"Tove" von Zaida Bergroth im Kino:Arbeit und Liebe

"Tove" von Zaida Bergroth im Kino: "Mumins"-Erfinderin Tove Jansson (Alma Pöysti, links) liebte Frauen und Männer und knuffige Trollwesen.

"Mumins"-Erfinderin Tove Jansson (Alma Pöysti, links) liebte Frauen und Männer und knuffige Trollwesen.

(Foto: Salzgeber)

"Tove" von Zaida Bergroth zeigt das sexuelle Erwachen der Künstlerin Tove Jansson im Finnland der Vierzigerjahre. Mit den "Mumins"-Kinderbüchern erlangte sie Weltruhm.

Von Nicolas Freund

Es ist ja fast unmöglich, sie nicht zu mögen: die Mumins, diese seltsamen weißen Wesen, eine Mischung aus Nilpferd und, ja was eigentlich? Troll? Schneemann? Albino-Irgendwas? Die Theaterregisseurin Vivica (Krista Kosonen) ist jedenfalls sofort fasziniert, als sie einen Stapel Zeichnungen durchstöbert und auf die Skizzen mit den knuffigen Gestalten stößt.

Dabei hatte ihre Gastgeberin Tove (Alma Pöysti) ihre Arbeiten für Kinderbücher gerade noch vor dem wichtigen Besuch versteckt - viel zu peinlich für eine moderne Künstlerin. Sie versucht die Aufmerksamkeit auf ihre großformatigen Gemälde zu lenken, aber vergeblich. Vivica, für die Tove längst mehr empfindet als Freundschaft, sieht sofort, was in den Mumins steckt.

Die Regisseurin Zaida Bergroth hat die Szene in ihrer Filmbiografie "Tove" zu einem Schlüsselmoment gemacht. Der Film, eine Prestigeproduktion der finnischen Filmindustrie, zeigt einige entscheidende Momente im Leben der jungen Künstlerin Tove Jansson, die sich in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg als Künstlerin und als Liebende selbst entdeckt.

Die Mumins sind bis heute aus keinem skandinavischen Kinderzimmer wegzudenken, ihre Abenteuer wurden in Dutzende Sprachen übersetzt, auch im Rest Europas und bis nach Japan sind sie irre beliebt. Über ihre Erfinderin Tove Jansson weiß man weniger. Dass die Frau hinter den lustigen Trollwesen ihre eigene spannende Geschichte hat, beweist nun dieser Film.

Vielleicht auch deshalb hat Zaida Bergroth die Mumins sehr zurückhaltend eingesetzt. Klar, sie kommen vor, sogar in einer sehr liebenswerten Theateraufführung. Alles andere wäre auch verrückt. Aber wie die oben beschriebene Szene zeigt, haderte die Erfinderin wohl selbst eine Weile mit ihren Geschöpfen. Sie wollte keine Kinderbuchautorin sein, sie wollte mehr. So auch in ihrem Liebesleben.

Sex sei ein unwiderstehlich schöner Drache, sagt Tove - und kritzelt ihn in die Speisekarte

Da verkehrt sie mit dem älteren, sozialdemokratischen und eigentlich noch verheirateten Politiker Atos Wirtanen (Shanti Roney). Im Helsinki der Vierzigerjahre Grund genug für schräge Blicke. Aber wahrscheinlich gefällt ihr die Beziehung auch deshalb. Als die beiden einmal nachts bei Sturm einen Spaziergang zum Hafen machen, rutscht Atos auf den glatten Steinen aus - und Tove meint nur, wenn sie heiraten würde, dann jemanden wie ihn.

Das wollen sie dann irgendwann auch, nur ist da eben noch Vivica, die große, selbstbewusste Theaterregisseurin aus gutem Hause, mit der Tove auch eine Beziehung hat. Den Sex mit ihr beschreibt Tove beim Mittagessen mit Atos. Es war, sagt sie, "als wäre ein unwiderstehlich schöner Drache erschienen. Er hat mich gepackt und ist mit mir davongeflogen." Den Drachen kritzelt sie derweil in die Speisekarte.

Es sind vielleicht eine wilde Party und eine Bettszene zu viel geworden in dem Film. Aber das machen Momente wie diese wieder wett, die es schaffen, das faktisch Biografische und das geahnte Emotionale in ein schönes Bild zu packen, das noch dazu auch aus einer von Janssons fantastischen Geschichten stammen könnte. Davon möchte der Film erzählen.

Um vieles anderes geht es nur nebenbei: Toves Außenseiterrolle als Finnland-Schwedin und als Homosexuelle, das schwierige Verhältnis zum Vater. Aber es ist auch angenehm, dass es der Film wagt, sich auf seine Protagonistin zu konzentrieren, ohne aus ihrem Leben unbedingt etwas Allgemeingültiges ableiten zu wollen. Alma Pöysti spielt diese Tove frech und aufgeweckt, manchmal vielleicht etwas zu naiv, aber immer sehr emotional und mit einer leichten Melancholie, wie man sie auch aus ihren Werken kennt.

"Labora et amare", so hat Tove Jansson selbst manchmal ihr Motto gezeichnet, Arbeit und Liebe, in nicht ganz korrektem Latein. Zaida Bergroth hat daraus so etwas wie die These ihres Films gemacht. Mit der Karriere als Malerin hat es nicht geklappt, mit der Liebe auch nicht so wie anfangs gehofft - und doch ging beides am Ende gut aus. Ein trauriger und zugleich sehr positiver Film, nach dem man auch manche Abenteuer der Mumins noch einmal ganz neu versteht.

Tove, Finnland, Schweden 2020 - Regie: Zaida Bergroth. Buch: Eeva Putro und Jarno Elonen. Kamera: Linda Wassberg. Mit: Alma Pöysti, Krista Kosonen, Shanti Roney. Salzgeber, 104 Minuten. Filmstart: 24. 03. 2022.

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