Türkische Chronik XXXVI:"Die Unterdrückten werden ihre innere Stärke wiederfinden"

Nach dem Referendum in der Türkei

Nach dem Referendum in der Türkei: Eine Frau schaut am 18.04.2017 am Taksim-Platz in Istanbul (Türkei) auf ihr Handy.

(Foto: dpa)

Nach dem Referendum brodelt es weiter in der Türkei. Und es stellt sich die Frage, wie die Opposition nun vorgeht.

Von Yavuz Baydar

Der Kampf, der nach dem Referendum ausgebrochen ist, wird nicht so schnell ein Ende finden. Die Türkei versinkt tiefer in der Krise. Das Nein-Lager bei der Volksabstimmung hatte insgeheim einen klaren Sieg der Ja-Sager befürchtet, 55 Prozent Zustimmung oder mehr - das hätte die Opposition in selbstmörderische Depressionen gestürzt. Der knappe Ausgang und der starke Glaube, dass die Wahl manipuliert wurde, haben dagegen neue Kräfte mobilisiert.

Protest auf Straßen und Plätzen scheint nun wieder das Mittel der Wahl für jene zu sein, die sich Erdoğans "Weg in die Tyrannei" entgegenstemmen wollen. Wenn jetzt die Opposition und internationale Wahlbeobachter gegen Erdoğan und die von ihm kontrollierten Gerichte stehen, offenbart dies die Maschinerie von Lügen und Manipulation noch klarer als zuvor. Erdoğans Gegner sind am 17. April mit einer noch größeren Angst und Verachtung für dessen Machtapparat erwacht.

Erdoğan ist nicht geschwächt

Im Augenblick aber sehen wir nur einen Tumult, nichts weiter. Er könnte zu einer echten Widerstandswelle heranwachsen, wie man sie etwa in Venezuela sieht. Oder aber verebben und versanden, wie man es schön öfter in der Türkei erlebt hat.

Klar scheint mir zu sein, dass Erdoğan nicht geschwächt ist. Wer sagt, er habe jetzt nur einen Pyrrhussieg errungen, verdreht die Realität, das ist reines Wunschdenken. Vielleicht hat Erdoğan nicht hoch gewonnen, aber er hat auch nicht verloren. Nach den Juliwahlen von 2015 stand er jedenfalls schwächer da.

Damals hat er nur vier Monate gebraucht, um in den Modus der Wahlwiederholung umzuschalten, aus dem er im November 2015 dann stärker denn je hervorging. Heute steht ihm ein Mittel zur Verfügung, das er damals nicht hatte - der Ausnahmezustand, den er unmittelbar nach dem Referendum verlängerte. Dieser verschafft ihm die Macht, per Dekret zu regieren, und nahezu vollständige Kontrolle über das Militär. So steuert er auf den krönenden Abschluss seines politischen Abenteuers zu - den fest eingeplanten Sieg bei den Präsidentschaftswahlen im August 2019, nach dem er seine Mission, irreversible Veränderungen im politischen System der Türkei durchzusetzen, als vollendet betrachten kann.

So viel ist klar. Aber was ist mit der Opposition? Hat sie diesem Plan etwas entgegenzusetzen?

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