TV-Eklat um Eva Herman:Ins Abseits gelabert

Die Geschwätzigkeiten und Verletzungen der Eva Herman in Johannes B. Kerners Talkshow - am Ende stimmt nur die Quote.

Hans Leyendecker

Ersten, bei Maischberger, trat am Dienstagabend ein verkleideter "Akademiker'' auf, der seine Frau übel verprügelt hatte und nun dank des Netzwerks "Männer gegen Männer-Gewalt'' (hoffentlich) seine Aggressionen in den Griff bekommen hat. Im Zweiten, bei Kerner, ging es um Schuld, Phrase und Moral - also angeblich um Wahrhaftigkeit.

EVa Herman bei Kerner.

TV-Eklat: Eva Herman mußte die Johannes B. Kerner Show verlassen.

(Foto: Foto: ddp)

Im Mittelpunkt stand 52 Minuten lang die frühere Tagesschau-Frau und ehemalige NDR-Moderatorin Eva Herman. Ihr Auftritt hinterließ ebenso wie der des Ex-Schlägers das Gefühl, dass das öffentlich-rechtliche Fernsehen spätabends die Tapetentüren öffnet, damit der Zuschauer schauernd in die Abgründe des Lebens blicken kann - Monster-TV für den Gebührenzahler.

Warum Eva Herman ohne noch einmal zumindest den Begriff "Canossa'' gegoogelt zu haben, den Gang zu Johannes B. Kerner antrat, blieb ebenso rätselhaft wie die Frage, was die Autorin des Buches Das Eva-Prinzip der Welt über Nationalsozialismus, Emanzipation/Feminismus und die 68er Fundamentales mitzuteilen haben soll. Aber bekanntermaßen hält das Publikum einen Menschen, den es oft im Fernsehen gesehen hat, deshalb für bedeutend, weil der es geschafft hat, regelmäßig aus dem Kasten zu schauen.

"Ich trage Slips von Armani, schwarze mit Glanz", hat ein Tagesschau-Sprecher der staunenden Nation mal verraten, und ein Kollege wusste zu berichten, dass die Schlagersängerin Michelle "eine Granate im Bett" sei.

Frau Herman, die wegen Schriftstellerei den Job bei der Tagesschau aufgegeben hatte, hat es bei Vorlage eines zweiten Buches auch noch geschafft, echt "umstritten" zu sein, was heutzutage so etwas wie eine Wichtigkeits-Auszeichnung ist. Jedenfalls reichte es für die Einladung in Kerners Runde mit Senta Berger, Margarethe Schreinemakers und einem Komiker.

Sprachlicher Wirrwarr

Politisch umstritten ist Frau Hermann, weil sie bei der Präsentation ihres zweiten Büchleins am 6. September Folgendes gesagt hat: "Und wir müssen vor allem das Bild der Mutter in Deutschland auch wieder wertschätzen lernen, das leider ja mit dem Nationalsozialismus und der daraus folgenden 68er-Bewegung abgeschafft wurde. Mit den 68ern wurde damals praktisch alles das, was wir an Werten hatten, es war ne grausame Zeit. Das war ein völlig durchgeknallter, hochgefährlicher Politiker, der das deutsche Volk ins Verderben geführt hat, das wissen wir alle, aber es ist damals eben auch das, was gut war, und das sind Werte, das sind Kinder. Das sind Mütter, das sind Familien, das ist Zusammenhalt - das wurde abgeschafft. Es durfte nichts mehr stehenbleiben.''

Was für ein sprachlicher Wirrwarr, was für ein gedankliches Durcheinander, was für ein Geschwätz. Wer hat denn jetzt was abgeschafft? Die 68er, die Nazis oder beide zusammen? Sie habe nur zum Ausdruck bringen wollen, dass "Werte, die ja auch vor dem Dritten Reich existiert haben, wie Familie, Kinder und das Mutterdasein, die auch im Dritten Reich gefördert wurden, anschließend durch die 68er abgeschafft wurden'', hat sie dann in einem Interview geschwurbelt.

Ins Abseits gelabert

Weil "ihre Tätigkeit nicht länger vereinbar mit ihrer Rolle als Fernsehmoderatorin und Talk-Gastgeberin'' sei, hat sie daraufhin vorigen Monat die Quatsch-Stelle als Moderatorin verloren. Hat sie nun, wie Kritiker meinen, die Familienpolitik der Nazis verharmlost? Nun ist es zumindest für die Geschichtsforschung und auch sonst völlig nebbich, was Frau Herman über die Nazis sagt. Sie legt Wert darauf, mit Rechtsextremisten nichts zu tun haben: "Wie konnte das passieren, warum habt ihr nichts unternommen?'' will sie ihre Oma mal gefragt haben.

Gut. Schön. Bei Kerner saß also nicht Eva Braun, sondern Eva H., die beim Denken leicht oszilliert, weil sie mit der Sprache und mit den Gedanken nicht ganz im Reinen ist. Sie rutscht dann aus und sieht dabei seltsam traurig, selbstgerecht aus. Dass Kerners Redaktion als eine Art Schiedsrichter den NS-Experten Wolf Wippermann bemüht hatte, wirkte angesichts des Elends von Frau H. übertrieben.

Kerner baute Brücken

Dass sie nun nach den Abwatschereien der vergangenen Wochen bei Kerner auftrat und gleich erklärte, sie habe "keinen Fehler'' gemacht, sondern die Presse habe falsch informiert, zeigt, dass sie mit einer vital erlittenen Kränkung nicht ordentlich umzugehen weiß. Ein Hinweis wie: "Ich habe da am 6. September ein bisschen wirr geredet; kann passieren, aber tut mir leid," hätte noch eine Nachfrage des Moderators nach sich gezogen. Danach wäre Kerner vermutlich erleichtert zu Kindertagesstätten und zu Frau von der Leyen übergegangen.

Aber in dem Versuch, die Selbstachtung zu bewahren, verrannte sie sich, wurde mit Zitaten des Nazi-Ideologen Alfred Rosenberg konfrontiert, geriet aus der Fassung. Sie verwies auf die Menschen da draußen, die sie verstünden - ganz anders jedenfalls als das "Medien-Establishment''. Sie sprach von der "gleichgeschalteten Presse'' und sah sehr angegriffen und auch müde aus. Kerner baute ihr Brücken, die sie ignorierte.

Was da lief, wirkte wie eine Inszenierung: Eine Medienfrau spielte das Stück allein gegen alle - das kommt sonst beim Publikum gut an. Normalerweise wird das Opfer nachher geherzt und bedauert. Aber diesmal? Wie kann jemand, der so ahnungslos ist, sich so viele Jahre als Moderatorin durchgeschlagen haben?

Der Moderator, der gelegentlich durch eine nur noch bei Kellnern außerhalb Bayerns übliche Servilität auffällt, mühte sich, hart nachzufragen. Auch ist die Verwertungskette Kerner/Boulevard (Bild) für jeden brandgefährlich.

Klage auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses

Es ging um Nichts, aber das mit großer Wichtigkeit. Als Senta Berger, die über ihren Samstagskrimi reden wollte, damit drohte, zu gehen, komplimentierte der Moderator Frau Herman hinaus. Frau H. hatte sich ins Abseits gelabert und wurde ins Abseits getrieben: "Ich muss lernen, dass man über den Verlauf der Geschichte nicht reden kann, ohne in Gefahr zu geraten'', hat sie auch noch gesagt. Der Schriftsteller Foucault hat den Begriff Wahnsinn einmal auf die Formel vom ´"Fehlen einer Arbeit'' gebracht. Niemand könne leben, ohne tätig zu sein und ohne das Bewusstsein vom Sinn dieser seiner Tätigkeit.

Am Dienstagnachmittag traf beim NDR eine Klage des Herman-Anwalts auf Fortbestand des Arbeitsverhältnisses ein, das eher ein Beschäftigungsverhältnis war. Eines Tages solle auch die Höhe des bislang unbestimmten Schadens festgelegt werden, der durch die Auflösung des Moderatorinnen-Vertrages und durch eine "Medienkampagne'' entstanden sei.

Der Schaden für die Runde war beachtlich: Frau Berger konnte nicht ordentlich über ihren Krimi reden, Frau Schreinemakers fehlte am Ende das Gezicke mit Frau H., der Komiker war nur komisch. Selbst Kerner klagte nach der Sendung über Kopfschmerzen. Aber die Quote war bombig: Über 18 Prozent, mehr als das Doppelte, was Frau Maischberger holte.

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