"Wer wird die Nachfolge von Ahmed Rızâ Bey antreten?", fragte ich in die Runde, und dieser Scherz wurde mit einem Lachen belohnt. Einige der Anwesenden zeigten auf ältere Leute, die im Raum verteilt standen. Das führte zu noch mehr Lachen.
Vergangenen Freitag fand in einem Ballsaal in einem Kölner Hotel eine mit großen Hoffnungen erwartete Veranstaltung statt: Der Launch des neuen Fernsehsenders Arti TV, der Unabhängigkeit, kritische Inhalte und Meinungsvielfalt verspricht.
Er ist ein Partner der Online-Nachrichtenseite Artigercek und wird von der niederländischen Art Media Foundation unterstützt. Man hofft nun, dass diese unabhängigen Förderer dem Sender zur Institutionalisierung verhelfen können.
Yavuz Baydar ist kein Korrespondent der Süddeutschen Zeitung, sondern ein türkischer Gastautor. Er wurde 1956 geboren und ist Journalist, Blogger und Mitgründer von P 24, einer unabhängigen Medienplattform in Istanbul. Für seine Arbeit wurde er 2014 mit dem European Press Prize ausgezeichnet. Er hält sich derzeit außerhalb der Türkei auf. Für die SZ schreibt regelmäßig Gastbeiträge.
Bei der Feier waren etliche türkische und deutsche Journalisten versammelt. Doch waren es die Dissidenten, die mich an die berühmten "Jungtürken" denken ließen, die sich vor über 100 Jahren gründeten.
Ahmed Rızâ Bey war einer der Gründer der Jungtürken, die sich gegen den damaligen osmanischen Sultan Abdülhamid II. auflehnten. Seit dem Jahr 1878 organisierten sie sich im Untergrund und versuchten, die konstitutionelle Monarchie wiedereinzuführen. Sie verteilten sich von Thessaloniki bis in den restlichen Balkan. Einige ließen sich sogar in Paris nieder. Das Exil gehörte so lange zur Tradition der türkischen Opposition, bis der Sultan gestürzt wurde.
Exil vor allem in Deutschland
Nun steht wieder eine Verfassungsänderung historischen Ausmaßes an. Viele Freiheitssuchende, die das Gefängnis oder die Verbannung fürchten müssen, flüchten sich ins Ausland, diesmal jedoch vor allem nach Deutschland als Epizentrum und politischen Magneten für demokratische Oppositionen und unabhängige Medien.
Da Erdoğan fast alle kritischen Sender vom Regierungssatelliten Turksat und den digitalen Plattformen verdrängt hat, versucht Arti TV, die Zuschauer über den Satelliten Hotbird zu erreichen.