Warum das alles? Alle Bemühungen meines Anwalts, herauszufinden, was mir vorgeworfen wird, blieben erfolglos. Alle Akten über die Durchsuchungen sind streng geheim. Jedem klar denkenden Menschen muss das merkwürdig vorkommen. Aber schon seit den Protesten im Gezi-Park kennen wir die zerstörerische Taktik, die gegen Journalisten angewendet wird.
Die türkische Regierung will unbedingt gegen, wie sie sie nennt, Staatsfeinde vorgehen. So kann die Gesellschaft in Alarmbereitschaft gehalten werden, abhängig von den Oberen. Die verlassen sich auf den dauerhaften Ausnahmezustand, der jeden Tag neu ausgerufen wird.
Kritische Medien gelten als Gülen-Anhänger und werden gebrandmarkt, ebenso die kurdischen Medien, weil sie angeblich die PKK unterstützen. Jegliche journalistische Integrität soll getilgt werden. Kürzlich hat der türkische Sicherheitsrat den Gülen-Anhängern und den Kurden den Krieg erklärt, und er will sich besonders auf ihre Medien konzentrieren.
Die Logik ist einfach: Es geht nicht darum, was man berichtet oder kommentiert, sondern nur darum, für welche Medien man arbeitet. Wenn man Erdoğans Politik kritisch hinterfragt, ist man automatisch Persona non grata. Man mag entlassen worden sein, aber wenn man weiter auf unabhängigem Journalismus besteht, führt der Weg direkt vor Gericht oder ins Gefängnis.
Ironischerweise wird dem Westen vorgemacht, diese Tortur geschehe als Folge des blutigen Putschversuchs, im Namen der gefeierten Demokratie. Es ist paradox, dass die Unterdrückung weiter eskaliert und wir gleichzeitig glauben sollen, der Wille des Volks habe die Putschisten niedergerungen.
Ohne Abfindung entlassen
Das ist eine Carte blanche, das verfassungsmäßige Recht auf unabhängige Berichterstattung und das öffentliche Recht auf Information auszuradieren.
Es ist schwer, als Medienschaffender nicht zu verzweifeln. Was kann ich meinen Kollegen sagen? Mein eigenes Schicksal belastet mich genug. Ich habe lange für einen Medien-Ombudsmann gearbeitet. Meine kritischen Kolumnen wurden während der Gezi-Proteste zweimal zensiert - unter anderem, weil ich es für unangemessen hielt, dass das Regierungssprachrohr Sabah die internationalen Medien verdammte. Als ich aufdeckte, dass der Inhaber des Mediums führend an der Verleumdung beteiligt war, wurde ich ohne Abfindung entlassen.
Als freier Journalist gründete ich 2013 die Plattform P 24 für unabhängigen Journalismus, um Projekte zu entwickeln und arbeitslosen Kollegen zu helfen. Seit 2014 wurde eine Zeitung nach der anderen geschlossen.
Alles, was ich kann, ist schreiben und aufklären
Je mehr man über Machtmissbrauch, den Umgang mit Syrien und Korruption berichtete, desto unsicherer wurde das Feld. Diesen Sommer wurde klar, dass es keine Stellen für freiheitlich denkende Journalisten mehr gibt. Nach den aktuellen Festnahmen sind 150 Kollegen im Gefängnis. Würden sie alle morgen durch ein Wunder entlassen, dürfte dennoch keiner von uns seinen Beruf ausüben.
Ich bin sprachlos und wie betäubt. Es schmerzt, dass ich ins Exil gedrängt werde, getrennt von meinem geliebten und geschundenen Land. Alles, was ich kann, ist schreiben und aufklären. Das werde ich weiterhin tun.
- "Jetzt droht eine eiserne Zeit" (I)
- "Der Türkei droht das Ende eines unabhängigen Journalismus" (II)
- "Wir haben es mit massiven 'Säuberungen' zu tun" (III)
- "Die Verhaftungswellen hören nicht auf" (IV)
- "Ausnahme ist kein Zustand" (V)
- "Erdoğan treibt die türkischen Eliten ins Ausland" (VI)
- "Die Hexenjagd hat begonnen" (VII)
- "Erdoğan regiert per Dekret - was das heißt, weiß in der Türkei jeder" (VIII)
- "Erdoğan vollzieht den 'zivilen Staatsstreich'" (IX)
- "Erdoğan begünstigt Manipulation und Desinformation" (X)
- "Schweigen ist jetzt der Feind der Demokratie" (XI)
- "Die Türkei nimmt Angehörige in Geiselhaft" (XII)
- "'Sie werden sterben wie Kanalratten'" (XIII)
- "Wo sind die AKP-Mitglieder, die am Putsch teilgenommen haben?" (XIV)
- "Italien sollte sich lieber um die eigene Mafia kümmern" (XV)
- "Warum man Erdoğan nicht trauen kann" (XVI)
- "Du bist als nächstes dran" (XVII)
- "Wir wollen Exekutionen" (XVIII)
- "Jeder ist verdächtig" (XIX)
- "Exodus der türkischen Elite" (XX)
- "Ist es ein Verbrechen, mit einem Reporter verheiratet zu sein?" (XXI)
- "Erdoğan hält die Massen in explosiver Hypnose" (XXII)
- "Es ist Zeit aufzuwachen" (XXIII)
- Türkische Chronik (I): Wie die AKP Verschwörungstheorien über den Putsch befeuert
- Enteignungen wie im Osmanischen Reich (II)
- Haftbefehl ohne Grund (III)
- Man muss die Dinge beim Namen nennen (IV)
- Die alten Foltermethoden sind zurück in der Türkei (V)
- "Man sollte uns unseren richtigen Job machen lassen" (VI)
- Türkei zieht Schrauben der Unterdrückung weiter an (VII)
- "Bedauerlich, dass wir Journalisten das Hauptthema der Nachrichten sind"(VIII)
- Erdoğan plant eine Islamisierung der Schulen (IX)
- Was geschah wirklich in der Nacht vom 15. Juli? (X)
- Die Türkei steht kurz vor einem Bürgerkrieg (XI)
- Wie lange wird die EU der schrecklichen Eskalation standhalten? (XII)
- Verhaftete türkische Journalisten sollten Ehrenbürger werden (XIII)
- Die Kurden verlieren ihre Heimat (XIV)
- Erdoğan fegt sie einfach weg (XV)
- Erdoğan und Trump - Die Zeichen stehen auf hässliche Realpolitik (XVI)
- War der Militärputsch vorhersehbar? (XVII)
- Demokratie in der Türkei - wenn alles zerrinnt (XVIII)
- Russland wird seine Chance nutzen (XIX)
- Das Jahr eines intensiven Albtraums (XX)
- Die AKP erntet, was sie gesät hat (XXI)
- Erdoğan nähert sich seinem Ziel (XXII)
- Der Todeskampf des türkischen Schulsystems (XXIII)
- Jazz war Aktionismus (XXIV)
- Scheidung - und dann? (XXV)
- Sie wollen alle Fremdkörper "entfernen" (XXVI)
- Das Land der Fäulnis (XXVII)
- Nur noch ein kurzer Weg zum Faschismus (XXVIII)
- Die Presse als erstes Angriffsziel (XXIX)
- Prozess als Farce (XXX)
- Die neuen Jungtürken aus Köln (XXXI)
- Berufsverbot für Akademiker (XXXII)
- Dinner mit den Underdogs (XXXIII)
- Das Bangen vor dem Referendum (XXXIV)
- Mit der Türkei, wie wir sie kennen, ist es vorbei (XXXV)
- Die Unterdrückten werden ihre innere Stärke wiederfinden (XXXVI)
- Man muss auf eine demokratische Alternative hoffen (XXXVII)
- Wie weit kann man die Grausamkeit noch treiben? (XXXVIII)
- Bücher in die Verbannung (XXXIX)
- Rechtfertigen Erdoğans Schikanen einen Hungerstreik? (XL)
- Wer gegen Erdoğan ist, muss hungern (XLI)
- Jetzt wurde auch noch ein UN-Richter verurteilt (XLII)
- Das Messer hat den Knochen getroffen (XLIII)
- "Es wird ein Tag kommen, an dem das Land explodiert" (XLIV)
- Die Türkei leidet an einem geistigen Ausnahmezustand (XLV)
- Was wir verloren haben, ist schwer wieder herzustellen (XLVI)
- Erdoğan ist das personifizierte Problem der Türkei (XLVII)
- Warum im Ausland lebende Türken an ihrer Liebe zu Erdoğan festhalten (XLVIII)
- Erdoğans neuer Staat naht (XLIX)