Tom Jones zum 70.:Sie nannten ihn Tiger

Eine naturgewaltige Stimme, männliche Ausstrahlung, eine duldsame Ehefrau und eine starke Leber: Das ist wohl das Erfolgsrezept von Tom Jones. Nun wird er 70 Jahre alt.

Johan Schloemann

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Tom Jones wird 70

Quelle: dpa

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Eine naturgewaltige Stimme, männliche Ausstrahlung, eine duldsame Ehefrau und eine starke Leber: Das ist wohl das Erfolgsrezept von Tom Jones. Nun wird er 70 Jahre alt. Von Johan Schloemann.

Dass ein walisischer Bergarbeitersohn und früherer Staubsaugervertreter, der sich einst mit den zugeworfenen Schlüpfern williger Frauen den Schweiß von der Stirn wischte, von der Queen zum Ritter geschlagen wird, das spricht für die Offenheit der britischen Meritokratie.

Chez Tom

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Noch dazu, wenn man bedenkt, dass der Sänger Tom Jones, der sich seit 2006 Sir Tom Jones nennen darf, Ende der siebziger Jahre das Vereinigte Königreich als Steuerflüchtling in Richtung USA verlassen hat.

Tom Jones im September 1966 auf seinem Sofa.

Tom Jones

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Der Mann, der es seit seiner Geburt am 7. Juni 1940 im Städtchen Pontypridd zu Ruhm brachte, ist eben zugleich der Junge geblieben, dem wegen einer Tuberkulose der Gang in die Kohlegruben erspart blieb und der seine Lungen stattdessen einsetzte, um in den Arbeiterklubs in den Tälern von Südwales zum ersten Mal den Rock 'n' Roll erklingen zu lassen.

Das Foto zeigt Tom Jones im August 1966 beim Hören von Schallplatten in seinem Haus.

"EIN KONZERT FÜR LINDA" MIT TOM JONES UND GEORGE MICHAEL

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Die Zeit, als er die Insel verließ, die Zeit um 1980, war Tom Jones' schwerste. Hatte er schon 1971 über dreißig Millionen Schallplatten verkauft - mit Hits wie It's Not Unusual und Delilah - und eine eigene TV-Show in den USA gehabt, so litt er nun an dem verfestigten Image als schmieriger Herzensbrecher in zu engen Hosen und zu weit geöffnetem Hemd. Es war dies ein Image, das seiner überragenden Soul- und Bluesrock-Stimme und seiner Bedeutung als Musiker nicht gerecht wurde, an dem Jones selbst aber mit seinen lukrativen Glitzershows in Las Vegas und seiner generellen Bereitschaft zur virilen Überinstrumentierung nicht ganz unbeteiligt war.

Das Foto zeigt "Ein Konzert für Linda": Tom Jones und George Michael spielen für Paul McCartneys Ehefrau Linda.

WELSH SINGER TOM JONES PERFORMS LIVE IN DUBLIN

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Nun aber wollte das kaum noch einer hören und, vor allem, sehen. Und sein guter Freund Elvis Presley, der seine Stimme bewunderte, war 1977 gestorben. Überdies geriet Jones damals in einen Knebelvertrag der Firma Polygram, der ihn über mehrere Jahre auf Country- und Western-Alben festlegte, die nur für amerikanische Lastwagenfahrer zu kaufen waren, nicht aber in Europa.

Tom Jones bei einem Konzert in Dublin.

TOURNEE-AUFTAKT TOM JONES

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Doch Ende der Achtziger wurde wieder alles anders. Mit einer ironisch-technizistischen Version von Kiss, dem gerade zwei Jahre alten Prince-Hit, brachte das Elektronik-Ensemble Art of Noise den Altmeister wieder ins Rennen. Tom Jones wurde in den neunziger Jahren cool, was er früher eigentlich nie war. Es gab allerlei Kooperationen mit jüngeren Musikern, von Cardigans-Sängerin Nina Persson bis zu Mousse T., der ihm den Hit Sex Bomb verschaffte. Der Reiz dieses neu entdeckten Tom Jones lag in der Brechung, die zwischen der unterlegten synthetischen Begleitung und Jones' warmer, elastischer, sofort erkennbarer Stimme entstand - einer Gabe, mit der verglichen Lena Meyer-Landrut über nichts als ein erbärmliches Piepsen verfügt.

Tom Jones bei einem Konzert in der Bremer Stadthalle.

TOM JONES AT ITALIAN SONG FESTIVAL IN SAN REMO

Quelle: Reuters

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Wer seine Duette mit Wilson Pickett, Aretha Franklin und Janis Joplin aus den Jahren 1969/70 ansieht, der versteht, was diesen Sänger auszeichnet: Einerseits kann seine Stimme an Beweglichkeit und Exaltiertheit durchaus mithalten. Er ist viel mehr als nur ein Balladensänger. Andererseits geht Tom Jones nie bis zu Äußersten: Er dreht nicht durch. Die Erscheinung wirkt bei allem Sex-Appeal leicht tapsig. Eben dieses Ungelenke ist es, das Verbleiben im Show-Korsett des Unterhaltungskünstlers, was ihn gerettet hat und was ihm heute im Alter - trotz Sonnenbank und plastischer Chirurgie - seine eigene Würde bewahrt hat: Er ging nie den Weg des selbstzerstörerischen Rockstars. Unzählige Drinks, aber keine Drogen; unzählige Affären, aber keine Scheidung von seiner Frau, mit der er seit 1957 verheiratet ist. "The road leads always back to you", sang er vor zwei Jahren. Das also dürfte in etwa das Rezept des Tom Jones sein: eine naturgewaltige Stimme, männliche Ausstrahlung, Professionalität, eine duldsame Ehefrau und eine starke Leber.

Tom Jones bei einem Konzert in der Bremer Stadthalle.

Tom Jones

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Nun also wird Tom Jones siebzig, und die mitgealterten Damen, die ihm immer noch Höschen auf die Bühnen werfen wollen, sollten beginnen, über die Endlichkeit nachzudenken. Ihr Idol tut es auch: Sein neues Album Praise and Blame, das am 23. Juli erscheint, besteht vor allem aus Blues und Spirituals.

© sueddeutsche.de/kar
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