Architektur:Eine alternative Mauer für den Herrscher über die alternativen Fakten

Falsch verstanden: Münchner Architekten wollten Trumps Mauerpläne karikieren. Aber die Satire verkehrte sich ins Gegenteil.

Von Gerhard Matzig

So hat man sich das Reich des Bösen ja auch immer vorgestellt: München, Lindwurmstraße 11, ein gesichtsloser Bürobau aus dunklem Naturstein, rechts davon befindet sich das Hotel "Carat", links ein Baufinanzierer. Zwischen Sendlinger Tor und Theresienwiese scheint sich das Büro Leupold Brown Goldbach Architekten (lbgo) irgendwie in der Adresse geirrt zu haben. Hier haben alle möglichen Anwälte und Steuerexperten ihre Kanzleien. Das Haus wirkt einigermaßen seriös, ziemlich scheußlich und überaus anonym. Beim Schild des Architekturbüros ist immerhin zu lesen "Klingel kaputt, bitte klopfen". Das klingt nun auch nicht gerade nach Reich des Bösen.

Die Münchner Architekten wollen Trumps Mauer definitiv nicht realisieren, sondern karikieren

"Und außerdem", sagt Andreas Leupold, 44, der ein freundliches Lächeln zum Dreibisfünftagebart im Gesicht trägt, "hat sich die Sache mit der Anonymität ja nun erledigt. Prima." Das ist allerdings ironisch gemeint. Sein Kollege kommt hinzu, Christian Goldbach. Der, 42 Jahre alt, hatte am Telefon gesagt, man solle gleich mal vorbeikommen, "es scheint gerade die Sonne ins Büro". Ganz richtig ist das nicht, denn eigentlich hagelt es zu diesem Zeitpunkt Anfragen von Journalisten, die wissen wollen, ob das denn stimme, was die SZ am 30. März im Wirtschaftsteil berichtet hat. Dass nämlich das Münchner Architekturbüro lbgo in den USA auf einer Liste jener Firmen stehe, die sich um den Bau von Donald Trumps Mauer bewerben.

Richtig daran ist, dass die jungen Architekten, die zusammen mit ihrem Partner Wyly Brown, der in Boston ansässig ist, seit drei Jahren ein deutsch-amerikanisches Architekturbüro mit insgesamt 19 Mitarbeitern führen, und auf dieser Liste des amerikanischen Heimatschutzministeriums stehen. Nur ist das nicht die ganze Geschichte.

In diesem Fall lässt sich sagen: Der Eindruck, das Büro lbgo wolle Trumps Mauer bauen, führt schon deshalb in die Irre, weil die Architekten auf dem Facebook-Konto des Büros seit Wochen das genaue Gegenteil unternehmen. Von Architekten, Designern und Künstlern aus aller Welt haben sie seit 26. Februar unter dem Hashtag "AltWall" Entwürfe und Ideen, Skizzen und Renderings gesammelt, die Trumps Wunschmauer ganz bewusst unterlaufen. Möglicherweise haben die Architekten es versäumt, das auch so in aller Klarheit zu vermitteln. Jedenfalls steht fest: Die Münchner Architekten wollen Trumps Mauer definitiv nicht realisieren, sondern karikieren. Dem Herrscher über die alternativen Fakten, Trump, wollen sie eine alternative Mauer anbieten. Keine, die ausgrenzt, sondern eine, die für Offenheit und Teilhabe sorgt. Eine Anti-Mauer.

Im Münchner Büro an der Lindwurmstraße hängen nun als vorläufiges Ergebnis der noch laufenden Facebook-AltWall-Aktion viele Poster vor dem Kickerkasten, die alle möglichen "Mauern" zeigen. Beispielsweise Mauern, die nicht aus Steinen, sondern aus fröhlichen Sonnenschirmen bestehen. Oder ein langer Tisch, festlich eingedeckt, der dazu einlädt, dass sich Mexikaner auf die eine Seite zum Friedensmahl setzen und Amerikaner auf die andere. Eine weitere Idee: eine Mauer aus Windrädern, weil um diese Mauer halt auch sehr viel Wind gemacht wird. Oder eine Mauer aus Stäben, die zum Kinderspielgerät umgebaut werden kann, zu einer Mischung aus Mikado und Wippe.

Warum sich die Architekten dann aber auf die Liste der Bewerber haben setzen lassen? Um ihr Projekt weiterzutreiben und um am Ende die Kunstaktion gegen die Mauer einzureichen. Denn die beiden Münchner Architekten würden "so eine echte Mauer zwischen Ländern ganz bestimmt nicht bauen".

Das Büro lbgo wäre viel zu klein für den Mauerbau, aber das Image hat schon gelitten

Das ist glaubhaft, denn abgesehen von der Facebook-Aktion sprechen die grundsätzlich friedlichen Entwürfe des Büros für Dorfstrukturverdichtungen, Kitas oder Jugendzentren eine Sprache, die in offenen Gesellschaften verstanden wird. Die Architekten, die sich im Büro von Stefan Behnisch kennengelernt haben, dem Sohn des Olympia-1972-Architekten Günter Behnisch, einem der Erfinder der "demokratischen Architektur", fühlen sich "humanistischen Idealen verpflichtet". Außerdem, erzählt Christian Goldbach, hätten sie die amerikanischen Wettbewerbsvorgaben (etwa den Jahresumsatz als Planerbüro) gar nicht erfüllen können, da sie vergleichsweise zu klein als Büro sind. Das sei ja von vorneherein klar gewesen.

Die Kunstaktion hat sich in ziemlich kurzer Zeit in ihr Gegenteil verkehrt

Gar nicht mehr so klar ist aber jetzt das Image des Büros. Goldbach erzählt von Bauherren, die "nun nicht mehr so richtig wissen, was sie von uns halten sollen". Und der Sohn müsse sich in der Waldorfschule schief angucken lassen. Na ja, klar, "als Sohn eines potenziellen Trump-Handlangers . . . " Zum Lachen ist dem Architekten aber nun auch nicht zumute, denn der "Imageschaden ist groß". Die Kunstaktion hat sich in ziemlich kurzer Zeit in ihr Gegenteil verkehrt. Wie so oft, wenn es um Satire geht.

Das wirft allerdings auch die Frage auf, ob man sich als Architekt schon grundsätzlich verdächtig macht, wenn man für politisch umstrittene Bauherren plant und baut. Der berühmte amerikanische Architekt Philip Johnson, der vor zwölf Jahren fast hundertjährig gestorben ist, gestand einmal angesichts dieses Dilemmas: "Ich bin eine Hure" - denn "ich bin ein Künstler". Als Architekt würde er sogar Hitler und Stalin als Bauherren akzeptieren, ja auch "für den Teufel persönlich" würde Johnson bauen wollen. Corbusier sah das übrigens ähnlich: Der diente sich einst dem Dritten Reich als Architekt an.

Die Baugeschichte ist reich an Architekturen für das Böse unter der Sonne. Wann immer deutsche Architekturbüros mit internationaler Reputation, wie etwa Gerkan, Marg und Partner oder das von Albert Speer junior für demokratiefreie Zonen tätig sind, flammt die Diskussion um die Bau-Ethik neu auf. Zu lösen ist sie nur in je persönlicher Weise. Es mag ja in architektonischer Hinsicht gar nicht ehrenrührig sein, wollte man eine Mauer auch als ästhetische Herausforderung begreifen. Wenn man sich aber aus politischer Überzeugung so bewusst wie radikal gegen dieses Vorhaben wendet, dann möchte man nicht gern dastehen als jemand, der danach giert, Trumps Mauer bauen zu dürfen.

Das Münchner Büro lbgo wird noch viele ambitioniert geplante Schulen, Kindertagesstätten oder Mehrgenerationenhäuser bauen. Trumps Wall-Wahnsinn gehört mit Sicherheit nicht dazu. "Eine Haltung zu haben", sagt Christian Goldbach, "ist für einen Architekten wichtig." Eine Haltung ist allerdings auch ein seltenes Bauwerk. Schön, wenn man diesem mal begegnet.

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