TV: "Boris Becker meets Jan Ullrich":Er muss ja nicht protzen

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Der gesendete Freundschaftsdienst: Boris Becker traf Jan Ullrich. Der einstige Radprofi führte seine Villa und seine Unschuld in Sachen Doping vor.

Hans-Jürgen Jakobs

Er hat gerade noch gefehlt, im Pulk der gestählten und chemisch bewegten Athletenmaschinen, die sich zu Leistungsshows wie Olympia treffen. Aber Jan Ullrich, der radelnde Volksheld und Olympiasieger von einst, hatte sich ja 18 Monate Schweigen auferlegt - bis ein anderer vergangener Volksheld kam und ihm tatsächlich die ersten öffentlichen Worte entlockte. So etwas gelingt, ganz exklusiv, nur Boris Becker.

Da kumpelt es ordentlich: Ex-Radprofi Jan Ullrich und Ex-Tennisheld Boris Becker. (Foto: Screenshot: sueddeutsche.de)

"Boris Becker meets...." heißt seine Sendung auf Pro Sieben, und in ihr darf der Tennisstar a.D. vorzugsweise andere Prominente interviewen, deren beste Tage auch schon hinter ihnen liegen. Der inzwischen zur körperlichen Fülle neigende Becker spielt darin mit den eigenen Unzulänglichkeiten, er macht sich gerne zum Clown, und wenn einer wie Jan Ullrich hilft, wird es eine wirklich gelungene Selbstdemontage. Sie hält die Fernsehzuschauer vor dem Einnicken ab. Und schließlich wollte sich der Befragte ja zum Thema Doping äußern, wie der Sender angekündigt hat!

Entrückte Welt

Eine seltsam entrückte Welt wurde dem Publikum da präsentiert, in der neuer Reichtum das alte Leben erdrückt. Am Bootssteg in Zürich befreite Boris Becker den mittlerweile ebenfalls zur Fülle neigenden Jan Ullrich aus seiner sportpolitischen Isolation, brachte ihn ins Fernsehen und fuhr mit ihm im Boot über den Zürcher See. Wohin eigentlich? Egal, am Ende jedenfalls landeten sie in Ullrichs Wohnort Scherzingen am Bodensee. Dort ließ sich ein schlecht staunender Becker die matt glänzende Villa vorführen, die so gut nach München-Grünwald passen würde.

Die Scherzinger Immobilie zieren zwei Bambis und viele Pokale, und der Hausherr erklärt sich: "Ich muss ja nicht protzen." Im Übrigen fährt der Ex-Profi nicht mehr 35.000 bis 40.000 Kilometer im Jahr, sondern nur noch 5000.

Im Fortgang des gesendeten Freundschaftsdienstes flog das Paar nach Mecklenburg-Vorpommern, in die Heimat des ehemaligen Radprofis. Dass Mama Ullrich einen Keller voller Devotionalien eingerichtet hat, und diese Heldenhalle bis aufs Verwechseln dem Keller im Hause von Mama Becker in Leimen ähnelt, gehört zu den größten Enthüllungen dieses TV-Stücks. "Das sind die Mütter", weiß Boris Becker, der Journalist. Diese News wird nur noch übertroffen von der Mitteilung, dass Ullrich die Pedale seines Siegerrads von der Tour de France 1997 abmontiert hat, damit das Gestell in den Seitenkeller zu all den anderen Rennmaschinen passt.

Von Kumpel zu Kumpel

"Boris, mein Freund!", hatte Jan Ullrich am Anfang ausgerufen. "Was für eine Freude!" retournierte Boris Becker und machte rasch klar, dass er dieses Interview nur als Zwischenergebnis einer jahrelangen Freundschaft bekommen hat. Von Kumpel zu Kumpel spricht's sich besser, und Ullrich hauchte: "Ich vertraue ihm."

Was hatten sie ihn fertig gemacht, auf einer Pressekonferenz im Februar 2007, als er seinen Rücktritt bekanntgegeben hatte! All die Journalisten! Und dann erst der Befrager Reinhold Beckmann in der ARD, der andauernd herumstocherte zum Thema Doping und zu Ullrichs Verbindungen mit dem spanischen Dopingguru Fuentes!

Richtig gut reden kann man da nicht. Das ist bei Kamerad Boris Becker ganz anders, der nichts will, außer oft im Bild zu sein und gute Laune zu verbreiten. Der treu erklärt, er fühle als Freund Verantwortung für seinen Gesprächspartner. Da führte Jan Ullrich gerne Familienglück vor und ließ sich auf Begegnungen mit seiner alten Klassenlehrerin und den alten Schulkameraden ein. Die Äuglein wurden feucht. Natürlich radelte der Multimillionär mit dem weichen Herz auch neben seinem TV-Gastgeber, der dabei nicht ganz so komisch aussah wie bei den Rennfahrübungen mit dem Ex-Formel-1-Weltmeister Mika Häkkinen, dem Becker in dieser Folge seiner VIP-Schaukel auch begegnet war.

Viele Dialoge wirkten wie auswendig gelernt, aber immerhin war Beckers Begegnung mit Ullrich so aktuell, dass der einstige Radheld nach der neuen Liebe des einstigen Tennishelden fragen konnte. Vielleicht hätte sich Sandy Meyer-Wölden auch noch aufs Rennrad setzen sollen!

Am Ende also, als der lustwandelnde Journalistendarsteller genügend Bilder von einem glücklichen Jan Ullrich gesammelt hatte, da fragte er tatsächlich - so irgendwie - nach Doping. Und es kumpelte in klarsten Worten zurück von dem Mann, den der Bonner Staatsanwalt für einen Doper hält: "Ich verstehe bis heute nicht, wie gute Leute kaputt gemacht werden". Die Öffentlichkeit ist eben schlecht zu ihren Stars, sie lässt sie nur immer wieder ins Fernsehen.

Dann bescheinigte Jan Ullrich noch, das Interview habe ihm Spaß gemacht. Und Boris Becker hatte eine letzte Erkenntnis: Der Mann aus Rostock sei - wie er selbst - ein "feiner Kerl" und auf keinen Fall ein "Schauspieler".

Da werden die beiden selbst einmal gelacht haben.

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