"3/Tres" im Kino:Odyssee in die Einsamkeit

Im Film "3/Tres" von Regisseur Pablo Stoll Wards wird eine Familie liebevoll demontiert und mit der Zärtlichkeit eines Tragikomikers wieder zusammengesetzt. In der Familiengeschichte leben Vater, Mutter und Tochter in ihren eigenen einsamen Welten, denen sie scheinbar nicht entkommen können.

David Steinitz

"3/Tres" im Kino: Vater Rodolfo, Tochter Ana und Mutter Graciela leben in ihren eigenen, einsamen Welten.

Vater Rodolfo, Tochter Ana und Mutter Graciela leben in ihren eigenen, einsamen Welten.

(Foto: ©controlzfilms)

Gleichgültig holt Teenager Ana ihrem Klassenkameraden einen runter, mit der gleichen Apathie, mit der sie abends neben Mama rauchend vor dem Fernseher liegt. Irgendwie müsste es doch mehr Aufregung geben, in diesem Leben aus öden Schulstunden, öden Schulpartys, öden Schulkameraden. Natürlich bieten die Eltern nicht gerade vielversprechende Utopien des Erwachsenenlebens: Mama pendelt verbittert zwischen Arbeit und Krankenhaus, wo ihre Tante im Sterben liegt. Papa ist von seiner neuen Freundin verlassen worden, sitzt einsam und burgermampfend vor dem Fernseher und gönnt sich Kubricks "2001" als Einschlafhilfe.

Pablo Stoll Ward demontiert in "3/Tres" mit chirurgischem Blick eine bürgerliche Kleinfamilie in Montevideo, um sie nach und nach mit der Zärtlichkeit des Tragikkomikers wieder zusammenzusetzen. Seit vielen Jahren ist er, gemeinsam mit seinem Regie- und Drehbuchpartner Juan Pablo Rebella, als einer der wichtigsten Filmemacher aus Südamerika etabliert. Ihre Filme "25 Watts" (2001) und besonders "Whisky" (2004) waren Festivalrenner und kamen weltweit in die Kinos. Das gelingt nicht allzu vielen südamerikanischen Independent-Produktionen und ermöglichte den beiden, sich ein internationales Netz aus Koproduzenten aufzubauen, um von den eher überschaubaren Mitteln der Produktionslandschaft in Uruguay unabhängiger zu sein. Auch am Drehbuch zu "Tres", einer uruguayisch-deutsch-chilenisch-argentinischen Koproduktion, hatten die beiden gemeinsam geschrieben, als Rebello 2006 in Montevideo Selbstmord beging. Es hat dann einige Jahre gedauert, bis Ward sich entschloss, das Projekt allein zu beenden.

Vater, Mutter, Tochter, alle fliehen voreinander in eigene Welten. Ward gibt jedem von ihnen viel Raum, sich selbst und seine Einsamkeit zu zeigen, in längeren Plansequenzen verweilt er bei jedem Familienmitglied, ohne hektisch zu schneiden und künstlich Tempo zu erzeugen.

Die riesige Topfpflanzensammlung in der Zahnarztpraxis

Vater Rodolfo bezieht mit seiner riesigen Topfpflanzensammlung seine Zahnarztpraxis und macht diese zum Dschungel, nachdem sich die neue Freundin als Fehlgriff erwiesen hat. Er wird gespielt von Humberto de Vargas, einem in Uruguay überaus bekannten Schauspieler, Moderator und Sänger. Mutter Graciela (Sara Bessio) verliebt sich im Krankenhaus in einen Mann, der ebenfalls jede Nacht abgekämpft auf der Station erscheint, um einen Verwandten zu pflegen. Eine Verliebtheit, die nur so lange funktioniert, wie es ihr gelingt, alle Probleme mit ihrem anhänglichen Ex-Ehemann und der verträumten Tochter auszublenden.

Tochter Ana (Anaclara Ferreyra Palfy) widmet sich Ward mit der größten Leidenschaft, beobachtet sie auf ihren stundenlangen Spaziergängen beim Schulschwänzen, wie sie sich in ihrer Wirkung auf Männer ausprobiert und sich aus Langeweile vom Handwerker entjungfern lässt. Der ist in der Wohnung, weil Papa Rodolfo spürt, dass seine beiden Frauen ihm immer mehr entgleiten, und sich seinen alten Platz als Familienhäuptling zurückerobern will. Also spendiert er ihnen in seiner Unbeholfenheit eine Komplettrenovierung und macht das Leben der Familie wortwörtlich und endgültig zur Baustelle.

Tres, Uruguay 2012 - Regie: Pablo Stoll Ward. Buch: Gonzalo Delgado Galiana, Pablo Stoll Ward. Kamera: Bárbara Álvarez. Mit: Humberto de Vargas, Sara Bessio, Anaclara Ferreyra Palfy, Néstor Guzzini, Matías Ganz. Real Fiction, 119 Minuten.

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