Süddeutsche Zeitung

Türkei nach dem Militärputsch:Verschwörungstheorie um den türkischen Jack Bauer

Die Macher der türkischen TV-Serie "Tal der Wölfe" planten einen Film, der von einem Putsch handelt - und zwar schon vor dem tatsächlichen Putsch. Zufall?

Von Gökalp Babayigit

Nach dem Putschversuch in der Türkei haben Verschwörungstheorien Konjunktur. Unterstützer von Präsident Recep Tayyip Erdoğan beschuldigen das Ausland, die Aufrührer unterstützt zu haben, während Kritiker der AKP-Regierung den Präsidenten selbst als Regisseur eines inszenierten Putschversuchs sehen. Bei Vergeltungsaktionen des Staates werden nicht nur Soldaten und Journalisten, sondern auch Autorinnen wie Asli Erdoğan und Ex-Fußballer wie Hakan Şükür verhaftet.

Jetzt haben die Verschwörungstheoretiker das Showbusiness entdeckt: Die Macher der erfolgreichen TV-Sendung "Tal der Wölfe" nämlich, so wurde nun bekannt, wollten für die dritte Spielfilmauskopplung der Geheimdienst-Serie den Namen "Kurtlar Vadisi - Darbe" (Tal der Wölfe - Putsch) beim türkischen Patent-Institut rechtlich schützen lassen.

Das Problem, das jetzt höchst misstrauisch macht: Das Datum der Anmeldung ist der 24. Mai - also knapp zwei Monate vor dem Putsch. Die Website kurtlarvadisidarbe.com wurde sogar schon am 18. Mai angemeldet.

Der Protagonist ist eine Art türkischer Jack Bauer mit noch weniger Mimik

Im Netz überschlagen sich nun die Menschen mit Fragen und Theorien, ist "Tal der Wölfe" doch nicht irgendeine Serie - und hat sie doch eine Vorgeschichte: Die Abenteuer des Agenten Polat Alemdar (Necati Şaşmaz) - eine Art türkischer Jack Bauer mit noch weniger Mimik - wollten schon des Öfteren der Realität nahekommen. Im ersten Kinofilm "Tal der Wölfe - Irak" wurden US-Soldaten als Kriegsverbrecher dargestellt. Im zweiten, "Palästina", nahmen die Türken Rache für einen Angriff auf die türkische Gaza-Flotte - die fiktive Fortsetzung der realen Geschichte der Mavi Marmara, die 2010 auf dem Weg nach Gaza die Seeblockade durchbrach und von Israels Marine gestoppt wurde.

Und dann ist da noch die Sache mit den Ein-Dollar-Noten, die vor zwei Jahren in der Serie Mitgliedern einer staatsfeindlichen Geheimorganisation als Erkennungszeichen galten - und die nun auch in der realen Welt bei Soldaten gefunden worden seien, die Fethullah Gülen nahestehen - jenem Mann, den Erdoğan als Drahtzieher des Putsches sieht.

Alles Zufall - oder wissen die Filmemacher mehr, als sie wissen sollten? Ein Marketing-Erfolg scheint ihnen jedenfalls gelungen zu sein.

Allerdings wird ihr Film einen neuen Titel brauchen: Habip Asan, Chef des Patentinstituts, teilte mit, die Anfrage für "Tal der Wölfe - Putsch" sei abgelehnt worden. Man befinde sich im Ausnahmezustand, so Asan. Die Botschaft: Nur relevante Anfragen aus der Wirtschaft würden derzeit genehmigt.

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Quelle:
SZ vom 23.08.2016
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