Süddeutsche Zeitung

Trailer-Premiere "Einer nach dem anderen":Dirty Harry in der Eiswüste

Stellan Skarsgård begibt sich in "Einer nach dem anderen" im tief verschneiten Norwegen auf einen fulminanten Rachefeldzug. An Toten spart die tiefschwarze Komödie von Hans Petter Molland nicht, doch davon lebt sie nicht allein. Sehen Sie die exklusive Trailerpremiere.

Von Paul Katzenberger

So viel Blut ist schon lange nicht mehr in einer Eiswüste vergossen worden, seit die Coen-Brüder den glücklosen Steve Buscemi in "Fargo" in einem Gartenschredder enden ließen. Und nicht nur die Blutgier teilt die Verbrecherkomödie "Einer nach dem anderen" mit dem Krimi-Thriller, für den die Coens 1997 den Oscar fürs Drehbuch bekamen, sondern auch dessen skurrilen, tiefschwarzen Humor.

Vielleicht hat sich der norwegische Regisseur Hans Petter Molland bei seinem neuen Film aber auch von Quentin Tarantino inspirieren lassen. Wenn der die Aufgabe bekommen hätte, einen Actionfilm mit Stellan Skarsgård in der Hauptrolle in der eisigsten aller skandinavischen Winterlandschaften zu drehen, dann wäre dabei vielleicht etwas ähnliches herausgekommen.

Das ist allerdings nur eine wohlgemeinte Vermutung: Molland, der "Einer nach dem anderen" auf der Berlinale noch unter dem Titel "Kraftidioten" im Wettbewerb platzieren konnte, wurde dort immer wieder in einem Atemzug mit den Coen-Brüdern und Tarantino genannt. Das Berlinale-Publikum lässt sich von Burlesken schließlich schnell einnehmen, bieten sie doch eine willkommene Ablenkung von den ernsten Stoffen, die auf diesem Filmfestival traditionell dominieren. Allerdings erreicht Mollands Film auch in seinen besten Momenten nicht ganz die Qualität der genannten Vorbilder. Skandinavischer Humor kann eben doch sehr trocken sein.

Wir lernen Skarsgård zunächst als den angehenden Kommunalpolitiker Nils Dickmann in Norwegens Provinz kennen. Gebürtiger Schwede, der er auch im Film ist, hat er sich bestens im Nachbarland integriert, er wird als "Bürger des Jahres" gefeiert. In seiner Dankesrede spricht er voller Bescheidenheit davon, wie sehr ihn sein Beruf als Schneeräumer erfülle. Denn der Dienst an der riesigen Schneefräse, mit der er die Wege für seine Mitbürger zwischen der Einöde und der Zivilisation freihält, vermittle ihm das Gefühl, als "Pfadfinder" gebraucht zu werden.

Doch Nils' Ehrlichkeit und sein geradezu biblischer Gemeinsinn sind es wohl auch, die aus ihm einen unbarmherzigen Rächer eines schweren Verbrechens machen: Sein Sohn war versehentlich zwischen die Fronten zweier Drogengangs geraten, was er nicht überlebte. Ingvar Dickmann wird leblos aufgefunden, offenbar ist eine Überdosis Heroin die Todesursache.

Doch Nils will das nicht glauben. Er weiß, dass Ingvar kein Junkie war, auch wenn die Polizei davon ausgeht und den Fall alsbald zu den Akten legt. Nils beginnt auf eigene Faust in der Angelegenheit zu ermitteln. Bald findet er heraus, dass die örtliche Mafia seinen Sohn auf dem Gewissen hat. Die zwei Täter sind rasch ausgemacht, Nils massakriert sie beide, nicht ohne ihnen vorher ein Geständnis abgerungen zu haben.

Abschlachtungen am Fließband

Dadurch gerät er allerdings zwischen die Fronten zweier Mafiabanden (eine davon geführt von "Papa", einem heiseren Marlon-Brando-Verschnitt des "Paten", gespielt von Bruno Ganz). Denn beide Seiten verdächtigen sich gegenseitig der Bluttaten, die Nils begangen hat. In einem Bandenkrieg kann das natürlich nicht ungesühnt bleiben. Was folgt, sind Abschlachtungen am Fließband.

Doch "Einer nach dem anderen" ist beileibe kein x-beliebiger Splatterfilm, der allein zum unausweichlichen Showdown drängt. Das finale Blutbad gibt es zwar auch, und das in einer Dosis, an der selbst Sam Peckinpah, der "Picasso of Violence", seine Freude gehabt hätte. Doch vor allem verpasst Molland der ganzen Szenerie eine eigentümliche Erhabenheit: Nach jeder Mordtat erscheint eine leinwandfüllende Todesanzeige, die des Opfers Geburts- sowie Decknamen und seine Religion auflistet. So streng wie diese Formalitäten eingehalten werden, so diszipliniert steigern Molland und Drehbuchautor Kim Fupz Aakeson schrittweise die Spannung. Der einzutreibende Blutzoll erhöht sich im selben Maße, doch außer Kontrolle gerät diese Schwarze Komödie ihren Machern deswegen trotzdem nie.

Mit ihrem dramaturgischen Ordnungssinn schaffen sie es sogar, viele Genres anzutippen: Schwarze Komödie, Thriller, Gangsterfilm, Milieustudie. Allerdings ist das auch das Problem dieses Filmes, der zu viel sein will - und sich dadurch in den vielen Gattungen verliert, denen er zugerechnet werden könnte.

"Einer nach dem anderen" kommt am 20. November in die deutschen Kinos.

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