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Trailer-Premiere "Eine Taube sitzt auf einem Zweig...":Erlösung durch Lachen

Der Tod ist unausweichlich, also begegnen wir ihm mit Humor: Regisseur Roy Andersson beschließt mit dem preisgekrönten Film "Eine Taube sitzt auf einem Zweig..." seine Trilogie über das menschliche Wesen. Sehen Sie die exklusive Trailer-Premiere bei SZ.de.

Von Paul Katzenberger

Ein Mann stirbt bei dem energischen Versuch, eine Flasche Wein zu entkorken an einem Herzinfarkt, während seine Frau in der Küche unbeirrt vor sich hinträllernd das Abendessen zubereitet. Exitus zwei: Eine alte Frau umklammert auf dem Totenbett ihre Handtasche voll Schmuck, während die Söhne versuchen, ihr die Tasche zu entreißen: "Mutter, Du bekommst im Himmel neuen Schmuck." Und noch eine Leiche muss herhalten: Ein Passagier liegt tot in der Cafeteria einer Fähre, neben seinem gerade bezahlten Essen - einem Shrimps-Sandwich und einem Bier. Die Frau an der Kasse fragt: "Will das jemand? Es ist gratis."

Besonders im Alter macht man sich ab und zu Gedanken über den Tod - das ist normal. Für den schwedischen Regisseur Roy Andersson gilt das auch. Er ist 71 Jahre alt und würde man als Betrachter seines neuen Films "Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach" sein Alter nicht kennen, so würde man zumindest vermuten, dass er nicht mehr der Jüngste ist.

Denn "Eine Taube sitzt auf einem Zweig ..." handelt - von wenigen Ausnahmen abgesehen - nur von Erwachsenen, von denen die meisten schon mehr Tage hinter sich haben als vor sich. Und dann geht der Film gleich mit drei Leichen los.

Der Tod kommt bei Andersson plötzlich, und er ist unausweichlich - anders als bei seinem berühmten Landsmann Ingmar Bergman, der den Tod dem zum Sterben Verurteilten in "Das siebente Siegel" einen Aufschub anbieten lässt, ohne dass dies natürlich Erlösung bringen würde. Andersson begegnet der Schicksalhaftigkeit des Lebens demgegenüber mit Humor. Viel mehr bleibt einem womöglich ja nicht übrig.

Mit "Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach" beschließt der Filmemacher seine seine Trilogie über das menschliche Wesen. Wer die ersten zwei Beiträge "Songs from the Second Floor" aus dem Jahr 2000 und "Das jüngste Gewitter" von 2007 kennt, der weiß, was einen bei "Eine Taube sitzt ..." erwartet.

"Der Raum legt den Menschen fest"

Anderssons sehr persönlicher Stil ist geprägt von kurzen grotesken Episoden. In "Eine Taube ..." kommen am Schluss 39 Sketche zusammen, die manchmal im Zusammenhang zueinander stehen, oft aber auch nicht. Stets sind sie mit einer statischen Kamera aufgenommen, die das Dargestellte in der Totalen erfasst. Seine Tableaus zeigen die Welt in ausgewaschenen Erd- und Pastelltönen, in der seine Figuren weiß geschminkt wie fahle Untote durch gemäldeartige Szenen stolpern.

Der Schwede denkt wie ein Maler. Einsamkeit etwa drückt er ganz wie Edward Hopper aus, indem er sie in einen größeren Kontext postiert. Otto Dix und Georg Scholz seien die beiden Künstler gewesen, die ihn bei "Eine Taube sitzt ..." am stärksten inspiriert hätten, sagt er.

Für die Beschreibung des Menschen und seines Lebens hält Andersson außerdem das richtige Verständnis von Räumen für essenziell. Der Raum spreche die Wahrheit, sagt er. Denn: "Der Raum legt den Menschen fest und zeigt die Werte und Bedingungen hinter den Träumen, die wir haben." So leiten Anderssons Perspektiven das Auge des Zuschauers von der vordergründigen Szenerie weg in angrenzende Räume oder auf die wahre Welt, draußen vor dem Fenster.

Trivialität auf dem Weg zum Schlachtfeld

Das ist formal teilweise so großartig gemacht, dass Andersson in Venedig in diesem Jahr den "Goldenen Löwen "für seine "Taube" erhielt. Hinreißend ist etwa die groteske Szene, die den schwedischen Kriegskönig Karl XII. aus dem 18. Jahrhundert in einer sehr aktuell wirkenden Bar in Göteborg zeigt: Erst ziehen die Truppen des Königs schier pausenlos am Fenster der Schänke vorbei, dann fallen die Troupiers plötzlich ein, verjagen alle Frauen, bevor der Regent hoch zu Ross hereinreitet, erst etwas zu trinken bestellt und dann auf's Klo muss. Er liebe Trivialitäten, sagt Andersson, und hier wird deutlich, wie das zu verstehen ist.

Handwerkliche Originalität dieser Art bietet "Eine Taube ..." an mehreren Stellen, doch inhaltlich bleibt der Film zu oft im Klamaukhaften hängen. Die kummervollen Scherzartikel-Vertreter Jonathan (Holger Andersson) und Sam (Nils Westblom), von denen mehrere Episoden des Films handeln, wirken wie eine moderne Version von Don Quijote und Sancho Panza. Vor allem aber kommt in dem dominanten Sam und dem weinerlichen Jonathan Anderssons kapitalismuskritische Haltung zum Ausdruck, sein Abscheu vor Erniedrigung und Unterdrückung.

Doch der immergleiche Streit zwischen den beiden Vertretern der Erfolglosigkeit wirkt dann doch zu aufgesetzt, um ein tieferes Verständnis für das menschliche Leben zu vermitteln, das die titelgebende Taube nach Anderssons Annahme ergründet, während sie auf uns Erdenbewohner herabblickt.

"Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach" kommt am 1. Januar 2015 in die Kinos.

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