Wie bei früheren Massakern ist das Entsetzen groß. Der Terrorakt trägt zur sozialen Polarisierung bei und wirkt sich negativ auf den Tourismus aus. Er zeigt, wie ineffizient der türkische Sicherheitsapparat geworden ist. Was ist schiefgelaufen?
Ausländische Beobachter und Diplomaten sind sich einig, dass das Problem mit den institutionellen Umbildungen in der Türkei zu tun hat. Diese setzten lange vor dem Putschversuch im Juli 2016 ein. Sie sollten die Anhänger des Predigers Fethullah Gülen bekämpfen, die für Erdoğan "innere Feinde" sind. In den vergangenen fünf Monaten wurde daraus eine Säuberungswelle. Sie schwächte den Geheimdienst und verursachte Chaos. Umbesetzungen innerhalb der Polizei schienen oft eher die Parteiloyalität als andere Verdienste der Beförderten zu belohnen - nicht gerade ein Zeichen für deren Kompetenz. Die Ermordung des russischen Botschafters Andrej Karlow durch einen türkischen Polizisten vor Weihnachten schürte die Angst, der Sicherheitsapparat könnte bereits vom Dschihadismus infiltriert sein.
Der Anführer des IS nannte die Türkei "Dienerin des Kreuzes" und rief zum Kampf auf
Trotz der gestiegenen Todesrate in den vergangenen anderthalb Jahren ist nicht ein einziger Minister oder Bürokrat zurückgetreten. Von offizieller Seite hört man stets dieselbe Phrase: "Wir müssen vereint bleiben." Doch hinter dem Terror steht ein anderes "Monster". Erdoğans eilige Kehrtwende in der Syrien-Politik zugunsten einer neuen Verständigung mit Russland bedeutet, dass er die syrische Opposition im Stich lässt. In Aleppo hatte das bereits Folgen, in Al-Bab kämpften türkische Soldaten gegen Ableger von Al-Qaida - sehr zum Ärger der Dschihadisten. Der bevorstehende Kampf um Idlib, einen dschihadistischen Stützpunkt nahe der türkischen Grenze, wird ihren Zorn anfachen.
Abu Bakr al-Baghdadi, der Anführer des IS, nannte die Türkei "Dienerin des Kreuzes" und rief zum Kampf auf. Die AKP erntet, was sie gesät hat. Sie hätte besser daran getan, nicht in den syrischen Konflikt einzugreifen. Nun muss sie sich gegen den Dschihadismus auf eigenem Boden rüsten. Geht der Terror weiter, während die Regierenden mit grobmotorischen Reflexen antworten und ihre autoritäre Ordnung verfestigen, wird er das dünne soziale Gewebe des Landes zerreißen.
- "Jetzt droht eine eiserne Zeit" (I)
- "Der Türkei droht das Ende eines unabhängigen Journalismus" (II)
- "Wir haben es mit massiven 'Säuberungen' zu tun" (III)
- "Die Verhaftungswellen hören nicht auf" (IV)
- "Ausnahme ist kein Zustand" (V)
- "Erdoğan treibt die türkischen Eliten ins Ausland" (VI)
- "Die Hexenjagd hat begonnen" (VII)
- "Erdoğan regiert per Dekret - was das heißt, weiß in der Türkei jeder" (VIII)
- "Erdoğan vollzieht den 'zivilen Staatsstreich'" (IX)
- "Erdoğan begünstigt Manipulation und Desinformation" (X)
- "Schweigen ist jetzt der Feind der Demokratie" (XI)
- "Die Türkei nimmt Angehörige in Geiselhaft" (XII)
- "'Sie werden sterben wie Kanalratten'" (XIII)
- "Wo sind die AKP-Mitglieder, die am Putsch teilgenommen haben?" (XIV)
- "Italien sollte sich lieber um die eigene Mafia kümmern" (XV)
- "Warum man Erdoğan nicht trauen kann" (XVI)
- "Du bist als nächstes dran" (XVII)
- "Wir wollen Exekutionen" (XVIII)
- "Jeder ist verdächtig" (XIX)
- "Exodus der türkischen Elite" (XX)
- "Ist es ein Verbrechen, mit einem Reporter verheiratet zu sein?" (XXI)
- "Erdoğan hält die Massen in explosiver Hypnose" (XXII)
- "Es ist Zeit aufzuwachen" (XXIII)
- Türkische Chronik (I): Wie die AKP Verschwörungstheorien über den Putsch befeuert
- Enteignungen wie im Osmanischen Reich (II)
- Haftbefehl ohne Grund (III)
- Man muss die Dinge beim Namen nennen (IV)
- Die alten Foltermethoden sind zurück in der Türkei (V)
- "Man sollte uns unseren richtigen Job machen lassen" (VI)
- Türkei zieht Schrauben der Unterdrückung weiter an (VII)
- "Bedauerlich, dass wir Journalisten das Hauptthema der Nachrichten sind"(VIII)
- Erdoğan plant eine Islamisierung der Schulen (IX)
- Was geschah wirklich in der Nacht vom 15. Juli? (X)
- Die Türkei steht kurz vor einem Bürgerkrieg (XI)
- Wie lange wird die EU der schrecklichen Eskalation standhalten? (XII)
- Verhaftete türkische Journalisten sollten Ehrenbürger werden (XIII)
- Die Kurden verlieren ihre Heimat (XIV)
- Erdoğan fegt sie einfach weg (XV)
- Erdoğan und Trump - Die Zeichen stehen auf hässliche Realpolitik (XVI)
- War der Militärputsch vorhersehbar? (XVII)
- Demokratie in der Türkei - wenn alles zerrinnt (XVIII)
- Russland wird seine Chance nutzen (XIX)
- Das Jahr eines intensiven Albtraums (XX)
- Die AKP erntet, was sie gesät hat (XXI)
- Erdoğan nähert sich seinem Ziel (XXII)
- Der Todeskampf des türkischen Schulsystems (XXIII)
- Jazz war Aktionismus (XXIV)
- Scheidung - und dann? (XXV)
- Sie wollen alle Fremdkörper "entfernen" (XXVI)
- Das Land der Fäulnis (XXVII)
- Nur noch ein kurzer Weg zum Faschismus (XXVIII)
- Die Presse als erstes Angriffsziel (XXIX)
- Prozess als Farce (XXX)
- Die neuen Jungtürken aus Köln (XXXI)
- Berufsverbot für Akademiker (XXXII)
- Dinner mit den Underdogs (XXXIII)
- Das Bangen vor dem Referendum (XXXIV)
- Mit der Türkei, wie wir sie kennen, ist es vorbei (XXXV)
- Die Unterdrückten werden ihre innere Stärke wiederfinden (XXXVI)
- Man muss auf eine demokratische Alternative hoffen (XXXVII)
- Wie weit kann man die Grausamkeit noch treiben? (XXXVIII)
- Bücher in die Verbannung (XXXIX)
- Rechtfertigen Erdoğans Schikanen einen Hungerstreik? (XL)
- Wer gegen Erdoğan ist, muss hungern (XLI)
- Jetzt wurde auch noch ein UN-Richter verurteilt (XLII)
- Das Messer hat den Knochen getroffen (XLIII)
- "Es wird ein Tag kommen, an dem das Land explodiert" (XLIV)
- Die Türkei leidet an einem geistigen Ausnahmezustand (XLV)
- Was wir verloren haben, ist schwer wieder herzustellen (XLVI)
- Erdoğan ist das personifizierte Problem der Türkei (XLVII)
- Warum im Ausland lebende Türken an ihrer Liebe zu Erdoğan festhalten (XLVIII)
- Erdoğans neuer Staat naht (XLIX)