Trump Town (V):Haben die Liberalen in Amerika zu viel über Klos diskutiert?

A gender neutral bathroom is seen at the University of California, Irvine

Eine gender-neutrale Toilette in der University of California.

(Foto: REUTERS)

Hillary Clinton habe ständig über Schwarze, Latinos, Frauen, Homo-, Bi- und Transsexuelle geredet und damit eine weitere, zumindest gefühlte Minderheit geschaffen: alle anderen. So erklärt ein amerikanischer Professor Trumps Erfolg.

Kolumne von Peter Richter

Der Kulturkorrespondent der Süddeutschen Zeitung lebt in New York, in derselben Stadt wie Donald Trump. Weil die Überraschung nach der Wahl dort besonders groß war, schreibt er eine tägliche Kolumne.

Man kann diese Tage auch damit verbringen, Mark Lilla zu lesen. Mark Lilla ist dieser Professor für Ideengeschichte an der Columbia University in New York, der mal ein Buch über die "Tyrannophilie" westlicher Intellektueller geschrieben hat, das die Fans von Heidegger genauso wenig gefreut haben kann wie die von Benjamin und Foucault (auf Deutsch: "Der hemmungslose Geist", Kösel Verlag).

Kurz vor den Wahlen und ganz passend dazu erschien jetzt "The Shipwrecked Mind", eine kleine Studie über das reaktionäre Denken. Es geht da um Leute wie Voegelin, Rosenzweig und Leo Strauss, Exilanten aus Deutschland, deren politisches Nostalgisieren man als eine Saat betrachten könnte, die jetzt in Amerika aufgeht, wenn auch überall anders als da, wo diese Leute am ehesten noch ein Begriff sein dürften, an den Universitäten.

Die Liberalen reden sich die Situation mit viel Fantasie schön

Dort herrscht dafür seit einiger Zeit eine ganz andere Obsession, die wiederum heißt "Identity Politics", und in ihren deprimierendsten Vulgarisierungen läuft sie darauf hinaus, digitale Beziehungsnetze von allem zu bereinigen, das nicht dem eigenen Emp- und Befinden entspricht. Es gibt Leute, die ihre sogenannte Timeline so homogen halten, dass dem Ku-Klux-Klan Tränen des Neides durch die Kapuzen rollen müssen.

"Liberale sollten im Hinterkopf behalten, dass das erste identity movement in der amerikanischen Politik der Ku-Klux-Klan war", schreibt nämlich Mark Lilla jetzt in der Sonntagsausgabe der New York Times, und man darf darauf wetten, dass Leute, die das weiterempfehlen, von anderen Leuten aus deren Timeline geworfen werden, denn der Artikel heißt "Das Ende des Identity-Liberalismus: Unsere Fixierung auf Diversity hat uns diese Wahl gekostet - und noch mehr."

Diversity aber ist in Amerika heute oft ungefähr das, was im Ostblock einst "Frieden und Sozialismus" waren: gesetzt und nicht diskutierbar. Der Korrespondent hat sich folgende Stelle markiert: "Identity Politics sind expressiv, nicht persuasiv. Deshalb kann man damit keine Wahlen gewinnen, man kann sie damit aber verlieren." Lilla findet, dass Hillary Clinton durch die dauernde Hervorhebung von Schwarzen, Latinos, Frauen, Homo-, Bi- und Transsexuellen eine weitere Gruppe geschaffen habe, die sich durch diese Rhetorik als vernachlässigte Minderheit fühlen durfte: alle anderen.

Und Lilla schreibt, dass die These vom "Whitelash" - Kurzform für: "white backlash", also der wütenden Gegenreaktion von weißen alten Männern auf den gesellschaftlichen Wandel - eine intellektuelle Faulheit darstelle, mit der sich die Liberalen jetzt die Situation schönredeten: "Sie befeuert die Fantasie, dass die republikanische Rechte langfristig zur demografischen Auslöschung verdammt sei, was bedeuten würde, dass die Demokraten nur darauf warten müssten, bis ihnen das Land in den Schoß fällt. Die überraschend vielen Stimmen der Latinos für Trump sollten uns aber daran erinnern, dass die Minderheiten auch politisch vielfältiger werden, je länger sie da sind."

Und dann der Satz "Um Bernie Sanders zu paraphrasieren: Amerika hat die Nase voll von den verdammten Toiletten der Liberalen".

Dass in der New York Times zuletzt zwei-, drei- oder auch achthundert Mal zu oft von transsexuellen Einheitstoiletten als drängendstem Problem des Landes die Rede war, das ist keine ganz seltene These, um Trump zu erklären jetzt. Der Kulturkorrespondent fand diese Fixierung offen gesagt auch oft so sagenhaft dumm-dumm-dumm-di-dumm, dass er es als Rhythmus mit dem Fuß mitklopfen mochte. Aber das lag vielleicht nur daran, dass er Lillas Artikel Sonntagnacht in einem Lokal las, während er mal musste. In New Yorker Lokalen gibt es aber eh nur ein Klo für alle, und von einer gewissen Uhrzeit an ist das der wahre Skandal.

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