Süddeutsche Zeitung

Trauerfeier in Los Angeles:Ein letzter Drink auf Lemmy

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Rocklegenden und Wegbegleiter nehmen Abschied vom Motörhead-Sänger. 250 000 Fans verfolgen die Trauerfeier auf Youtube.

Von Johannes Kuhn, New Orleans

Sie waren herbeigeeilt, eingeflogen und auch auf dem Zahnfleisch ihres Lebenswandels hergekrochen. Und sie hatten Anekdoten mitgebracht.

"Ich lernte Lemmy kennen, als ich Alice Coopers Schlangenbetreuer war", erzählte ein Wegbegleiter des Motörhead-Sängers. Während eines Auftritts habe die Schlange jedoch auf Schockrocker Cooper abgeknödelt, was Lemmy Backstage einen gigantischen Lachanfall beschert habe.

Lemmy Kilmister ist nicht mehr da, doch die Trauergäste lachten mit ihm. Familie, Freunde, Musiker-Kollegen, Mitarbeiter und Begleiter hatten sich in einer Kapelle in den Hügeln Hollywoods zur Trauerfeier für die am 28. Dezember verstorbene Rocklegende versammelt. Der Altar: Marshall-Verstärker, Fotos des Verstorbenen, Lemmys Schuhe und eine Urne in Form seines Hutes. Eine Viertelmillion Anhänger nahm via YouTube-Livestream Abschied. Und vor der Übertragung in Lemmys Lieblingskneipe, der Rainbow Bar in Los Angeles, warteten Scharen von Fans auf Einlass.

"Ich habe mit Lemmy die Lotterie gewonnen"

Der Abschied war liebevoll, durchaus heiter - Kilmister war ein begnadeter Witzerzähler - und auch etwas sentimental, selbst wenn der Motörhead-Frontmann zeitlebens nichts von Gefühlsduselei hielt. "Man sagt, dass man sich seine Eltern nicht aussuchen kann", sagte sein Sohn Paul Inder in seiner Rede, "Nun, ich habe mit Lemmy die Lotterie gewonnen." Er schloss mit den Worten: "Gute Reise, mein lieber Vater. Du bist jetzt wieder unterwegs da draußen, für die längste Tour zum großen Gig im Himmel."

Und der Schnaps floss. Kaum ein Trauerredner, der in den zwei Stunden nicht mit einem Glas Jack Daniels und Cola - Lemmys Lieblingsgetränk - ans Rednerpult trat. Kaum einer, der nicht Gutherzigkeit, trockenen Humor und britische Manieren gewürdigt hätte. Kaum eine Lemmy-Anekdote, in der er nicht raucht, trinkt, oder anderen Menschen einen Drink eingießt.

Metallica-Schlagzeuger Lars Ulrich erinnerte sich, wie er sich vor seiner Musikerkarriere in Lemmys Hotelzimmer übergeben habe, weil der Rockstar ihn als Fan einfach zum Feiern mitgenommen habe. Motörhead habe ihn davon überzeugt, Teil einer Band werden zu wollen, Teil von etwas Größerem.

Ulrichs Bandkollege Rob Trujillo erzählte, wie er mit Kilmister und der Songwriterin Joni Mitchell zwei legendäre Kettenraucher miteinander bekannt gemacht habe. Doch neben Rock-Legenden, darunter Slash und Matt Sorrum (Ex-Guns'n'Roses), Rob Halford (Judas Priest) oder Scott Ian (Anthrax) kamen auch jene Begleiter zu Wort, die sonst nur selten zu sehen sind: Promoter, Roadies, Assistenten, ja sogar der Schuster des Verstorbenen.

Ein letztes Mal brummt das Feedback

Daran, dass Motörhead Protagonisten des Hardrocks der Siebziger und Achtziger waren, in dem Frauen fast nur als Fans und Groupies eine Rolle spielten, erinnerte die geringe Anzahl weiblicher Trauerredner. Dennoch zelebrierte die Rockgemeinde für einen Nachmittag das Gefühl, wieder nahe am Idealbild zu sein: Eine Gemeinschaft, der es nicht darum geht, wer gerade auf der Bühne steht, sondern einzig um die Liebe zu Gitarre, Bass, Schlagzeug. "Ihm war Geld egal, ihm ging es um Musik", würdigte Produzent Bob Kulick den Motörhead-Frontmann, "er war genauso Künstler, wie er Fan war. Er hatte keine politische Agenda und keine Allüren."

Am Ende des Videos zu Motörheads "Killed By Death" rast Lemmy auf seinem Motorrad aus dem Grab und sprengt damit seine eigene Beerdigung. Die Trauerfeier in Los Angeles endete damit, dass Dave Grohl (Foo Fighters) seinen Becher zum Toast erhob.

Dann stöpselten sie Lemmys Bass in die Verstärkerwand hinter dem Rednerpult und drehten die Lautstärke hoch. Das Feedback erfüllte Kapelle und Youtube-Stream, die Trauergäste erhoben sich. Stehender Beifall, ein letztes Mal. Alright, alright, alright, alright, alright. Killed by death, killed by death.

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