"Wir möchten über unser Leid sprechen und würden uns freuen, wenn Sie uns zuhören", stand in einer Nachricht, die mich erreichte, als ich gerade in Europa war. Eine Gruppe von sieben Geschäftsmännern, die mehr oder weniger der Gülen-Bewegung zugerechnet werden können, wollte mich treffen. Einige von ihnen waren gezwungen worden, die Türkei zu verlassen. Andere lebten schon länger in Europa und fühlten sich dort vom türkischen Geheimdienst bespitzelt.
Erdoğan hatte sie 2012 noch lobend als "anatolische Tiger" bezeichnet. Knallharte Geschäftsmänner, die einst für den Einzug der Globalisierung in die Türkei gestanden hatten. Als wir uns trafen, merkte ich, dass nicht mehr viel von ihrem einstigen Selbstbewusstsein übrig geblieben war. Sie wirkten niedergeschlagen. Kein Wunder. Erdoğans Krieg gegen die Gülen-Bewegung hat ein Ausmaß erreicht, dass an eine mittelalterliche Hexenjagd erinnert.
Ich war schockiert, als ich erfuhr, wie brutal selbst entfernte Gülen-Anhänger behandelt wurden. Ich hörte Geschichten von Folter, Erpressung, Bespitzelung naher Verwandter und von Familien, die an den Schikanen zerbrochen waren. Dann erzählten mir die Männer, wie ein gewaltiger Teil ihrer Besitztümer und ihres Vermögens beschlagnahmt und Anhängern der AKP übergeben worden war. Sie zählten große und mittelständische Unternehmen auf, die nun bankrott waren und deren Geschäftsführer entweder im Gefängnis saßen oder ins Ausland geflüchtet waren. Sie schätzten, dass die Regierung insgesamt 70 bis 90 Milliarden Euro konfisziert hatte. Viele hatten erlebt, wie ihre Unternehmen mit Tausenden Beschäftigten von einem Tag auf den anderen zerstört worden waren - aufgrund des Notstands und der Anti-Terror-Gesetze.