"Transformers: Ära des Untergangs" im Kino:Schrei! Mich! An!

Der vierte Teil der "Transformers"-Reihe besteht hauptsächlich aus Geschrei und einigen Sonnenuntergängen in Texas. Der Film ist ein Musterbeispiel dafür, wie sich Hollywood die Zukunft des Kinos vorstellt.

Von David Steinitz

Als der amerikanische Spielzeughersteller Hasbro vor knapp zehn Jahren beschloss, mit seinen Transformers-Spielzeugfiguren eine Kinofilmreihe aufzuziehen, wurde in Hollywood sehr laut gelacht. Wann die Firma denn gedenke, "Monopoly" zu verfilmen, fragten hämisch die Branchenanalysten, die einen legendären Flop witterten. Mittlerweile ist die "Transformers"-Reihe, deren vierter Teil in dieser Woche ins Kino kommt, eine der erfolgreichsten der Filmgeschichte - und der "Monopoly"-Film ernsthaft in Vorbereitung.

Mit der neuesten "Transformers"-Folge "Ära des Untergangs" hat sich Michael Bay, der bereits die ersten drei Teile inszeniert hat und der hier wirklich alle technischen Möglichkeiten zum Großangriff auf die Synapsen nutzt, die im Jahr 2014 zur Verfügung stehen, nun tatsächlich noch einmal selbst übertroffen: ein Film, als würde einem jemand drei Stunden am Stück ins Gesicht schreien, während man im Kreis geschubst wird.

Nette Roboter gegen misanthropische Roboter

Wie in den vorigen Filmen kämpfen ein paar nette Menschen an der Seite von ein paar netten Robotern gegen eine Horde misanthropischer Roboter, die aus fernen Galaxien angereist sind, um die Menschheit zu vernichten. Nur wurde der bisherige Hauptdarsteller Shia LaBeouf durch Mark Wahlberg ersetzt, der hier einen braven texanischen Erfinder spielt, der eigentlich schon genug Ärger mit seiner pubertierenden Tochter (Nicola Peltz) hat, als er zufällig an einen jener netten Transformer gerät, die seine Hilfe brauchen.

All das könnte so egal sein, wie es scheinbar auch den Filmemachern selbst ist - Drehbuchautor Ehren Kruger zum Beispiel hat früher tolle Drehbücher für wenig Geld geschrieben, jetzt schreibt er schlechte Drehbücher für sehr viel Geld. Nur ist ausgerechnet "Transformers 4" wie kein anderer Blockbuster der jüngeren Zeit das Musterbeispiel dafür, wie man sich in Hollywood aktuell die Zukunft des Kinos vorstellt. Denn die "Ära des Untergangs", die der Titel suggeriert, markiert in Wirklichkeit eher den Aufbruch zu neuen Ufern.

China als größter Kinomarkt

Der nordamerikanische Kinomarkt ist bislang noch der größte der Welt, hat aber sein Wachstumspotenzial längst ausgeschöpft und ist tendenziell im Schrumpfen begriffen, weil immer mehr Menschen Filme lieber auf Abruf daheim anschauen. Weil aber ein Download oder Stream den Studios wesentlich weniger Geld einbringt als ein Kinoticket, lautet die Lösung von Hasbro sowie den beiden Studios Paramount und Dreamworks, die gemeinsam die "Transformers"-Filme produzieren: China.

Dort hat sich allein in den vergangenen drei Jahren, also genau in der Zeit zwischen "Transformers 3" und "Transformers 4", die Anzahl der Kinoleinwände fast verdoppelt - und das ist, vorsichtig formuliert, natürlich vollkommen irre. Laut Variety wird China die USA deshalb bis spätestens 2018 als weltweit größter Kinomarkt überholt haben - weshalb es in Hollywood gerade hektisch wird.

Was andere Studios kürzlich bereits in kleinem Rahmen versucht haben - Disney mit "Iron Man 3" oder Fox mit dem letzten "X-Men" - erheben die "Transformers"-Macher endgültig zum Zukunftsprinzip: einen Film so auf den chinesischen Markt zuzuschneiden, dass er dort garantiert ein Hit wird, aber auch noch in der alten Kinowelt von Nordamerika und Europa funktioniert.

Chinesische Darsteller neben Hollywood-Cast

Die "Transformers 4"-Macher platzieren gezielt chinesische Darsteller neben einem Hollywood-Cast, die teilweise über eine chinesische Casting-Show ermittelt wurden; der Film spielt zu großen Teilen in Hongkong und Shanghai und ist mit chinesischen Geldern koproduziert. Dortige Sender haben sich am 160-Millionen-Dollar-Budget der Riesenproduktion beteiligt, und da solche Deals, zumal mit amerikanischen Unternehmen, in China nur mit dem Okay der Regierung zustande kommen können, ist Hollywoods Mission Osteroberung sozusagen sogar staatlich legitimiert.

Und die Strategie scheint sich auszuzahlen: Der Film spielte in China in der ersten Startwoche unglaubliche 90 Millionen Dollar ein, dort der beste Start eines US-Films aller Zeiten. Mittlerweile ist er auf dem besten Weg, in China einer der ertragreichsten US-Filme überhaupt zu werden - ein Erfolg, den viele Produzenten kopieren werden, nicht nur in Amerika. Woraus natürlich die Frage folgt, ob künftig die Bedürfnisse der chinesischen Kinobesucher bestimmen werden, was die Zuschauer auf der ganzen Welt zu sehen bekommen - frei nach dem Motto: Eins Komma drei Milliarden Chinesen können nicht irren.

Klischeebehaftete Landsleute

Um diese Frage zu beantworten, kann man sich allerdings nicht hinter Einspiel-Bilanzen und Analysten-Prognosen verschanzen, sondern muss direkt an die Front: 165 Minuten "Transformers 4", natürlich in 3 D.

Und wenn man davon ausgeht, dass Chinesen auch nicht blöder sind als der Rest der Welt, dann gehen die zahlreichen chinesischen Zuschauer garantiert nicht aus Heimatliebe in diesen Film. Denn die Landsleute, die sie hier zu sehen bekommen, entsprechen in etwa den Oktoberfest- und Naziklischees, mit denen die Deutschen lange im US-Kino leben mussten: Die chinesischen Frauen sind unterkühlte, intrigante Femmes fatales, haben sich also seit der Zeit des Film noir der Dreißigerjahre nicht verändert - und die Männer können alle Kampfsport.

Wenn man dann noch dazuaddiert, dass diverse Teile jener Szenen, die in Shanghai spielen, in Detroit gedreht wurden, muss es etwas anderes sein, das die Chinesen in diesen Film zieht. Und das hat nichts mit Patriotismus, sondern mit jenem herrlichen Fernweh zu tun, das Hollywood seit jeher verkauft: der puren Lust aufs Americana. Diese wird hier ins chinesische Hinterland geschmuggelt, wo Hunderte neue Kinos entstanden sind und der Name Michael Bay noch etwas, nun ja, Jungfräuliches hat - vorbei an der zentralen chinesischen Filmbehörde, der man dafür die genannten Zugeständnisse macht.

Fünf Sonnenuntergangssequenzen

Und wenn man dem viel gebuchten Werbefilmer Michael Bay eines lassen muss: Er kann Mark Wahlberg beim Feierabendbier auf der Terrasse seiner Ranch tatsächlich so ins Licht der sinkenden Sonne tauchen, dass man wenigstens kurz über einen Umzug nach Texas nachdenkt (es gibt in "Transformers 4" fünf solcher Sonnenuntergangssequenzen).

Bays restliches Interesse gilt dann dem möglichst wackeligen Einsatz seiner Imax-3D-Kameras sowie den langen Beinen seiner neunzehnjährigen Hauptdarstellerin Nicola Peltz. Die sind braun gebrannt, aber nicht zu braun - ein beinbraun also, das ganz famos mit der Farbe ihrer ausgewaschenen hellen Jeansshorts kontrastiert, deren noch etwas hellere Innentaschen natürlich aufgrund des aktuellen Sommermode-Imperativs unter den Shorts herausgucken. Ob das reicht, um ein Kinoticket kaufen zu wollen, muss jeder Chinese, Amerikaner, Deutsche oder Transformer für sich selbst entscheiden.

Transformers: Age of Extinction, USA 2014 - Regie: Michael Bay. Buch: Ehren Kruger. Kamera: Amir Mokri. Mit: Mark Wahlberg, Stanley Tucci, Nicola Peltz. Paramount, 165 Minuten.

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