TV: Bildausfall beim EM-Halbfinale:Mondlandung reloaded

Der Ausfall der Fernsehbilder, die zeitversetzte Übertragung des Tons - urplötzlich fieberte man gestern Abend nicht bei einem Halbfinalspiel der Europameisterschaft, sondern bei der Eroberung ferner Trabanten wie vor 40 Jahren mit.

Bernd Graff

Falsch ist, dass eine mildtätige Fernsehregie in Wien die Zuschauer in aller Welt davor bewahren wollte, den Grottenkick der deutschen Mannschaft gegen die Türkei noch länger mitanzusehen und darum den Bildern des Grauens schlichtweg den Saft abgedreht hat.

TV: Bildausfall beim EM-Halbfinale: Liebe Kinder! Das sind Bilder vom Mond aus dem Jahr 1968. Wenn ihr gaaaanz genau hinguckt, könnt ihr im Hintergrund Bilder von der Europameisterschaft 2008 sehen - jedenfalls solche Bilder, die uns das deutsche Fernsehen überträgt.

Liebe Kinder! Das sind Bilder vom Mond aus dem Jahr 1968. Wenn ihr gaaaanz genau hinguckt, könnt ihr im Hintergrund Bilder von der Europameisterschaft 2008 sehen - jedenfalls solche Bilder, die uns das deutsche Fernsehen überträgt.

(Foto: Montage: bgr)

Richtig ist: Es war ein Grottenkick. Und Deutschland hat ihn irgendwie rumpelnd gewonnen.

Doch die Kombination aus großem, ja schicksalhaftem Ereignis und fehlender Bebilderung, die in diesem aktuellen Fall umso schmerzlicher war, als man ja Fernsehbilder erwarten durfte, diese Kombination erinnert an die Mondlandungsbilder vor 40 Jahren. Damals war es auch so, dass immer, wenn die Apollo-Kapsel bei ihren Trabanten-Umkreisungen auf die dunkle Seite des Mondes kam, welche der Erde abgewandt ist, also zwischen sich und der Erde den Mond hatte, dann klärte uns ein freundlicher schwarzweißer Fernsehraumfahrtprofessor darüber auf, dass jetzt bald wieder keine Bilder zu sehen sein würden, weil diese gewissermaßen vom Mond abgefangen würden. Das haben wir hingenommen, weil wir es verstanden haben - wer schmollt schon bei Naturgesetzen?

Gestern nun - wir erinnern uns: "Gestern" ist 40 lange Technikentwicklungsjahre nach der Mondlandung und "gestern" musste nur über Landesgrenzen hinweg, nicht interstellar gesendet werden - gestern also fehlte alles, was zu ordentlichen Bildausfällen gehört: Das Schwarzweiß der Bilder, der freundliche Professor, die Ankündigung, und, ja auch, der Mond.

Gestern also ging es nur darum, Bilder aus Basel nach Mainz und dann in unsere Stuben zu bringen - schlimme Bilder von rumpelnden Fußballern in kurzen deutschen Hosen, das stimmt. Aber das ist doch keine Art!

Profis

Es passierte also Folgendes: Das Raumschiff Basel samt zugehörigem Rumpelfußballer-Stadion muss irgendwo auf die dunkle Seite Wiens geraten sein, weswegen auch gleich Raumfußballprofessor Réthy von der Basisstation in Cape Canaveral mitverschwand und nur mit Hilfe von Fernsehbildern aus seinem Schweizer Messer und einem Handy so etwas wie eine Reste-Übertragung dieses Gerumpels namens deutschem Fußball ermöglichte. Das war dann umso lustiger, als die Bilder von den großen Schritten für die deutschen Kicker - aber nur kleinen Schritten für die Menschheit - später auf unseren Mattscheiben eintrafen als die profunden Erörterungen des Fußballprofessors.

Weswegen Réthy schon den Klose-Torjubel anstimmte, obwohl dieser für uns noch gar nicht am Ball war. Das sind vermutlich auch die Naturgesetze: Klose ist schneller als ein Bild. Und nur Réthy weiß es. Das sind eben Profis.

Wie dem auch sei: Dem nicht minder überirdischen ZDF gefiel es jedenfalls, das Testbild, das es für 6 Minuten und 20 Sekunden statt den Übertragungsbildern senden musste, nach schätzungsweise 5 Minuten zu animieren: Auf einmal drehte sich der abgebildete Fußball neben dem Bild Réthys, der darauf ein wenig so aussah wie ein Pilot der Lufthansa, dem man die Lufthansamaschine unter dem Hintern weggestohlen hat: Nur noch Kopfhörer und Mikrofon waren ihm geblieben.

Der animierte, durchdrehende Mainzer Fußball aber muss wohl als so etwas wie der gelungene Versuch der Mainzelmännchen begriffen werden, das Rumpelspiel der Deutschen zu simulieren: Nichts bewegt sich, aber wenigstens der Ball. Und übrigens: Ebenso matt wie die Scheibe waren da längst wir Zuschauer davor. Fi-na-le! Oh, oh!

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