TV: Film und Dokumentation über Contergan:"Ich möchte hören: Tut uns leid"

Ein Spielfilm reicht nicht, um den größten Arzneimittelskandal Deutschlands darzustellen. Die ARD legt am Donnerstag noch eine Doku nach über Kinder, denen man nie die Hand geben können wird.

Hans Hoff

Wo die Fiktion endet, setzt die Realität ein. Nach dem Film ist vor der Dokumentation. Wenn am Donnerstag Adolf Winkelmanns umkämpfter Fernsehfilm Contergan über den Sender ist, legt die ARD noch einmal mit Fakten nach. "Wir wollen da ansetzen, wo der Film aufhört", sagt der zuständige WDR-Redakteur Jürgen Thebrath über eine halbstündige Dokumentation, die ebenfalls Contergan heißt, die im Untertitel aber verrät, worauf sie zielt: Die Opfer, die Anwälte und die Firma. Die Doku-Autoren Walter Harrich und Danuta Harrich-Zandberg haben sich vor fünf Jahren schon einmal des Themas angenommen und damals auch mit Karl-Hermann Schulte-Hillen gesprochen, der immer noch gegen die Ausstrahlung des Fernsehfilms klagt. Nur deshalb taucht der einstige Nebenklägervertreter im Contergan-Prozess in dieser Dokumentation auf.

TV: Film und Dokumentation über Contergan: Schwimmunterricht in einer Spezialschule für Contergan-Geschädigte bei Bielefeld 1966.

Schwimmunterricht in einer Spezialschule für Contergan-Geschädigte bei Bielefeld 1966.

(Foto: Foto: ap)

Im Ausschnitt von 2003 formuliert er einen Gedanken, der ihm nach der Geburt seines durch Contergan behinderten Kindes oft gekommen ist. "Du hast einen Sohn, dem du nie die Hand geben kannst", sagt er. Eine aktuelle Aussage haben die Autoren von ihm nicht bekommen. Ebenso wenig von der Firma Grünenthal, die lediglich über eine schriftliche Stellungnahme im fertigen Film vertreten ist.

Dafür wird die Geschichte dreier Contergan-Opfer erzählt. Es sind drei Endvierziger, die zeigen, wie sie ihr Leben mit der Behinderung meistern, die sich ein kleines Glück geschaffen haben, weil sie trotzdem ihr Leben leben, selbstbewusst, aber nicht ohne Zweifel.

Zusätzlich kommen, und das ist das Besondere an diesem Beitrag, auch zwei Söhne zu Wort, deren Väter damals auf der Anklagebank saßen. Albrecht von Schrader-Beielstein und Harald Mückter berichten, wie das damals war und wie es sich heute anfühlt, da die rund 100 Millionen Mark, die Grünenthal einst zahlte und damit die Einstellung des Prozesses erreichte, längst aufgebraucht und viele Opfer mittlerweile auf Sozialhilfe angewiesen sind. "Die Betroffenen sind auf der Strecke geblieben", sagt Schrader-Beielstein.

"Da wir im Zusammenhang mit der Contergan-Tablette kein schuldhaftes Verhalten unsererseits sehen, wäre eine Entschuldigung nicht angemessen", wird eine Stellungnahme des derzeitigen Grünenthal-Firmenchefs Sebastian Wirtz zitiert. Ein Standpunkt, den Klaus Becker nicht teilen mag. Der Contergan-geschädigte Diplom-Politologe formuliert ohne Verbitterung eine sehr klare Forderung an Grünenthal. "Ich möchte hören: Tut uns leid", sagt er.

Contergan - Die Opfer, die Anwälte und die Firma, ARD, Donnerstag, 8. November, 21.45 Uhr.

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