner Person nichts zu unternehmen.

Der Mann aus der Pfalz ist ein weiteres Beispiel für die inzwischen notorische Historisierung des Fiktionalen im deutschen Fernsehen. Das nimmt dem guten Film, den Schadt mit dem intimen Wissen aus 30 Stunden Gesprächen inszeniert hat, nichts. Doch bevor jetzt Dramen folgen, die , ,,Genscher'' heißen oder ,,Mit Turnschuhen ins Amt'', würde man sich doch wieder über ein paar sehenswerte erzählte Filme freuen. Für alles andere gibt es das bewährte Genre der Dokumentaion.

Der Mann aus der Pfalz, ZDF, 20.15 Uhr.

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SZ vom 20.10.2009/iko
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