Süddeutsche Zeitung

Urteil gegen Schriftstellerin:Jeder Tweet könnte Knast bedeuten

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In ihrer Heimat ist die simbabwische Friedenspreisträgerin des Deutschen Buchhandels Tsitsi Dangarembga wegen eines Plakats verurteilt worden.

Von Jonathan Fischer

Das Urteil gegen die simbabwische Schriftstellerin Tsitsi Dangarembga, Trägerin des Friedenspreises des deutschen Buchhandels 2021, hat weit über die Landesgrenzen hinaus Protest ausgelöst: Sowohl Amnesty International als auch Human Rights Watch verurteilten den "Anschlag auf die Meinungsfreiheit". Cornelia Zetzsche, die Vizepräsidentin des Schrifstellerverbands PEN Deutschland, sprach von einem "aufreibenden Verfahren mit manipulierten Beweisstücken und falschen Zeugenaussagen".

Und der bekannte simbabwische Journalist Hopewill Chin'ono, der wegen seiner Korruptionsrecherchen auch schon selbst im Gefängnis saß, twitterte: "Das repressive Regime von (Präsident Emmerson) Mnangagwa wird es bereuen. Sie haben das weltweite Rampenlicht auf Simbabwe gelenkt, und Simbabwe braucht das". Dangarembga war am vergangenen Donnerstag von einem Gericht in Harare zu sechs Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden.

Zur Begründung hieß es, Dangarembga habe mit dem Tragen eines Plakates zu "öffentlicher Gewalt aufgestachelt". Das Plakat, mit dem die simbabwische Schriftstellerin am 31. Juli 2020 zusammen mit ihrer Freundin Julie Barnes friedlich durch die Hauptstadt Harare spaziert war, trug die Aufschrift: "We want better. reform our institutions".

Bürger und Medien in Simbabwe sehen weniger Spielraum für Meinungsäußerungen

"Unsere Herzen", erklärte Dangarembga unmittelbar nach Verkündung des Urteils, "sind...schwer, weil diese Verurteilung einen Präzedenzfall statuieren könnte, dass eine Person in Simbabwe nicht die Freiheit hat....eine Straße entlang zu laufen um friedliche Botschaften zu zeigen".

Sowohl die Bürger als auch die Medien Simbabwes sehen ihren Spielraum für öffentliche Meinungsäußerungen zunehmend schrumpfen. Wer dennoch Kritik wagt, läuft Gefahr kriminalisiert zu werden oder gar jahrelang ohne jeden Prozess im Gefängnis zu landen- wie der Oppositionspolitiker Job Sikhale, der bereits länger in Untersuchungshaft sitzt, als die Haftstrafe für sein angebliches Verbrechen betragen würde.

Barbara Gröblinghoff, die Projektleiterin der Friedrich-Naumann-Stiftung in Simbabwe, sagt, es gehe offensichtlich darum, an einer der bekanntesten Autorinnen Simbabwes ein Exempel zu statuieren: "Die Richterin ließ das Recht auf Meinungsfreiheit nur gelten, wenn man sie nicht in der Öffentlichkeit mit anderen teile. Das heißt, dass von nun an jeder Tweet, jede Äußerung auf sozialen Medien für Dangarembga potenziell der Weg in den Knast bedeutet".

Der demokratische Machtwechsel in Sambia macht die Regierung in Simbabwe nervös

Als der simbabwische Präsident Emmerson Mnangagwa 2017 die Macht übernahm, hofften die Menschen seines Landes nach dem Jahrzehnte langen repressiven Regime von Robert Mugabe auf Reformen. Doch es änderte sich wenig. Im Gegenteil: Mnangagwa richtete Sondergerichte ein, die ihm persönlich unterstehen. Diese beschäftigen sich nun - wie im Fall Dangarembga und Barnes - zunehmend mit der Aburteilung von Regimekritikern.

"Weil das Regime es nicht schafft, zusätzlich zu Fernsehen und Radio auch die sozialen Medien flächendeckend zu kontrollieren", sagt Gröblinghoff "bleiben nur die sozialen Medien als Ort des Widerstands". Die Regierenden agierten zunehmend hysterisch - vor allem seitdem bei freien Wahlen im Nachbarland Sambia die Regierungspartei ihren Platz für die Opposition räumen musste. Um eine ähnliche Mobilisierung junger Wähler in Simbabwe zu verhindern, setze man auf ein System der Abschreckung.

"Wir werden eingeschüchtert", schrieb die Autorin am Donnerstag, "um still und tatenlos zu verharren, während Unterdrückung und Korruption zunehmen, ... während unsere Hoffnung für die Zukunft unser Kinder schwindet. Dangarembga hat angekündigt, gegen das Urteil in Berufung zu gehen.

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